OLG Frankfurt vom 15.10.2003 (GS20031015)

Stichworte: Streitwert Unterhaltsklagen Berufung
Normenkette: GKG 17
Orientierungssatz: J. Juncker zu § 17 GKG n.F.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

J. Juncker zu § 17 GKG n.F.

J. Juncker zu § 17 GKG n.F.

Durch das Kindschaftsreformgesetz zum 01.07.1998 ist auch der Wortlaut des § 17 Abs. 1 GKG geändert worden. Während bisher auf den einjährigen Bezug der streitigen Unterhaltsansprüche abgestellt war (wie dies jetzt noch in § 9 für den Prozessstreitwert, hier hauptsächlich für den Berufungswert, der Fall ist), ist seither der für die ersten 12 Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag maßgeblich. Veranlasst worden ist die Änderung, wie es in der amtlichen Begründung aufgeführt ist (Bundestagsdrucksache 13/7338 vom 25.03.97, zitiert auch bei Mühlens/Kirchmeyer/Kressmann/Knittel Kindschaftsrecht, 2. Auflage zu § 17 GKG) durch den Umstand, daß nunmehr auch dynamische Unterhaltstitel geschaffen werden können, deren künftige Erhöhung bereits jetzt tituliert ist. Diese künftige Erhöhung sollte zur Vereinheitlichung und Erleichterung der Wertberechnung für die Wertbestimmung unbeachtlich sein.

Die Regelung wirft vor allem im Rechtsmittelverfahren Probleme auf, da in bestimmten Fallsituationen eine wörtliche Auslegung zu unangemessenen Ergebnissen führen würde. Es gibt dazu nur wenige Grundsatzentscheidungen, oft wurstelt man sich von Fall zu Fall nach Augenmaß durch.

Für eine Fallgestaltung liegt inzwischen eine klärende BGH-Entscheidung vor (vom 4.6.03, FamRZ 03, Heft 17, 1274 f.):

Danach ist der Streitwert nach den ersten 12 noch in Streit befindlichen Monaten zu bemessen, wenn der Rechtsmittelführer nur seine Verurteilung nach den ersten 12 Monaten ab Klageeingang angreift. Im Fall war der Beklagte zu (rückständigem und) laufendem Unterhalt ab August 2000 in wechselnder Höhe verurteilt worden. Mit seiner Berufung hatte er nur die Zeit ab Juli 2001 angegriffen. Diesen nunmehr also streitigen Zeitraum (Jahresbetrag ab Juli 2001) hat der BGH seiner Bewertung nach § 17 Abs.1 GKG zugrundegelegt, allerdings aus nachfolgender Erwägung gedeckelt:

Hätte der Berufungsführer die Berufung gegen seine Verurteilung in vollem Umfang eingelegt, wäre der Berufungswert geringer gewesen, da die Monatsbeträge für die ersten 12 Monate insgesamt geringer gewesen waren. Da die Beschränkung der Berufung nicht zu einer Erhöhung des Wertes der uneingeschränkten Berufung führen kann, hat der BGH hier zur Begrenzung § 14 Abs.2 GKG herangezogen. Danach kann der Wert des Berufungsverfahrens bei unverändertem Streitgegenstand nicht höher sein als der erstinstanzliche Wert, dieser berechnet nach den ersten 12 Monaten ab Eingang.

Entsprechendes muss gelten, wenn der Berufungskläger nicht, wie in diesem Fall, die Berufung willkürlich begrenzt, sondern mangels Beschwer überhaupt nur solche Anschlusszeiträume angreifen kann. Beispiel: Der zu künftigem Unterhalt verurteilte Beklagte will mit der Berufung eine Befristung, etwa nach zwei Jahren Laufzeit, erreichen. Bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung wäre der Streitwert für die Berufungsinstanz in diesem Fall gleich Null. Auch hier ist der Jahreswert des Unterhalts nach erstrebter Befristung maßgebend, wenn nicht wieder der Jahresbetrag ab Eingang geringer ist (so Urteil des 1. FS vom 22.12.2000, 1 UF 131/00).

Im übrigen lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass abgesehen von dieser Fallgruppe zeitverschobener Berufung (hier zur Kontrolle und evtl. Begrenzung) sonst bei unterschiedlich hohen Monatsbeträgen in wörtlicher Auslegung von § 17 Abs.1 GKG die ersten 12 Monatsbeträge auch dann maßgebend sind, wenn sie für den künftigen laufenden Unterhalt nicht repräsentativ erscheinen (deutlich niedriger als die Anschlusszeit). An meiner gegenteiligen Auffassung (z.B. in meiner Stellungnahme vom 15.2.01) kann ich danach nicht mehr festhalten.

Eine häufige Bewertungskomplikation ist der Fall der Teilerledigung. Dies ist der Fall, wenn sich der Streit der Parteien um künftigen Unterhalt durch teilweise Erfüllung im Laufe des Verfahrens insbesondere für den zweiten Rechtszug auf einen Zeitraum verlagert, der außerhalb des ersten Kalenderjahres liegt.

NB: Keine Teilleistungen mit Erfüllungswirkung sind Zahlungen zur Abwehr der ZV aus vorlaüfig viollstreckbaren Titeln, z.B. EA

Beispiel: Die Parteien streiten materiell nur um eine Unterhaltsspitze. Da der Unterhaltsschuldner jedoch auf Aufforderung keinen Titel über den freiwillig geleisteten Teil erstellt hat (oder dazu nicht aufgefordert worden ist), wird der volle geforderte Unterhalt eingeklagt. Durch Zahlungen des Unterhaltsschuldners ist der größte Teil des im ersten Jahr ursprünglich verlangten Unterhalts erloschen, so daß insoweit nur noch die streitige Spitze Verfahrensgegenstand ist, während für die Zukunft nach wie vor der volle Unterhalt Verfahrensgegenstand ist. Hier jetzt im zweiten Rechtszug auf den noch streitigen Rest während des ersten Jahres nach Verfahrenseinleitung abzustellen, verstieße eklatant gegen den Gesetzeszweck. Hier ist statt dessen der künftige offene Unterhalt mit dem Jahreswert zu bemessen, jedoch begrenzt nach § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG auf den ursprünglich erstinstanzlich streitigen Betrag für die ersten zwölf Kalendermonate vor Teilerledigung.

Dies folgt aus § 15 GKG:

Danach ist für die Wertbestimmung der Zeitpunkt des Beginns der Instanz maßgebend; eine spätere Änderung von Bewertungselementen ist unerheblich. Beispiel: Das Einkommen der Parteien für den Wert des Scheidungsverfahrens, § 12 GKG. Dagegen ist § 15 GKG nicht einschlägig, wenn sich der Streitgegenstand selbst ändert, was an sich durch eine Teilerledigung der Fall ist. Streitgegenstand der Klage auf laufenden Unterhalt ist aber nicht der Jahresbetrag, sondern der künftige Unterhalt, für den der Jahresbetrag nur das Bewertungselement ist. Der wirkliche wirtschaftliche Wert des laufenden Unterhalts ist weit höher als der Jahreswert, auf den der Streitwert aus sozialen Gründen herabgesetzt ist, besonders sichtbar etwa bei Kapitalabfindungen. Letzterer wird demnach durch Teilzahlungen des Schuldners während des Verfahrens nicht tangiert. Das kann man sich durch ein einfaches Beispiel verdeutlichen: Zahlt auf eine Klage auf z.B. 1.000 der Schuldner im Laufe des Verfahrens 500, sinkt der Wert für alle folgenden Gebühren (Beweisgebühr, Vergleich) entsprechend auf 500. Dagegen wird ein Vergleich über laufenden und künftigen Unterhalt auch nach längerer Verfahrensdauer und laufenden (erledigenden) Zahlungen des Schuldners darauf selbstverständlich immer noch den Jahreswert betragen.

Daraus ergibt sich zugleich, dass dies nicht gilt für Rückstände i.S. von § 17 Abs.4 GKG. Diese sind mit dem Nennbetrag Streitgegenstand. Verfolgt also der Beklagte mit der Berufung seinen Klagabweisungsantrag weiter, ist der Berufungswert nur noch der durch rtwaige Teilleistungen verminderte Rest.

Weitere Fallgruppe: Der Kläger verlangt zunächst die streitige Unterhaltsspitze über einen freiwillig gezahlten Sockelbetrag, also beispielsweise über freiwillig gezahlte 400,00 E. monatlich weitere 100,00 E. Später, nach Ablauf eines Jahres, nachdem der Unterhaltsschuldner die Zahlung des Unterhaltssockels eingestellt hat, erweitert er die Klage auf diesen Sockelbetrag, nunmehr also monatlich 500 E., allerdings erst ab einem Zeitraum, der nach dem 1. Kalenderjahr liegt. Hier gilt die Erhöhung der Klage als Einreichung (des Erhöhungsbetrages) i.S. des § 17 Abs.1 GKG, so dass jetzt der Wert des Verfahrens der Jahresbetrag des neuen Antrags (12 x 500) ist

Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich, wenn im Laufe des Verfahrens die Klage rückwirkend ab Eingang der ursprünglichen Klage erhöht wird. Hier gelten die zwischen ursprünglicher Einreichung der Klage und Erhöhungsbegehren liegenden Monate nicht als Rückstand i.S. von § 17 Abs.4 GKG, sondern als laufender Unterhalt (Beschluss des 5. FS vom 18.1.01, 5 WF 179/99). Auch hier ist also der Streitwert der Jahresbetrag der erhöhten Klage.

Zum Fall wechselseitiger Abänderungsklagen:

Beispiel: Ein Titel über monatlich 1.000,00 DM wird zunächst von dem Unterhaltsschuldner mit dem Ziel des Wegfalls angegriffen. Später, nach einem Jahr, erhebt der Unterhaltsgläubiger Abänderungswiderklage und erstrebt Erhöhung des Unterhalts.Das gilt als neue Einreichung der Klage (nur für § 17 Abs.1, nicht für Abs.4, s.o.) und löst einen Wert aus einem Jahrresbetrag aus, so dass im Ergebnis die Werte zusammengerechnet werden.

Entsprechendes gilt für wechselseitige Rechtsmittel.

Dabei kann sich bei unterschiedlich hohen Monatsbeträgen ergeben, dass bei zeitlich verschobenen Berufungsangriffen die Summe der jeweiligen Jahresbeträge als Rechtsmittelwert den Gesamtstreitwert übersteigen würde. Das kann nicht sein, so dass in diesem Fall eine Zusammenrechnung der Rechtsmittel unterbleibt (§ 19 GKG).

Beispiel: Das Amtsgericht verurteilt zu 1.000 monatlich, befristet auf 3 Jahre. Beide legen Berufung ein, der Beklagte will gar nichts zahlen, die Klägerin erstrebt Wegfall der Befristung. Jede Berufung hat den Wert von 12.000, aber der Gesamtberufungswert kann nicht mehr sein als als die streitigen 1.000 x 12 = 12.000, also keine Zusammenrechnung. Entsprechendes gilt bei teilweiser Überschneidung.

Schließlich noch als Standardfall die von Anfang an gestaffelten Unterhaltsbeträge. Beispiel: Die klagende Ehefrau hat einen befristeten Einstellungsvertrag inne, dessen Beendigung sie sicher prognostiziert. Dementsprechend klagt sie für die ersten sechs Monate nur einen reduzierten Unterhaltsbetrag ein, z.B. 500,00 E. monatlich, danach für die Zukunft ohne zeitliche Begrenzung, 1.000,00 E. monatlich. Nach früherer Praxis wäre dieser in die Zukunft reichende höchste Monatsbetrag mit dem Jahresbetrag streitwertbestimmend gewesen. Nunmehr ist, wiederum bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung, für die ersten 6 Monate der geringere und dann noch für die folgenden 6 Monate der höhere Betrag maßgebend. Dabei wird es nach dem wohl eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verbleiben müssen.