OLG Frankfurt vom 02.10.2017 (8 WF 37/17)

Stichworte: Zustellung, Empfangsbekenntnis
Normenkette: FamFG 15, ZPO 174 Abs. 4
Orientierungssatz:
  • Die wirksame Zustellung gegen Empfangsbekenntnis setzt voraus, dass grundsätzlich der Zustelladressat persönlich die Entgegennahme des zuzustellenden Dokuments quittiert.
  • 458 F 12172/14
    AG Frankfurt/Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend den Umgang mit

    hat das Oberlandesgericht, 8. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main am 02.10.2017 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main, Az. 458 F 12172/14, in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.08.2017 aufgehoben; das Familiengericht hat unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren zu befinden.

    Gründe:

    1.

    Auf Antrag des Vaters vom 21.05.2014 bewilligte das Familiengericht ihm am 24.04.2015 Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsvollstreckungsverfahren und ordnete ihm Rechtsanwalt K. bei.

    Am 19.05.2017 leitete das Familiengericht ein Verfahren ein, um die weitere Bedürftigkeit des Vaters zu überprüfen. Eine entsprechende Einleitungsverfügung übermittelte es gegen Empfangsbekenntnis auch dem Büro des benannten Rechtsanwalts, dessen Erhalt eine nicht näher bekannte Person „i.A.“ am 24.05.2017 quittierte.

    Im Folgenden nahm der Vater dahingehend Stellung, dass er für eine Kostenerstattung seinerseits keinen Raum sehe, weil das Vollstreckungsverfahren unzutreffend gehandhabt worden sei; vorsorglich rechne er mit Amtshaftungsansprüchen auf. Zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen erklärte er sich nicht erneut.

    Mit dem angefochtenen Beschluss, dem Vater selbst zugestellt am 27.07.2017 bzw. ebenfalls am 27.07.2017 dem Büro des Verfahrensbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis übermittelt, welches ebenfalls von einer nicht näher bekannten Person „i.A.“ unterzeichnet wurde, hob das Familiengericht die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf; hiergegen richtet sich die vom Vater persönlich am 20.08.2017 eingelegte Beschwerde, der das Familiengericht am 23.08.2017 nicht abhalf.

    2.

    Die zulässige, §§ 76 II FamFG, 127, 567 ff. ZPO, sofortige Beschwerde des Vaters führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses, da das zugrunde liegende Verfahren an einem erheblichen Mangel leidet. In Anwendung von § 572 III ZPO hat das Familiengericht unter Beachtung der Senatsauffassung erneut über den Abschluss des am 19.05.2017 nach § 120a ZPO eingeleiteten Überprüfungsverfahrens zu befinden.

    Der Mangel liegt darin, dass das Familiengericht nicht gehörig im Überprüfungsverfahren den im Bewilligungsverfahren bereits tätigen Bevollmächtigten des Vaters, Rechtsanwalt K., beteiligte, insb. nicht in der gebotenen Weise die Zustellung der Einleitungsverfügung und des angefochtenen Beschlusses an ihn nachgewiesen ist.

    Insofern gilt, dass „… im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren … die nach § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO n. F. vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog zugestellt werden (muss) (vgl. Hess. LAG 20. Juli 2016 - 15 Ta 250/16 - und 11. August 2016 - 3 Ta 461/14 - Rn. 13; LAG Hamm - 28. November 2014 - 11 Ta 291/14 - Rn. 4; 23. Juni 2014 - 14 Ta 330/14 - Rn 14, jeweils mit weiteren Nachweisen und zitiert nach juris).

    Die Anwendung des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Fristsetzungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren ist im Wege der Analogie unabhängig davon geboten, dass dieses Verfahren nicht Teil des Erkenntnisverfahrens ist, für das die Norm grundsätzlich vorgesehen ist. Denn das Nachprüfungsverfahren ist Teil des gesamten Prozesskostenhilfeverfahrens (vgl. BGH 11. Mai 2016 - XII ZB 582/15 - Rn. 5ff, zitiert nach juris; BGH 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 - Rn. 18ff, MDR 2011, 183 unter Bezugnahme auf: BAG 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - NZA 2006, 1128). Fristen im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. sind wie richterliche Fristen zu behandeln, selbst wenn sie vom Rechtspfleger gesetzt werden, denn auch nach deren Ablauf droht ein Rechtsverlust mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für eine möglicherweise weiterhin bedürftige Partei (vgl. Hess LAG 11. August 2016 - 3 Ta 461/14 - Rn. 14; LAG Hamm 26. Januar 2016 - 14 Ta 646/15 - Rn 9ff, zitiert nach juris).

    Zustellungen im Nachprüfungsverfahren des § 120 ZPO a. F. haben gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat (vgl. BAG 18. August 2016 - 8 AZB 16/16 - Rn. 28 zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen, zitiert nach juris; BGH 11. Mai 2016 - XII ZB 582/15 - Rn. 5ff, zitiert nach juris; BGH 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 - MDR 2011, 183; 8. September 2011 - VII ZB 63/10 - MDR 2011, 1314). Das gilt nicht nur für die Entscheidung betreffend die Aufhebung oder Abänderung der Bewilligungsentscheidung (vgl. BAG 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - NZA 2006, 1128; BGH 8. Dezember 2010 - XII ZB 39/09 - zitiert nach juris), sondern auch für die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. (vgl. Hess. LAG 20. Juli 2016 - 15 Ta 250/16 - und 11. August 2016 - 3 Ta 461/14 -; LAG Hamm - 28. November 2014 - 11 Ta 291/14 - Rn. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen und zitiert nach juris).

    Das Prozesskostenhilfeverfahren gehört zum Rechtszug im Sinne des § 172 Abs. 1 ZPO. Es ist unabhängig von der formellen Beendigung des Hauptsacheverfahrens ein damit eng zusammenhängendes gerichtliches Verfahren, zu dem auch das Nachprüfungsverfahren der §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO a. F. gehört. Entsprechend ist Letzteres in das Zustellerfordernis des § 172 Abs. 1 ZPO einzubeziehen, um dem Interesse der Partei, das gesamte Verfahren in den Händen ihres Prozessbevollmächtigten zusammenzuführen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, sie über den Stand des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten und die notwendigen Schritte zu unternehmen, gerecht zu werden. Sie geht berechtigterweise davon aus, dass ihre Beauftragung eines Bevollmächtigten auch das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren erfasst (vgl. im Einzelnen z. B.: BGH 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 - MDR 2011, 183).

    … Bei Übertragung der dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Nachprüfungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Dies hat die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses, mit dem die bewilligte Prozesskostenhilfe abgeändert wurde, und die Aufrechterhaltung der bewilligten Prozesskostenhilfe zur Folge…“, vergl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 01. Juni 2017 – 3 Ta 241/16 –, juris.

    Diese Voraussetzungen wurden vorliegend nicht umfassend beachtet. Denn eine Zustellung der Einleitungsverfügung wie des angefochtenen Beschlusses an den Verfahrensbevollmächtigten des Vaters erfolgte nicht. Vorliegend wählte das Familiengericht jeweils den Zustellungsweg der §§ 15 II FamFG, 174 ZPO. Danach kann ein Schriftstück an einen Anwalt gegen (dessen) Empfangsbekenntnis zugestellt werden, nach § 174 IV ZPO bedarf es aber zum Nachweis der Zustellung des vom Adressaten persönlich (!) unterschriebenen und an das Gericht zurückgesendeten Empfangsbekenntnisses (vergl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. April 2017, 4 WF 76/17). Die Unterschrift eines Dritten, der nicht die Qualifikation eines Anwalts oder einer sonstigen in § 174 I ZPO genannten Person besitzt, genügt nicht (vergl. Zöller-Stöber, § 174 ZPO, Rz. 10 m.w.N.). Das Familiengericht wird daher künftig im Umgang mit dem Büro des Verfahrensbevollmächtigten des Vaters einen anderen Zustellweg zu wählen haben, da dessen Organisation offenbar nicht auf die Beachtung dieser Voraussetzung eingerichtet ist. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dieser Mangel indes, dass der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben kann. Vielmehr wird das Überprüfungsverfahren nach gehöriger Zustellung der Einleitungsverfügung neu zu durchlaufen sein.

    Dr. Fritzsche