OLG Frankfurt vom 16.06.2021 (8 WF 200/18)

Stichworte: Kindschaftsverfahren; Kosten; Gutachten; Gutachterkosten, Angemessenheit
Normenkette: BGB 1666; BGB 1684; FamFG 85; ZPO 92; ZPO 404a; ZPO 407a; FamGKG 45; FamGKG 57; FamGKG Anlage 1 zu § 3 Abs. 2; JVEG 8, 8a
Orientierungssatz:
  • Die an den Verfahrenswert anknüpfende Pflicht des Sachverständigen nach § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO, auf die Höhe der voraussichtlichen Kosten hinzuweisen, gilt in Kindschaftssachen nicht.
  • Zur Vermeidung ausufernder Kosten in Kindschaftsverfahren kann das beauftragende Gericht dem Sachverständigen beispielsweise eine Kostenobergrenze vorgeben, die bei Überschreiten zur Hinweispflicht des Sachverständigen führt.
  • 477 F 23086/17
    AG Frankfurt am Main

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht … am 16.06.2021 beschlossen:

    Die Beschwerde des Kindesvaters vom 13.06.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 05.06.2018 (Nichtabhilfebeschluss vom 03.04.2019) wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    I.

    Der Kindesvater wendet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts, wonach in einem Umgangsverfahren seine Erinnerung gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts, nach dem er die hälftigen Sachverständigenkosten in Höhe von 5.262,13 EUR zahlen soll, zurückgewiesen wurde.

    Das Amtsgericht hatte im Anschluss an ein vom Kindesvater eingeleitetes einstweiliges Anordnungsverfahren zum Sorgerecht, in dem sich die Eltern vorläufig auf ein abgeschwächtes Wechselmodell verständigt hatten, von Amts wegen Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht und Umgangsrecht eröffnet. Gleichzeitig fragte das Gericht den Gutachter A nach Kapazitäten für eine Begutachtung und wies darauf hin, dass bei der Kindesmutter möglicherweise eine psychische/psychiatrische Erkrankung im Raum stehe. Die Anfrage teilte das Gericht den Beteiligten mit und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Einwände wurden nicht erhoben. Das Amtsgericht beauftragte daraufhin mit Beschluss vom 25.07.2017 (Bl. 83 f. d. A.) den Gutachter mit der Erstellung eines familienpsychologischen und psychiatrischen Gutachtens in beiden Verfahren, insbesondere zu den Fragen der Erziehungsfähigkeit der Beteiligten, möglicherweise erforderlicher familiengerichtlicher Maßnahmen und der Aufteilung des Aufenthalts des Kindes bei den beiden Elternteilen.

    Der Sachverständige führte vier Hausbesuche durch und nahm am Termin vom 27.10.2017 in den parallel geführten einstweiligen Anordnungsverfahren zum Umgang und Sorgerecht teil. Mit Datum vom 30.11.2017 erstattete der Gutachter in den beiden Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht und Umgang sein Gutachten. Das schriftliche Gutachten (Bl. 116 ff. d. A.) weist 80 Seiten auf.

    Das Amtsgericht regelte den Umgang der Beteiligten mit dem gemeinsamen Kind im vorliegenden Verfahren durch Beschluss vom 16.02.2018, in dem die Kosten des Verfahrens „gegeneinander aufgehoben“ und der Verfahrenswert auf 3.000 EUR festgesetzt wurde. Im Sorgerechtsverfahren … wurde dem Kindesvater durch Beschluss ebenfalls vom 16.02.2018 das Sorgerecht übertragen. Auch insoweit wurden die Kosten gegeneinander aufgehoben und der Verfahrenswert auf 3.000 EUR festgesetzt.

    Gegen beide Beschlüsse legte die Kindesmutter Beschwerden ein, die vor dem Senat unter den Az. … und … geführt und jeweils durch Beschwerderücknahme im Termin vor dem Senat vom 12.10.2018 beendet wurden.

    Der Sachverständige hat seine Kosten für die Erstellung des Gutachtens in den beiden erstinstanzlichen Verfahren mit Liquidation vom 30.11.2017 (Bl. 114 f. d. A.) mit einem Gesamtbetrag von 10.524,27 EUR abgerechnet. Auf die Rechnung wird hinsichtlich der einzelnen abgerechneten Positionen Bezug genommen.

    Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wurden dem Kindesvater vom Amtsgericht zum Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens mit Kostenrechnung vom 14.03.2018 (Vorblatt II d. A.) ein Betrag von 5.564,13 EUR in Rechnung gestellt, der sich aus der hälftigen Verfahrensgebühr von 27 EUR, den hälftigen Kosten für die Verfahrensbeiständin von 275 EUR sowie der hälftigen Sachverständigenvergütung von 5.262,13 EUR zusammensetzt.

    Mit Schriftsatz vom 23.03.2018, beim Amtsgericht am 26.03.2018 eingegangen, legte der Kindesvater Erinnerung gegen den Kostenansatz hinsichtlich der Sachverständigenvergütung ein. Zur Begründung führte er insbesondere aus, die Gesamtkosten des Sachverständigen von über 10.000 EUR stünden nicht im Verhältnis zum Gegenstandswert. Hierüber hätte der Sachverständige vorab aufklären müssen, sodass sich die Beteiligten für einen anderen Sachverständigen hätten entscheiden können.

    Die Bezirksrevisorin nahm hierzu mit Schreiben vom 23.05.2018 (Bl. 416 f. d. A.) Stellung und beantragte die Zurückweisung der Erinnerung. Die Rechnung des Sachverständigen sei plausibel. Auf ein Missverhältnis zum Verfahrenswert könne in Kindschaftssachen nicht abgestellt werden.

    Durch den angefochtenen Beschluss vom 05.06.2018 (Bl. 419 f. d. A.) wies das Amtsgericht die Erinnerung daraufhin zurück und schloss sich zur Begründung den Ausführungen der Bezirksrevisorin an.

    Mit Schriftsatz vom 13.06.2018, beim Amtsgericht eingegangen am 18.06.2018, legte der Kindesvater hiergegen Beschwerde ein, mit der er seine Ansicht wiederholt und vertieft hat. Regelmäßig entstünden in gleichgelagerten Fällen Kosten von 5.000 bis 7.000 EUR. Die durchschnittlichen Kosten würden damit hier um 30% bis mehr als 50% überschritten. Der Sachverständige habe erkennen müssen, dass die Kosten außer Verhältnis stünden. Seine Hinweispflicht ergebe sich aus § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO. Das Gericht habe den Sachverständigen hierauf auch hinweisen müssen.

    Mit Beschluss vom 03.04.2019 (Bl. 438 d. A.) half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht vor.

    Der Sachverständige erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Er erklärte, es sei im Vorfeld einer Begutachtung weder üblich noch möglich, die Kosten mitzuteilen. Ein erhöhter Aufwand ergebe sich häufig erst im Verlauf der Begutachtung.

    Mit Beschluss vom 29.06.2020 wurde das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters, § 57 Abs. 2 S. 1 FamGKG, hat in der Sache keinen Erfolg.

    Zu Recht ist der Kindesvater durch den Kostenansatz vom 14.03.2018 auf Erstattung der hälftigen Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von 5.262,13 EUR in Anspruch genommen worden.

    Die Kosten der beiden erstinstanzlichen Verfahren zum Sorge- und Umgangsrecht sind rechtskräftig gegeneinander aufgehoben worden. Die familiengerichtliche Entscheidung der "Kostenaufhebung", die das FamFG selbst nicht kennt, ist dabei entsprechend § 92 Abs. 1 ZPO dahingehend auszulegen, dass die Gerichtskosten zwischen den Eltern hälftig geteilt werden und im Übrigen keine Kostenerstattung stattfindet (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 4 WF 56/15, Rn. 7, juris = FamRZ 2016, 1097-1098).

    Damit tragen die Kindeseltern die Gerichtskosten, die die zu zahlenden Sachverständigenkosten umfassen, jeweils zur Hälfte.

    Es ist im Ergebnis unschädlich, dass die Sachverständigenkosten, die sich auf die Erstattung eines Gutachtens sowohl für das Sorge- als auch für das Umgangsverfahren beziehen, allein im vorliegenden Umgangsverfahren abgerechnet worden sind.

    Zwar sind grundsätzlich gemäß Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG, Vorbemerkung 2 Abs. 2 zu “Teil 2 Auslagen” Auslagen, die durch verschiedene Rechtssachen veranlasst sind, auf die mehreren Rechtssachen angemessen zu verteilen. Diese “angemessene” Verteilung ist als Ermessensentscheidung in der Kostenrechnung grundsätzlich näher zu begründen (vgl. KG, Beschluss vom 31.1.2019 - 19 AR 12/18, Rn. 2, juris = JurBüro 2019, 375-377). Diesen Vorgaben wird der hier angegriffene Kostenansatz nicht gerecht, der sich auf die bloße Angabe des entsprechenden Tatbestandes KVNr. 2005 sowie der Verteilungsquote zwischen den Kindeseltern beschränkt.

    Für die Höhe der Zahlungspflicht des Kindesvaters macht es aber mit Blick auf die parallel geführten Verfahren zum Sorgerecht und Umgang mit identischer Kostenregelung und gleichen Beteiligten keinen Unterschied, ob die Auslagen für den Sachverständigen auf zwei Verfahren aufgeteilt oder - was von der Handhabung auch für den Kostenschuldner einfacher ist - in einem Verfahren abgerechnet werden. Der Kindesvater hat gegen diese Handhabung auch keine Einwendungen erhoben.

    Die Höhe der abgerechneten Kosten des Sachverständigen ist ebenfalls nicht zu beanstanden und wird für sich genommen vom Kindesvater auch nicht angegriffen.

    Die Entschädigung des Sachverständigen ist nach der erforderlichen Zeit zu bemessen § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die vom Sachverständigen angegebene Zeit richtig ist und für die Gutachtenerstellung auch erforderlich war; Anlass zur Nachprüfung besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch erscheint (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 30.6.2016 - 6 WF 79/16, Rn. 7, juris = NZFam 2016, 1001; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 - 8 WF 58/18 –, Rn. 3, juris = FamRZ 2018, 1359-1360). Anhaltspunkte hierfür liegen vorliegend mit Blick auf den Umfang der Prüfung, der Sorge- und Umgangsrecht und auch mögliche psychische Belastungen der Kindesmutter umfasste und vier Hausbesuche erforderlich machte, nicht vor.

    Der Kindesvater kann zuletzt auch nicht mit dem von ihm erhobenen Einwand durchdringen, die Sachverständigenkosten stünden nicht im Verhältnis zum Verfahrenswert und der Sachverständige habe hierauf hinweisen müssen, so dass ein Verstoß gegen § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO vorliege und die Kosten zu erlassen oder herabzusetzen seien.

    Diese Einwendungen sind vorliegend nicht geeignet, den Entschädigungsanspruch des Sachverständigen nach den §§ 8 ff. JVEG herabzusetzen oder eine Niederschlagung der im Rahmen der Bestellung des Sachverständigen entstandenen Kosten nach § 20 FamGKG zu begründen. Ein schuldhafter Verstoß des Sachverständigen gegen seine Pflichten oder eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht sind nicht erkennbar.

    Nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG erhält ein Sachverständiger, der im Rahmen der Leistungserbringung gegen die Verpflichtung aus § 407a Absatz 1 bis 4 Satz 1 ZPO verstoßen hat, eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, es sei denn, er hat den Verstoß nicht zu vertreten. Die Regelung des § 407 a ZPO ist bei der förmlichen Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten gem. § 30 FamFG auch in Familiensachen anwendbar. Hiernach hat ein Sachverständiger rechtzeitig einen Hinweis zu erteilen, wenn gemäß § 407a Abs. 4 Satz 2 1. Alt. ZPO die voraussichtlich entstehenden Kosten erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen.

    Nach Überzeugung des Senats kann § 407a Abs. 4 Satz 2 1. Alt. ZPO jedenfalls in von Amts wegen eingeleiteten Kindschaftssachen wie dem vorliegenden Verfahren aber keine Anwendung finden.

    Sinn des § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO ist es, den Beteiligten das Kostenrisiko zu verdeutlichen. Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden, angesichts unverhältnismäßiger Kosten auf die Beweisaufnahme zu verzichten, sich gegebenenfalls gütlich zu einigen oder ein weniger aufwendiges Verfahren zu wählen (BT-Drs. 11/3621, 40). Der Hinweis des Sachverständigen hat deshalb rechtzeitig zu erfolgen (vgl. Scheuch in: BeckOK ZPO, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, § 407a ZPO, Rn. 4).

    Nach in der Rechtsprechung vertretener Auffassung besteht auch in Kindschaftssachen eine entsprechende Verpflichtung des Sachverständigen, das Gericht zu informieren, wenn die voraussichtlichen Kosten außergewöhnlich hoch sind und erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stehen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. August 2018 - 11 WF 900/18, juris = FamRZ 2019, 130-131; OLG Brandenburg, Beschluss vom 09. September 2019 - 9 WF 189/19, juris = FamRZ 2020, 368-370). Es gebe auch in Kindschaftssachen unverhältnismäßig hohe Kosten, auf die ein Sachverständiger hinweisen müsse (OLG Nürnberg, a.a.O., juris, Rn. 21).

    Eine Grenze hierfür wird teilweise bei durchschnittlichen Fällen ohne Fahrtaufwand ab einer Höhe der Sachverständigenkosten angenommen, die den dreifachen Regelwert des § 45 FamGKG übersteigt (so OLG Nürnberg, a.a.O., unter Geltung des § 45 FamGKG a.F.: 9.000 EUR), teilweise schon bei einer Überschreitung des Regelwerts um 50% und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung ab 4.500 EUR für möglich erachtet (so OLG Brandenburg, a.a.O.).

    Dies kann aber nicht überzeugen.

    Mit der Hinweispflicht des § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO soll sichergestellt werden, dass die Beteiligten in die Lage versetzt werden, darüber nachzudenken, ob sie das Verfahren fortsetzen wollen oder dieses aus wirtschaftlichen Gründe:n beschränken oder beenden möchten. Diese Überlegung kann allerdings in einer von Amts wegen geführten Kindschaftssache nicht greifen, die der Disposition der Beteiligten entzogen ist. Auch für das Gericht gibt es nicht die Alternative, aus wirtschaftlichen Erwägungen von grundsätzlich erforderlichen Beweiserhebungen abzusehen. Es gibt keinen in Geld zu bemessenden Betrag, ab dem davon ausgegangen werden kann, dass dieser das Kindeswohl aufwiegt, weshalb dann das wirtschaftliche, aber eventuell nicht kindeswohldienliche Ergebnis zu wählen wäre (vgl. AG Ebersberg, Beschluss vom 24. Februar 2019 - 3 F 733/15 -, Rn. 57, juris). Kindschaftssachen sind grundrechtsrelevant, weshalb das Gericht für seine Entscheidungsfindung eine möglichst sichere Entscheidungsgrundlage finden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. April 2014 - 1 BvR 3121/13, Rn. 19, juris = FamRZ 2014, 907).

    Darüber hinaus ist auch das Abstellen auf einen von der Höhe des Verfahrenswerts abhängigen Betrag in Kindschaftssachen nicht sachgerecht.

    Verfahrensgegenstand ist in Kindschaftssachen nicht eine vermögensrechtliche Streitigkeit oder eine sonstige, deren Wert in Geld bemessen werden kann. Im Vordergrund stehen vielmehr menschliche Beziehungen und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, die regelmäßig von existentieller Bedeutung für das Kind und die Eltern sind. Für die beteiligten Personen kommt der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung daher überragende Bedeutung zu, die in einem aus sozialen Gründe:n niedrig vorgegebenen Verfahrenswert gem. § 45 FamGKG keinesfalls zum Ausdruck kommt (vgl. AG Ebersberg, a.a.O.). Insbesondere finden gerade bei einem Abstellen auf den Regelverfahrenswert auch die unterschiedlichen möglichen Fragestellungen der kindschaftsrechtlichen Verfahren, die von Fall zu Fall anders zu beUrteilende Komplexität des Familiensystems und damit der völlig unterschiedliche Aufwand des Sachverständigen keine Entsprechung. Stellt man hingegen mit Blick auf § 45 Abs. 3 FamGKG, der eine Abweichung vom Regelwert aus Billigkeitsgründen gerade bei außergewöhnlich komplexen Verfahren ermöglicht, auf den letztlich vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert ab, so kann dies vom Sachverständigen zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und einer möglichen Hinweispflicht nicht vorausgesehen werden.

    Zuletzt spricht gegen eine Hinweispflicht des Sachverständigen in Kindschaftssachen gem. § 407a Abs. 4 Satz 2 1. Alt. ZPO auch, dass gerade bei der Begutachtung des sozialen Gefüges eines Familiensystems für den Sachverständigen bei Beginn der Begutachtung noch nicht absehbar ist, welcher Aufwand und welche Kosten entstehen werden. Wie viele Gespräche und Interaktionsbeobachtungen erforderlich sind, um eine sachverständige Beurteilung abgeben zu können, stellt sich oft erst im Laufe der Begutachtung heraus. Demnach könnte der Sachverständige einen sachgerechten Hinweis erst im Laufe der Begutachtung erteilen. Zu diesem Zeitpunkt wären aber bereits Kosten entstanden und die Begutachtung wäre bereits vorangeschritten, so dass kaum davon auszugehen wäre, dass die Begutachtung - unter anderem wegen des Beschleunigungsgebotes in Kindschaftssachen und der Belastung der Kinder durch die Begutachtung - abgebrochen und ein neuer Gutachter beauftragt würde, sodass auch insoweit der Zweck des § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO nicht erfüllt werden kann.

    Zwar muss es auch in Kindschaftssachen die Möglichkeit geben, ausufernden Sachverständigenkosten zu begegnen. Hierzu kann das Gericht im Rahmen seiner Leitungs- und Weisungspflicht gem. § 404a ZPO dem Sachverständigen insbesondere eine Kostenobergrenze setzen, bei deren absehbarer Überschreitung dieser dann zu einem Hinweis verpflichtet wäre. Eine entsprechende Verpflichtung des Sachverständigen ohne eine solche Weisung allein mit Blick auf den Verfahrenswert der Kindschaftssache besteht aber nicht (im Ergebnis ebenso Binz in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 8a JVEG, Rn. 20; Lack/Hammesfahr, Psychologische Gutachten im Familienrecht, Rn. 143).

    Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall entgegen der hier vertretenen Auffassung mit dem OLG Nürnberg eine Hinweispflicht ab dem dreifachen Regelverfahrenswert - der sich zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung noch auf 3.000 EUR belief - annehmen sollte, hätte diese hier nicht bestanden.

    Die Gutachtenerstellung bezog sich auf zwei Verfahren, das Sorge- und das Umgangsverfahren, für die jeweils ein Verfahrenswert von 3.000 EUR anzusetzen war, sodass die entstandenen Kosten jedenfalls unterhalb des dreifachen Wertes lagen.

    Eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts i. S. d. § 20 FamGKG, aufgrund derer von einer Erhebung der Kosten für den Sachverständigen abgesehen werden könnte, liegt ebenfalls nicht vor.

    Insbesondere ergibt sich unrichtige Sachbehandlung nicht aus einer Verletzung einer aus § 407 a Abs. 6 ZPO abgeleiteten Hinweispflicht des Gerichts. Zum einen musste das Gericht den Sachverständigen nicht seinerseits auf eine Hinweispflicht des Sachverständigen gem. § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO hinweisen, da eine solche wie dargelegt nicht bestand. Zum anderen handelt es sich bei § 407 a Abs. 6 ZPO ohnehin um eine „Sollvorschrift“, so dass eine Nichtbeachtung unschädlich ist (vgl. Scheuch in: BeckOK ZPO, 40. Ed. 1.3.2021, § 407a ZPO, Rn. 22)

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 57 Abs. 8 FamGKG.

    Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 57 Abs. 7 FamGKG.

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