OLG Frankfurt vom 22.07.2016 (4 WF 153/16)

Stichworte: Anwaltsbeiordnung, auswärtig ansässiger Rechtsanwalt, stillschweigendes Einverständnis
Normenkette: FamFG 51 Abs. 1, 76 Abs. 1, 167, 331; ZPO 114
Orientierungssatz:
  • Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Genehmigung der geschlossenen Unterbringung eines Minderjährigen im Wege einstweiliger Anordnung setzt voraus, dass diesem Antrag Erfolgsaussicht beizumessen ist. Denn ein solches Genehmigungsverfahren ist ein Antrags-, kein Amtsverfahren (Bestätigung des SenatsBeschlusses vom 20.05.2015, 4 UF 122/15).
  • Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung, mit der die geschlossene Unterbringung eines minderjährigen genehmigt werden soll.
  • 62 F 856/16
    AG Gelnhausen

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend die Genehmigung der Unterbringung von

    hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 22.07.2016 beschlossen:

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 23.06.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Gelnhausen vom 20.06.2016, Az. 62 F 856/16 eAUB, in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 27.06.2016 wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Am 13.06.2016 beantragte die für die minderjährige C., geb. 17.03.2001, allein sorgeberechtigte Antragstellerin die Genehmigung der Unterbringung der Minderjährigen im Wege einstweiliger Anordnung und die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hierfür. Sie führte dabei aus, dass sich C. bereits vom 09.09.2015 bis 17.11.2015 in vollstationärer psychiatrischer Behandlung befand und eine Kindeswohlgefährdung durch Fremd- bzw. Eigengefährdung sich durch ein einzuholendes familienpsychologisches Sachverständigengutachten bestätigen lasse.

    Bereits einige Tage zuvor hatte die Antragstellerin die Genehmigung der Unterbringung in der Hauptsache beantragt, was beim Familiengericht zu Az. 62 F 811/16 UB geführt wird und Anlass weiterer gerichtlicher Ermittlungen ist.

    Hintergrund der vorliegenden Anträge war, dass C. am Abend des 09.06.2013 ein hochaggressives Verhalten gezeigt haben soll, welches sowohl zu körperlichen Auseinandersetzungen mit der Antragstellerin als auch – auf Veranlassung derselben – zu einem Eingreifen der Polizei gemäß § 10 HFEG führte, infolge dessen gegen C. die sofortige Ingewahrsamnahme angeordnet und diese in die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik nach Herborn gebrachte wurde.

    Aufgrund einer Mitteilung der Polizei an das Familiengericht über die erfolgte Ingewahrsamnahme leitete dieses am 10.06.2016 zu Az. 62 F 835/16 eAUB, weitere Ermittlungen ein, ob eine weitere (öffentlich-rechtliche) Unterbringung C.s anzuordnen sei; insofern liegt zu dortigem Az. ein Vermerk des Familiengerichts über ein Telefonat mit der behandelnden Ärztin der Klinik, Frau D., in Herborn vor, wonach C. nicht in der dortigen Klinik bleiben möchte, andererseits die Ärztin aus ärztlicher Sicht keinen Grund für eine Unterbringung sehe. C. wurde daher dort am 10.06.2016 entlassen.

    Am 14.06.2016 wies das Familiengericht auf eine fehlende Erfolgsaussicht der am 13.06.2016 gestellten Anträge hin und wies – ohne bisher über den gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden – den auf Verfahrenskostenhilfebewilligung gerichteten Antrag der Antragstellerin am 20.06.2016 zurück. Hiergegen richtet sich ihre sofortige Beschwerde vom 23.06.2016, der das Familiengericht am 27.06.2016 nicht abhalf. Am 11.06.2016 wies der Senat auf die fehlende Erfolgsaussicht der sofortigen Beschwerde hin; die Antragstellerin nahm hierzu am 19.07.2016 dahingehend Stellung, dass der im Hauptsacheverfahren tätige Verfahrensbeistand am 15.07.2015 im Anschluss an ein dort eingeholtes Sachverständigengutachten vom 12.07.2016 die vorübergehende stationäre Unterbringung C.s in einer geschlossenen Einrichtung zur psychiatrischen Behandlung der Minderjährigen befürworte.

    II.

    Die zulässige, §§ 76 II FamFG, 567 ff. ZPO, Beschwerde der Kindesmutter und Antragstellerin ist unbegründet, weil das Familiengericht am 20.06.2016 zutreffend der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe für Durchführung eines Verfahrens auf Genehmigung der Unterbringung der minderjährigen C. auf Antrag der Antragstellerin ablehnte. Denn dieser Antrag hatte und hat nicht die nötige Erfolgsaussicht, vergl. §§ 76 I FamFG, 114 ZPO.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Tatbestandsmerkmal der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung vorliegend Bedeutung hat, weil es sich bei dem Verfahren auf Genehmigung der Unterbringung eines Minderjährigen durch den/die Sorgeberechtigten um ein Antragsverfahren handelt. Zwar nennt § 1631b BGB selbst ein solches Antragserfordernis nicht ausdrücklich, so dass entsprechend des Grundsatzes der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass alle Verfahren, für die kein Antragserfordernis im Gesetz postuliert ist, Amtsverfahren sind, von einem Amtsverfahren auszugehen wäre, dem sich ein Mussbeteiligter im Sinne von § 7 II FamFG nicht entziehen könnte, so dass es auch nicht auf die Erfolgsaussicht seiner Rechtsverfolgung bzw. –verteidigung maßgeblich ankäme (vergl. Senatsbeschluss vom 18.02.2011, 4 WF 5/11, www.hefam.de). Der Senat hat aber bereits entschieden (FamRZ 2015, 2070-2071), dass Unterbringungsverfahren nach § 1631b BGB – wegen § 51 I 1 FamFG auch diesbezügliche einstweilige Anordnungsverfahren – dennoch Antragsverfahren sind, weil sie – wie für Amtsverfahren üblich – nicht im öffentlichen Fürsorgeinteresse, sondern im Interesse des/der Sorgeberechtigten geführt werden, weil durch eine gerichtliche Entscheidung selbst keine Unterbringung des Kindes herbeigeführt werden könnte, sondern nur eine Genehmigung der Entscheidung des/der Sorgeberechtigten ausgesprochen werden kann, also eine solche Entscheidung positiv vorliegen muss. Dann ist es aber auch sachgerecht, es in den Verantwortungsbereich des/der Sorgeberechtigten zu legen, ihm/ihr/ihnen den Anstoß hierzu zu überlassen. Hieran hält der Senat eingedenk der überwiegenden Zustimmung in der Literatur (vergl. B. Hamdan in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1631b BGB, Rz. 26.1; Nellissen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 34 SGB VIII, Rz. 30.1; a.A. Vogel, FamRB 2015, 291-293) fest.

    Da somit ein Antragsverfahren vorliegt, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe zu Gunsten des Antragstellers maßgeblich darauf an, ob Erfolgsaussicht in der Sache besteht. Dies ist im Ergebnis zu verneinen.

    Denn der Antrag berücksichtigte nicht hinreichend die Voraussetzungen der §§ 167, 331 FamFG.

    Die §§ 167, 331 Nr. 1 FamFG setzen voraus, dass dringende Gründe:für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Unterbringung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

    Voraussetzung der Genehmigung der Unterbringung ist, § 1631b S. 2 BGB, dass sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und auf andere Weise nicht abgewendet werden kann (Subsidiarität der Maßnahme). Zwar lag es aufgrund des Sachverhalts, der sich der polizeilichen Ingewahrsamnahmeanordnung entnehmen lässt, nahe, dass C. am Abend des 09.06.2016 selbst – bzw. fremdgefährdendes Verhalten zeigte, als sie in eine Glasvitrine trat und die Antragstellerin biss, ob mit diesen Verhaltensweisen in einem erheblichen Maße dauerhaft gerechnet werden muss, ließ sich aber nur anhand näherer Befassung mit dem Persönlichkeitszustand des Kindes aufklären.

    Die Erforderlichkeit der Maßnahme zwingt aber auch zu der Prüfung, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überhaupt geeignet ist, die Gefahren abzuwehren. Insofern bedarf es einer Behandlungsfähigkeit; hierzu verhält sich der Antrag überhaupt nicht. Im Gegenteil: Aufgrund der ca. zweimonatigen vollstationären psychiatrischen Behandlung C.s im Herbst 2015 bedurfte es hier weiterer Sachaufklärung, weil es nicht fernlag, dass derartige Unterbringungsmaßnahmen bei ihr keinen (dauerhaften) Erfolg zeigen; zumindest lagen keine dringenden Gründe:für eine gegenteilige Annahme vor.

    Hierzu passt, dass sowohl in der Antragsschrift vom 13.06.2016 als auch der Beschwerdeschrift vom 23.06.2016 die Antragstellerin darauf hinweist, dass sich die Voraussetzungen des § 1631b BGB erst durch die Einholung eines Sachverständigengutachten klären lassen würden. Dies ist aber mit dem Charakter eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht vereinbar, weil dann schon keine dringende Gründe:im Sinne der §§ 167, 331 Nr. 1 FamFG gegeben sind.

    Auch ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden – bzw. zu Vorbereitungsmaßnahmen nach § 331 Nr. 2 FamFG – fehlte, weil die Ermittlungen des Familiengerichts im Wege des Freibeweises, §§ 26, 29 I FamFG im Parallelverfahren 62 F 835/16 EAUB am 10.06.2016 ergaben, dass durch die behandelnde Ärztin des Krankenhauses, in dem sich C. befand, diese Voraussetzung nicht gesehen wurde. Dass hier ein Missverständnis mit dem Gericht oder eine fachärztliche Fehleinschätzung vorliegen, zeigt auch die Antragstellerin nicht auf.

    Obgleich das einstweilige Anordnungsverfahren bisher vom Familiengericht nicht durch eine Endentscheidung abgeschlossen wurde, haben sich auch nunmehr keine derart dringenden Gründe:ergeben: Zwar befürwortet der in der Hauptsache tätige Verfahrensbeistand eine Unterbringung der Minderjährigen und scheint auch ein sich dafür aussprechendes Sachverständigengutachtens vorzuliegen, es fehlt jedoch weiterhin daran, dass nicht bis zum Erlass einer Hauptsacheentscheidung zugewartet werden könnte: Denn nach dem Bericht des Verfahrensbeistandes, wie ihn die Antragstellerin hier vorlegt, hat sich das Verhalten C.s etwas beruhigt, wenngleich die grundsätzliche Behandlungsbedürtigkeit C.s gesehen wird.

    Die Antragstellerin wird den Ausgang des betriebenen Hauptsachverfahrens, das ja den Regelfall des gerichtlichen Vorgehens darstellen soll (eine gegenteilige Handhabung sähe der Senat sehr kritisch, vergl. Beschluss vom 20.05.2015, 4 UF 122/15, www.hefam.de, FamRZ 2015, 2070f.), abzuwarten haben. Dieses hat das Familiengericht – wie der vorgelegte Bericht des dort tätigen Verfahrensbeistandes vom 15.07.2016 dokumentiert – hinreichend gefördert und es scheint die nötigen Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt zu haben.

    Dr. Fritzsche