OLG Frankfurt vom 06.10.2017 (8 WF 7/17)

Stichworte: Ehewohnungssache, sonstige Familienstreitsache, Vermieter, Mitwirkung an gemeinsamer Erklärung
Normenkette: FamFG 200, 266; BGB 1568a Abs. 3 Nr. 1
Orientierungssatz:
  • Der Anspruch auf Mitwirkung an der Abgabe einer gemeinsamen Erklärung gegenüber dem gemeinsamen Vermieter im Sinne des § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB ist im Verfahren der sonstigen Familienstreitsachen zu behandeln.
  • 530 F 60/17
    AG Wiesbaden

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht, 8. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter am 6. Oktober 2017 beschlossen:

    Auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24.07.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wiesbaden vom 04.07.2017 aufgehoben; das Familiengericht hat dem Ausgangsverfahren unter Beachtung der Auffassung des Senats Fortgang zu geben und dabei auch über die (außergerichtlichen) Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens zu befinden.

    Gründe:

    I.

    Mit Antrag vom 28.03.2017 nimmt der – von der Antragsgegnerin rechtskräftig geschiedene – Antragsteller diese darauf in Anspruch, dass sie – mit ihm gemeinsam – gegenüber dem Vermieter der Wohnung …, erklärt, dass beide sich dahingehend einig sind, dass diese – ehedem gemeinsam angemietete – Wohnung der Antragsgegnerin zur weiteren alleinigen Nutzung überlassen wurde/wird.

    Diesem Antrag, den das Familiengericht in einem Wohnungszuweisungsverfahren nach § 200 FamFG behandelte, trat die Antragsgegnerin zunächst entgegen, erklärte aber am 06.06.2017 gegenüber dem Familiengericht, „… alsbald eine Zustimmung zur Entlassung des Antragsgegners aus dem Mietverhältnis (zu) erteilen …“. Dies erfolgte sodann am 07.06.2017. Am 16.06.2017 erklärte der Antragsteller seinen Antrag für erledigt, was der Antragsgegnerin auf Verfügung des Gerichts vom 23.06.2017 nach dem 29.06.2017 übermittelt wurde. Mit dem angefochtenen Beschluss, der Antragsgegnerin zugestellt am 06.07.2017, legte das Familiengericht der Antragsgegnerin in Anwendung von § 81 FamFG die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Wert desselben in Anwendung von § 48 FamGKG auf € 4.000,00 fest. Dabei erteilte es eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die binnen eines Monats nach Zustellung beim Familiengericht einzulegende Beschwerde das statthafte Rechtsmittel sei.

    Hiergegen richtet sich die am 27.07.2017 beim Familiengericht eingegangene, persönlich verfasste Beschwerde der Antragsgegnerin.

    Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht als solche nach den §§ 58 ff. FamFG statthaft, sondern als sofortige Beschwerde im Sinne der §§ 91a II, 567 ff. ZPO, 113 I 2, 266 I Nr. 3 FamFG zu behandeln, weil als solche statthaft und auch sonst zulässig. Hierüber entscheidet der Senat durch seinen Einzelrichter, vergl. § 568 ZPO.

    Denn das vom Familiengericht auf den Antrag des Antragstellers vom 28.03.2017 angewandte Verfahren der Wohnungszuweisung im Sinne des § 200 FamFG wurde unzutreffend gewählt, weil es sich bei diesem Antrag tatsächlich um eine Familienstreitsache, § 112 Nr. 3 FamFG, im Sinne einer sonstige Familiensache im Sinne des § 266 I Nr. 3 FamFG handelte.

    Die Behandlung als Wohnungszuweisungssache ergibt sich vorliegend für den Senat daraus, dass die Zustellung der Antragsschrift am 21.04.2017 ohne weitere Verfahrensförderung verfügt wurde (bei Annahme einer Streitsache wäre das schriftliche Vorverfahren bzw. früher erster Termin anzuordnen gewesen, §§ 113 I 2 FamFG, 275f. ZPO), am 23.05.2017 die Anordnung eines Erörterungstermins bestimmt wurde (anderenfalls Termin zur mündlichen Verhandlung, §§ 113 I 2 FamFG, 272 I ZPO) bzw. in dem angefochtenen Beschluss die Kostenverteilung auf § 81 FamFG sowie die Wertfestsetzung auf § 48 FamGKG gestützt wurden (anderenfalls §§ 113 I 2 FamFG, 91a I ZPO bzw. § 42 FamGKG).

    Indes liegt eine Familienstreitsache vor: Denn der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag nicht die von § 1568a III Nr. 1 BGB ausgehende Auswirkung einer übereinstimmenden Erklärung der (geschiedenen) Ehegatten gegenüber dem gemeinsamen Vermieter, sondern er verfolgt einen ggf. im Innenverhältnis der Beteiligten bestehenden Anspruch auf Mitwirkung an einer solchen das gemeinsam begründete Außenverhältnis umgestaltenden Erklärung. Ein solcher Anspruch kann sich – vor Scheidung – aus § 1353 I 2 BGB ergeben, nach Scheidung aus den §§ 723 ff., 749 ff. BGB, je nachdem, ob die Ehegatten mit der gemeinsamen Eingehung eines Mietvertrages im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Bruchteilsgemeinschaft (zum Halten der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten) begründeten (oder ein sonstiges Rechtsverhältnis), vergl. OLG Hamm FamRZ 2016, 1688-1689, AG Rastatt FamRZ 2015, 1499-1500, Palandt-Brudermüller, § 1568a BGB, Rz. 12).

    Insoweit hätte das Familiengericht im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinsichtlich des Antrages vom 28.03.2017 eine Kostengrundentscheidung im Sinne der §§ 113 I 2 FamFG, 91a I ZPO treffen müssen, im Falle der nur einseitigen Erledigungserklärung wäre das Verfahren als Feststellungsverfahren, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war sowie sich nach Rechtshängigkeit in der Sache erledigte, fortzuführen gewesen. Vorliegend ging das Familiengericht erkennbar davon aus, nur noch über die Verfahrenskosten befinden zu müssen; in diesem Fall wäre die zutreffende Entscheidungsform ein Beschluss nach den §§ 113 I 2 FamFG, 91a I ZPO gewesen (ob dessen Voraussetzungen tatsächlich vorlagen, ist eine Frage der Begründet der sofortigen Beschwerde).

    Keinesfalls kam aber eine Kostenentscheidung nach den §§ 83 II, 81 FamFG mittels eines Beschlusses nach § 38 FamFG in Betracht, der der eigenständigen Anfechtung nach den §§ 58 ff. FamFG unterläge.

    In dieser Situation hat das Beschwerdegericht – ein zulässiges Rechtsmittel unterstellt – das weitere Verfahren in der zutreffenden verfahrensrechtlichen Einordnung fortzusetzen (Zöller-Heßler, vor § 511 ZPO, Rz. 33 m.w.N.).

    Die Zulässigkeit des Rechtsmittels als sofortige Beschwerde ergibt sich vorliegend aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung, weil der Rechtsmittelführer berechtigt ist, bei einer unzutreffend gewählten Entscheidungsform entweder das inhaltlich zutreffende (hier: sofortige Beschwerde) oder das gegen die gewählte Entscheidungsform scheinbar statthafte Rechtsmittel (hier: Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG) einzulegen (vergl. Zöller-Heßler, vor § 511 ZPO, Rz. 30 m.w.N.). Vorliegend wahrt die Rechtsmittelschrift vom 24.07.2017 zwar nicht die Anforderungen der sofortigen Beschwerde (Missachtung der Zweiwochenfrist des § 569 I ZPO und des Anwaltszwanges nach § 114 I FamFG), indes wahrt diese die Voraussetzungen der §§ 58 ff., 200 FamFG, weil dort kein Anwaltszwang vorgeschrieben ist und die Beschwerdefrist einen Monat beträgt, § 63 FamFG.

    Die somit als sofortige Beschwerde zu handhabende Beschwerde der Antragsgegnerin hat vorläufigen Erfolg, weil das Familiengericht keine (Kosten-) Entscheidung nach den §§ 113 I 2 FamFG, 91a I 1 ZPO hätte treffen dürfen, da eine übereinstimmende Erledigungserklärung beider Beteiligter – auch in der Form der Zustimmungsfiktion der Antragsgegnerin nach den §§ 113 I 2 FamFG, 91a I 2 ZPO – nicht vorlag.

    Zwar war durch die am 25.04.2017 an die Antragsgegnerin übermittelte Antragsschrift vom 28.03.2017 ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden, §§ 113 I 2 FamFG, 253 I, 261 I ZPO, und hat der Antragsteller mit am 16.06.2017 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, allerdings fehlen die für eine Kostenentscheidung nach den §§ 113 I 2 FamFG, 91a I 1 ZPO nötigen weiteren Voraussetzungen, nämlich dass entweder die Antragsgegnerin zustimmte oder aber innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einer mit einem Hinweis auf die Folgen nach §§ 113 I 2 FamFG, 91a I 2 ZPO verbundenen Übermittlung der Erledigungserklärung nicht widersprach. Zwar hat das Familiengericht am 23.06.2017 die Übermittlung der antragstellerseitigen Erledigungserklärung an die Antragsgegnerin verfügt (was ausweislich des Erledigungsvermerks der dortigen Geschäftsstelle vom 29.06.2017 ausgeführt wurde), einen Hinweis nach den §§  113 I 2 FamFG, 91a I 2 ZPO hat es indessen unterlassen. Auch kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin aktiv ihre Zustimmung erklärte (zum Ganzen schon OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.11.2012, 4 WF 225/12).

    Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass für eine an § 48 FamGKG orientierte Wertfestsetzung bei Abschluss des Verfahrens, § 55 II FamGKG, kein Raum sein dürfte. Vielmehr wird sich der Antragsteller, entsprechend seiner schon bei Antragseinreichung nach § 53 FamGKG bestehenden Verpflichtung, zu erklären haben, wie er sein Interesse am Verfahren bewertete, § 42 FamGKG. Insoweit dürfte es darauf ankommen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er damit rechnete, bei fortdauernder gesamtschuldnerischer Haftung gegenüber dem Vermieter tatsächlich von diesem in Anspruch genommen zu werden.

    Dr. Fritzsche