OLG Frankfurt vom 22.04.2021 (8 UF 71/21)

Stichworte: Umgangsverfahren; Teilbeschluss, Zulässigkeit; Beschwerde, Aufhebung und Zurückverweisung; Gefahr divergierender Entscheidungen; einstweilige Anordnung
Normenkette: FamFG 38; FamFG 59; FamFG 69; BGB 1684; ZPO 301
Orientierungssatz:
  • In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Teilbeschluss in entsprechender Anwendung des § 301 ZPO grundsätzlich zulässig.
  • In Bezug auf die Regelung des Umgangs kommt eine Teilentscheidung wegen der Gefahr divergierender Entscheidungen regelmäßig nicht in Betracht.
  • 900 F 34/21
    AG Bad Homburg

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 8. Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … am 22. April 2021 beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Teilbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Homburg vom 24. März 2021 und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Homburg zurückverwiesen.

    Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben, außergerichtliche Auslagen tragen die Beteiligten jeweils selbst.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerde wendet sich gegen einen Teilbeschluss in einem Umgangsverfahren.

    Die Kindeseltern führen vor dem Amtsgericht - Familiengericht - ein Umgangsverfahren. In dessen Verlauf hat das Amtsgericht nach Anhörung der Beteiligten am 24. März 2021 einen Teilbeschluss erlassen, in dem es das Umgangsrecht des Kindesvaters vorläufig geregelt (vier begleitete Umgangstermine) und hierfür bestimmte Begleitanordnungen (befristete Anordnung einer Umgangspflegschaft) getroffen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Teilbeschluss vom 24. März 2021 Bezug genommen (Bl. 155 ff d.A.).

    Gegen den ihr am 27. März 2021 zugestellten Beschluss hat die Kindesmutter mit am 1. April 2021 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Zugleich erstrebt sie die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses.

    Der Senat hat mit Verfügung vom 15. April 2021 auf seine Absicht hingewiesen, den mit der Beschwerde angefochtenen Teilbeschluss aufzuheben. Hierzu hatten die Beteiligten bis zum 21. April 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme.

    II.

    Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Beschwerdebefugnis der Antragstellerin folgt aus § 59 FamFG, da sie durch den angefochtenen Beschluss in ihrer Rechtsposition beeinträchtigt ist.

    Die Beschwerde hat auch in der Sache - vorläufigen - Erfolg. Der angefochtene Teilbeschluss und das zugrundeliegende Verfahren sind gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da der Erlass eines Teilbeschlusses nicht zulässig war.

    Ein Teilbeschluss ist in entsprechender Anwendung des § 301 ZPO grundsätzlich auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässig. Der Erlass einer Teilentscheidung setzt dabei - wie im Zivilprozess - voraus, dass es sich um eine selbständige Entscheidung über einen abtrennbaren Teil eines teilbaren Verfahrensgegenstandes oder aber um einen von mehreren selbständigen Ansprüchen handelt, der zur Entscheidung reif ist (Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 12. März 2010 - 6 UF 128/09, juris Rn. 23 = FamRZ 2010, 1922). Weitere Voraussetzung ist stets, dass im Verhältnis zum übrigen Verfahrensgegenstand die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn es ausschließlich auf voneinander abweichende Tat- und Rechtsfragen ankommt, so dass es nicht dazu kommen kann, dass über dieselbe Frage ein weiteres Mal zu befinden ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Entscheidungen innerhalb derselben Instanz als auch hinsichtlich der im Instanzenzug ergehenden Entscheidungen (Meyer-Holz, in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 38 FamFG, Rn. 29; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 38 FamFG, Rn. 3; Dürbeck, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2019, § 1684 BGB, Rn. 467).

    Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Teilbeschluss nicht.

    Das Amtsgericht hat zunächst nicht endgültig über einen selbständigen oder aber abtrennbaren Teil des geltend gemachten Rechts entschieden. Es hat vielmehr eine vorläufige Entscheidung über den einzigen und einheitlichen Verfahrensgegenstand getroffen, nämlich den Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter.

    Zudem besteht die Gefahr widerstreitender Entscheidungen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht im weiteren Verlauf des Verfahrens eine abweichende Entscheidung zum Umgang treffen wird, beispielsweise ihn unter andere als die im angefochtenen Beschluss im Einzelnen benannten Voraussetzungen und begleitende Anordnungen stellen wird. Ebenfalls besteht die Gefahr divergierender Entscheidungen zwischen den Instanzen, da nicht auszuschließen ist, dass der Senat die entschiedene Teilfrage anders beUrteilt als das Familiengericht. In Bezug auf die Regelung des Umgangs kommt eine Teilentscheidung daher nicht in Betracht (vgl. zu § 621e ZPO a.F. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. März 2000 - 4 UF 78/00, juris Rn 2 = FamRZ 2000, 1291; Dürbeck, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2019, § 1684 BGB, Rn. 467).

    Danach ist der angefochtene Teilbeschluss und das Verfahren aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. Dürbeck, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2019, § 1684 BGB, Rn. 505).

    Soweit innerhalb eines Verfahrens vorläufige Anordnungen erforderlich werden, sind diese im Rahmen eines hierfür gemäß § 49 ff FamFG gesetzlich vorgesehenen einstweiligen Anordnungsverfahren zu treffen und hierbei die vom Gesetzgeber vorgesehenen verfahrensrechtlichen Folgen hinzunehmen; bei vorläufigen Umgangsregelungen auch deren Unanfechtbarkeit. Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, die von der Praxis vielfach angeregte Beschwerdemöglichkeit auch bei einstweiligen Anordnungen in Umgangsverfahren gesetzlich zu verankern.

    Mit der Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich eine Entscheidung über eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen und eine Erstattung von Auslagen zwischen den Beteiligten nicht anzuordnen.

    Die Entscheidung über den Beschwerdewert ergibt sich aus §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG (Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 12. März 2010 - 6 UF 128/09, juris Rn. 30 = FamRZ 2010, 1922). Dabei ist auf die am 1. April 2021 eingelegte Beschwerde das ab dem 1. Januar 2021 geltende Kostenrecht anzuwenden, § 63 Abs. 1 S. 2 FamGKG.

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