OLG Frankfurt vom 21.06.2010 (GS20100621)

Stichworte: FamFG; FGG-RG
Normenkette:
Orientierungssatz: Sitzung des Großen Senats der Familiensenate des OLG Frankfurt am Main am 21. Juni 2010 in Frankfurt am Main:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Sitzung des Großen Senats der Familiensenate des OLG Frankfurt am Main am 21. Juni 2010 in Frankfurt am Main:

- Beschlüsse zum FamFG -

Sitzung des Großen Senats der Familiensenate des OLG Frankfurt am Main am 21. Juni 2010 in Frankfurt am Main

1. Auswirkungen des Wegfalls des Prinzips der Waffengleichheit für die Frage der Anwaltsbeiordnung in Nichtstreitsachen

Die Beiordnung von Anwälten soll großzügig gehandhabt werden (vgl. BGH, FamRZ 2009, 857).

2. Umgang mit Rechtsmitteln, die beim falschen Gericht eingelegt wurden, weil (eventuell unter Bezugnahme auf Geimer) fälschlich neues Recht angewandt wurde

Nach der Entscheidung des BGH, XII ZR 50/08 (FamRZ 2010, 357) und den nachfolgenden Entscheidungen des BGH soll nicht mehr großzügig Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn vom Anwalt fälschlich neues Recht angewandt und das Rechtsmittel beim Amtsgericht eingelegt wird.

3. Belehrung über die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen

Es ist keine Belehrung erforderlich, da § 39 FamFG nur die Belehrung über statthafte Rechtsmittel vorsieht.

4. Förmliche Zustellung der Rechtsmittelschrift

Die förmliche Zustellung wird vom OLG veranlasst. Die Amtsgerichte sollen die Akten mit der Rechtsmittelschrift unverzüglich an das OLG weiterleiten.

5. Kostentragungspflicht bei Rücknahme des Rechtsmittels nach § 84 FamFG

Die Kostenentscheidung erfordert eine Billigkeitsprüfung, vergleichbar mit der Prüfung nach § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG des alten Rechts.

6. Erforderlichkeit der Ergänzungspflegerbestellung für Kinder unter 14 Jahren

Eine Ergänzungspflegerbestellung ist nicht in jedem Verfahren zwingend erforderlich. In Kindschaftssachen und in Abstammungssachen kann sich ausnahmsweise ein Bedarf für die Bestellung eines Ergänzungspflegers ergeben. In der Regel genügt ein Verfahrensbeistand.

7. Beschwerde in Unterbringungsverfahren betreffend Minderjährige

Entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 57 FamFG ist die Beschwerde aufgrund der Verweisung auf die in Unterbringungssachen Volljähriger geltenden Vorschriften auch gegen einstweilige Anordnungen statthaft.

8. Verfahrensbeistand

Die Beiordnung muss in der 2. Instanz nicht wiederholt werden. Der Umfang der Beiordnung gilt fort, kann jedoch verändert werden. Es sind Rechtsbeschwerden eingelegt gegen OLG - Entscheidungen, die die Pauschale pro Kind gewährt haben. Die Entscheidung des BGH soll abgewartet werden.

9. Anzuwendendes Recht bei Abtrennung des Versorgungsausgleichs und gleichzeitiger Fortführung des Verfahrens

Es ist neues Recht anzuwenden. Die Bedenken einiger Versorgungsträger werden nicht geteilt, der 6. Familiensenat hat entsprechend entschieden. (Siehe auch Ziffer 22.)

10. Anwendung des § 155 FamFG in 2. Instanz

Das Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG gilt sinngemäß auch in der 2. Instanz.

11. Umfang und Grenzen der Tätigkeit des beauftragten Richters

Dem beauftragten Richter können nur bestimmte Aufgaben übertragen werden, z. B. Anhörungen und die Durchführung der Beweisaufnahme, soweit nicht der Gesamteindruck des Senates erforderlich ist. Insoweit kann der beauftragte Richter Termine selbst bestimmen.
BR Er kann Rücknahmen und Vergleiche protokollieren.
BR Probleme entstehen beim gerichtlich gebilligten Vergleich des § 156 Abs. 2 FamFG, da nach dem Wortlaut " das Gericht" billigt. Der beauftragte Richter kann den Vergleich protokollieren mit dem Zusatz: "Vorbehaltlich der Billigung des Senats."

12. Isolierte Kostenbeschwerde in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten

Die isolierte Kostenbeschwerde ist möglich. Sie ist nach § 61 Abs. 1 FamFG wertabhängig. Der Wert der Beschwer des Anfechtenden muss 600 E betragen. In der Sache 2 UF 141/10 ist die Rechtsbeschwerde zugelassen.

13. Setzung einer Frist zur Begründung des Rechtsmittels in

Nichtstreitsachen sowie Rechtskraft der Scheidung bei Anfechtung einer Folgesache, die Nichtstreitsache ist, gemäß § 145 FamFG Das fruchtlose Verstreichenlassen der in Nichtstreitsachen gesetzten Begründungsfrist führt nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Als Folge davon verzögert sich ohne entsprechenden Rechtmittelverzicht der Rechtskraftseintritt bezüglich der Scheidung, wenn bei Anfechtung von Folgesachen aus Verbundentscheidungen, die Nichtstreitsachen sind, keine Begründung erfolgt.
BR Eine Entschließung zur Vorgehensweise bei der Fristsetzung wurde nicht getroffen.

14. Anzuwendendes Recht bei einstweiligen Anordnungen, die nach dem 31.08.2009 beantragt werden, wenn ein kongruentes Hauptsache- oder Scheidungsverfahren noch läuft, welches vor dem 01.09.2009 eingeleitet wurde

Es besteht eine Wahlmöglichkeit für den Antragsteller, ob die einstweilige Anordnung nach altem oder nach neuem Recht beantragt wird.

15. Öffentliche Verkündung von Beschlüssen in Streitsachen

Beschlüsse in Ehe- und Familienstreitsachen sind in öffentlicher Sitzung zu verkünden.

16. Bei welchem Gericht ist der Verfahrenskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Beschwerde gemäß §§ 58 ff FamFG einzulegen?

Die Rechtslage ist völlig ungeklärt. Die Senate in Darmstadt und Frankfurt vertreten die Auffassung, dass der Antrag beim Amtsgericht einzureichen ist. Die Kasseler Senate vertreten die Auffassung, dass das Gesuch beim Oberlandesgericht einzureichen ist.
BR Ist der Antrag nach Auffassung des für die VKH - Bewilligung zuständigen Senats beim falschen Gericht eingereicht worden, soll dieser Meinungsstreit dem Antragsteller aber nicht zum Nachteil gereichen; die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung wird wohlwollend geprüft.
BR Eine Ergänzung der Rechtsmittelbelehrung soll nicht erfolgen.

17. Verlängerungen von Unterbringungen

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist die Einleitung des Verlängerungsverfahrens.

18. Gerichtlich gebilligter Vergleich § 156 Abs. 2 FamFG

Der Vergleich bedarf keines ausdrücklichen Billigungsbeschlusses. Unbedenklich und empfehlenswert ist der Zusatz: "Gerichtlich gebilligter Vergleich." Der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG durch den Richter ist grundsätzlich erforderlich und kann im Protokoll erfolgen.
BR Zum Vergleichsschluss vor dem beauftragten Richter siehe Ziffer 11.

19. Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG

Der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG ist für die Vollstreckung erforderlich. Die in Alttiteln enthaltene Zwangsgeldandrohung ersetzt den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG nicht. Der Hinweis kann zumindest bei Alttiteln nachgeholt werden und der Nachholungsbeschluss ist nicht anfechtbar.

20. Stellung des Jugendamtes in Kindschaftssachen

Grundsätzlich ist zu differenzieren zwischen einem Beteiligten nach § 7 FamFG und einem Nichtbeteiligten. Wenn sich das Jugendamt nicht förmlich beteiligt hat, können auch über die nach dem FamFG ohnehin erforderlichen Mitteilungen und Zustellungen hinaus weitere Schriftstücke und Informationen grundsätzlich nicht, sondern nur im Rahmen des § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach pflichtgemäßem Ermessen an das Jugendamt übersandt und das Jugendamt kann insoweit auch zu weiteren Terminen geladen werden.

21. Anwendbarkeit des § 81 Abs. 3 FamFG in Abstammungssachen

Die spezielle Kostenregelung in § 81 Abs. 3 FamFG ist nur in Kindschaftssachen anwendbar und nicht in Abstammungssachen. In Abstammungsverfahren kann das Kind außerhalb des Anwendungsbereiches des § 183 FamFG mit Kosten belastet werden.

22. Anwaltszwang bei abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren, die dem neuen Recht unterfallen

Es besteht kein Anwaltszwang, weil diese Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 4 S.2 FGG- Reformgesetz als selbständige Familiensachen fortgeführt werden. Die im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfolgte Anwaltsbeiordnung bleibt erhalten.