OLG Frankfurt vom 27.02.2019 (8 UF 61/18A)

Stichworte: gemeinsame Sorge, Ermächtigung, Vollmacht, Verhältnismäßigkeit
Normenkette: BGB 1671, 1626, 1627, 164; HGB 125 Abs. 2, 150; AktG 78 Abs. 4, 269 Abs. 4, GenG 22 Abs. 3
Orientierungssatz:
  • Eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB ist unverhältnismäßig und hat daher zu unterbleiben, wenn die Eltern keine unterschiedlichen Entscheidungen in kindbezogenen Belangen treffen bzw. wechselseitig verlangen sowie der eine Elternteil den anderen (betreuenden) Elternteil hinreichend in die Lage versetzt, eigenständig solche Entscheidungen mit Wirkung für und gegen das Kind zu treffen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob letzteres durch eine (Unter-)Vollmacht oder – wohl zutreffender – Ermächtigung an den betreuenden Elternteil erfolgt; entscheidend ist, dass sich der andere Elternteil hiervon nicht (kurzfristig) lösen will.
  • 91 F 892/17
    AG Bad Homburg v.d.H.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    (Anmerkung: Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin wurde die Entscheidung vom BGH mit Beschluss vom 29. April 2020 - XII ZB 112/19 aufgehoben und zurückverwiesen.)

    In der Familiensache betreffend die elterliche Sorge

    hat das Oberlandesgericht, 8. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main am 27.02.2019 beschlossen:

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 26.01.2018 wird der auf den 07.12.2017 datierte Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg vor der Höhe, Az. 91 F 892/17 SO, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Antrag wird zurückgewiesen.

    Von den Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Eltern je 50% zu tragen; im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

    Beschwerdewert: € 3.000,00

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    1.

    Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern des am 02.11.2012 von der Antragstellerin geborenen Kindes N; mit Urkunde vom 04.12.2012 haben die Eltern die gemeinsame Sorge eingerichtet (UR.-Nr. … des Kreises …, Fachbereich Jugend und Soziales).

    Die Eltern lebten nie (Vortrag der Antragstellerin) bzw. nur bis 2014 (Vortrag des Antragsgegners) zusammen; das Kind lebt bei der mittlerweile anderweitig verheirateten Mutter, hat keinen Kontakt zum Antragsgegner, weiß nicht (mehr) um dessen Existenz und betrachtet den Ehemann der Antragstellerin als seinen Vater.

    Mit Beschluss vom 21.05.2013 übertrug das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H. der Antragstellerin – mit Zustimmung des Antragsgegners – das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung, Az. 94 F 380/13 SO.

    In einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H., Az. 91 F 1341/16 SO, erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin – im Rahmen einer Vereinbarung der Beteiligten – im Anhörungstermin vom 16.02.2017 eine vom Gericht protokollierte Vollmacht. Wegen des Wortlauts der „unwiderruflichen“ Vollmacht wird Bezug genommen auf S. 36 f. von 91 F 1341/16 SO.

    Am 17.08.2017 beantragte die Antragstellerin erneut, ihr die alleinige Sorge für N auch im Übrigen zu übertragen. Sie führte dabei aus, die erteilte Vollmacht habe sich als unzureichend erwiesen, da die Vertragspartner und Behörden diese nicht vorbehaltlos akzeptierten.

    Das Familiengericht ermittelte im Folgenden einen tiefgreifenden Kommunikationskonflikt der Eltern; eine aktive Einmischung des Antragsgegners in die Belange der Kindererziehung durch die Antragstellerin findet aber nicht statt. Der Antragsgegner erstellte am 22.11.2017 eine neuerliche, öffentlich-beglaubigte Vollmacht zu Gunsten der Antragstellerin, Bl. 116 f. der Akte.

    Nach Anhörung der Eltern vom 11.10.2017 – auch in einem parallel vom Familiengericht geführten Umgangsverfahren 91 F 604/17 UG – übertrug das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss, der auf den 07.12.2017 datiert, die elterliche Sorge auf die Antragstellerin zur alleinigen Ausübung.

    Hiergegen richtet sich – nach Zustellung des Beschlusses an ihn am 27.12.2017 – die am 26.01.2018 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, mit der er eine Antragszurückweisung erstrebt.

    Die Antragstellerin hat ihren Vortrag zur vermeintlichen Ungenügendheit der erteilten Vollmachten in der Beschwerde vertieft; hierauf wird Bezug genommen.

    2.

    Auf die zulässige, §§ 58 ff. FamFG, Beschwerde des Antragsgegners war unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Antrag der Antragstellerin vom 17.08.2017 zurückzuweisen. Dies beruht auf Nachstehendem:

    Der Antrag der Kindesmutter, ihr die alleinige elterliche Sorge – jenseits des Aufenthaltsbestimmungsrechts – zu übertragen, § 1671 Abs.1 BGB, ist unbegründet. Es ist ausreichend, dass ihr vom Kindesvater eine Vollmacht/Ermächtigung zur Ausübung des Sorgerechts erteilt wurde und keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kindesvater diese (zeitnah) widerrufen möchte.

    Zwar haben/hatten die Beteiligten bis zur Entscheidung des Familiengerichts, die auf den 07.12.2017 datiert, aber erst durch Übergabe an die dortige Geschäftsstelle erlassen war, § 38 III 3 FamFG, was indes entgegen der dortigen Verpflichtung nicht auf der Beschlussurschrift vermerkt wurde, so dass der Senat hinsichtlich des Übergabe- und Erlasszeitpunktes auf das Datum des Erledigungsvermerks der Geschäftsstelle über die Beschlussversendung an die Beteiligten zurückgreifen muss, die gemeinsame Sorge für N (mit Ausnahme des 2013 auf die Antragstellerin übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts) inne, vergl. § 1626a BGB und die Urkunde vom 04.12.2012. Sie leben auch getrennt. Zudem liegt es nahe, dass – da der Antragsgegner der Übertragung nicht zustimmt, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB – die Übertragung auf die Antragstellerin grundsätzlich dem Wohl des Kindes am besten entspräche.

    Allerdings kann nicht erkannt werden, dass der Antragsgegner sich aktiv handelnd in die Erziehung des gemeinsamen Sohnes durch die Antragstellerin einmischt, also insbesondere deren Handeln offen in Zweifel zöge bzw. hintertriebe; vielmehr verhält sich der Antragsgegner insofern passiv. Nach Darlegung und Einschätzung der Antragstellerin ist sein Verhalten zu passiv; er habe in einzelnen kindbezogenen Bereichen nicht aktiv agiert und deshalb eine gebotene Entscheidungsfindung und –umsetzung verhindert.

    Allerdings besteht nach den – von den Beteiligten nicht angegriffenen – nachvollziehbaren Ermittlungen des Familiengerichts zwischen den Eltern ein Kommunikationskonflikt, der eine gemeinsame Entscheidungsfindung in kindbezogenen Belangen (jenseits von § 1687 BGB) kaum möglich erscheinen lässt. Dies insbesondere, weil die Kindesmutter die Elternschaft des Kindesvaters gegenüber N nicht offen legen möchte.

    Jedoch ist die Übertragung der restlichen Sorgerechtsteile auf die Antragstellerin nicht geboten. Der Kindesvater hat sie hinreichend bevollmächtigt bzw. ermächtigt, so dass sie ohne eine weitere Übertragung im Rahmen der elterlichen Sorge für N tätig werden kann.

    Im Einzelnen:

    Eine Übertragung des Sorgerechts auf die Kindesmutter allein wäre unmittelbar grundrechtsrelevant, da damit automatisch ein Eingriff in das Grundrecht des Antragsgegners aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verbunden ist. Denn zum dortigen Recht auf Pflege und Erziehung der eigenen Kinder gehört die Inhaberschaft des Sorgerechts (Maunz/Dürig-Badura, Art. 6 GG, Stand August 2018, Rz. 111); eine Übertragung durch das Familiengericht ist ein entsprechender Eingriff, der der Rechtfertigung bedarf, wobei die Entscheidung im Lichte des Grundgesetzes zu treffen und insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen ist (BVerfG FamRZ 2004, 1015).

    Zwar besteht in der Verfolgung des Wohls des Kindes ein legitimer Zweck für den Eingriff; dieser muss aber geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sein.

    Vorliegend ist es zwar nicht zu leugnen, dass der vom Familiengericht festgestellte Kommunikationskonflikt der Eltern besteht, der dazu geführt hat, dass das Kind keinen Kontakt zum Antragsgegner hat, diesen nicht kennt sowie statt dessen den jetzigen Ehemann der Antragstellerin als seinen Vater ansieht und vor allem – prognostisch gesehen – eine zeitnahe gemeinsame Entscheidungsfindung der Eltern in kindbezogenen Belangen ausschließt. Der Konflikt der Eltern geht aber nicht soweit, dass sie das Kindeswohl beeinträchtigende, sich widersprechende Entscheidungen in kindbezogenen Belangen träfen. Letztlich würde sich eine Sorgerechtsübertragung auf die Antragstellerin in ihren Auswirkungen kindeswohldienlich darauf beschränken, ihr eine erleichterte Handhabung der Vertretung des Kindes bei der Teilnahme am Rechtsverkehr zu ermöglichen.

    Dies allein rechtfertigt jedoch einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Sorgerecht des Antragsgegners nicht.

    Der Senat hält ein solches Vorgehen letztlich nicht für erforderlich, weil die vom Antragsgegner erteilten Vollmachten (zutreffender Ermächtigungen) das mildere Mittel sind, die Handlungsfähigkeit der Kindesmutter zum Wohl des Kindes sicher zu stellen.

    Insoweit werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze vertreten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer weitreichenden Vollmacht des einen sorgeberechtigten Elternteils an den anderen die Notwendigkeit einer Sorgerechtsübertragung aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten entfallen lässt.

    a) Nach OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 123746, OLG Köln, FamFR 2010, 333 und OLG Schleswig, FamRZ 2012, 1066, entfällt bereits dann die Notwendigkeit, einem Elternteil in Anwendung von §1671 BGB die Sorge zur alleinigen Ausübung zu übertragen, wenn der andere Elternteil eine die „Streitfelder“ abdeckende Vollmacht erteilt bzw. erteilt hat.

    b) Nach OLG Karlsruhe, BeckRS 2015, 12955 = FamRZ 2015, 2178, gilt dies jedenfalls dann, wenn der Vollmachtserteilung ein – auch konkludent geschlossenes – Verpflichtungsgeschäft zugrunde liegt.

    c) Demgegenüber gehen OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 693; OLG Nürnberg MDR 2011, 1237; AG Bonn, Beschluss vom 11. September 2009 - 408 F 145/09 -, juris, davon aus, dass die Erteilung einer Sorgevollmacht von einem Elternteil an den anderen nicht das Bedürfnis für eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 1 BGB entfallen lässt.

    d) Der Senat favorisiert einen anderen, eigenständigen Ansatz:

    In dem hier verbleibenden Teilgebiet der Notwendigkeit der zeitnahen Teilnahme des Kindes am Rechtsverkehr sind die Eltern im Ausgangspunkt gesetzliche Gesamtvertreter, § 1629 I 2 BGB. Ein Vorgehen, dass ein Gesamtvertreter den anderen Gesamtvertreter rechtsgeschäftlich (unter-)bevollmächtigt im Sinne der §§ 164 ff. BGB, also der „Bevollmächtigte“ einerseits als Gesamtvertreter des Vertretenen (des Kindes), andererseits aber auch als rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Untervertreter (des anderen gesetzlichen Gesamtvertreters bzw. des Vertretenen/Kindes) agiert, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu anderen Fällen der Gesamtvertretung, namentlich im Handels- und Gesellschaftsrecht, schon abgelehnt worden (BGH NJW 1975, 1117; BAG NJW 1981, 2374). Die gegenteilige Ansicht des Reichsgerichts, wonach der „Bevollmächtigte“ zugleich (Handlungs-)Vollmacht haben könne (RGZ 80, 180ff.), gilt damit als überholt; hiervon geht auch der Senat aus, weil es anderenfalls zu einer unzulässigen Vermischung gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht käme (Münchener Kommentar zum Aktiengesetz – Spindler, § 78 AktG, Rz. 64). Hiervon könnte auch für den Bereich der elterlichen Sorge auszugehen sein mit der Folge, dass sich auch hier eine Vermischung gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht als unzulässig erwiese.

    Allerdings ist es in Anlehnung an die §§ 125 II 2, 150 II 1 HGB, 78 IV, 269 IV AktG, 25 III GenG als allgemeiner Grundsatz des Rechts der Gesamtvertretung anerkannt, dass ein Gesamtvertreter durch den/die anderen Gesamtvertreter ermächtigt werden kann, die dem/den anderen Gesamtvertreter(n) zugewiesene gesetzliche Vertretungsmacht mit auszuüben (BGH, WM 1986 Seite 315, 316 = AG 1986, 259; BAG, NJW 1981, 2374; BGH NJW 1992, 618; Staudinger-Schilken, § 167 BGB, Rz. 55 m.w.N.; Münchener Kommentar zum BGB – Schubert, § 164 BGB, Rz. 202: Gesamtanalogie). Der Senat erachtet eine solche Ermächtigung auch im Verhältnis gesamtvertretungsberechtigter Eltern für möglich und zulässig (so auch Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1629 BGB, Rz. 44); insofern befugt der eine Gesamtvertreter den anderen, die an sich vom Ermächtigenden im Namen des Vertretenen abzugebende Willenserklärung im eigenen Namen namens des Vertretenen abzugeben (Schwarz NZG 2001, 529, 535; MüKoHGB/K. Schmidt § 125 HGB, Rn 44; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 78 AktG, Rn 28).

    Eine solche Ermächtigung kann der Ermächtigte nicht ablehnen; zur ihrer Wirksamkeit bedarf es auch nicht seiner Annahme (Haas in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 125 HGB, Rz. 10). Sie bedarf – anders als regelmäßig die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vollmacht (BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Stand 01.11.2018, § 167 BGB, Rz. 1) – keines Kausalgeschäftes, weil der Ermächtigende mit der Ermächtigung des anderen Gesamtvertreters ohnehin nur die ihm – im Verhältnis zum Vertretenen – zugewiesene Kompetenz dergestalt wahrnimmt, dass er nunmehr nicht an allen notwendigen Einzelgeschäften teilnimmt, sondern seine Beteiligungsbefugnis antizipiert dahin ausübt, dass er dem andern die Möglichkeit einräumt, auch die dem ermächtigenden Gesamtvertreter zugewiesene Vertretungsmacht wahrzunehmen.

    Das Sorgerecht der Eltern geht aber über Fragen der unmittelbaren Erziehung und täglichen Betreuung (diese nimmt die Antragstellerin ohnehin unbestritten allein wahr), der Alltagssorge (steht nach § 1687 I BGB ebenfalls der Antragstellerin allein zu) sowie der Vertretung des Kindes im Rechtsverkehr hinaus; namentlich im Bereich der Einwilligung nach § 107 BGB, der Genehmigung nach § 108 I BGB bzw. der Zustimmung zur Zeugenaussage nach § 52 II StPO (amtsähnliche Handlungen, vergl. im Einzelnen: Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1629 BGB, Rz. 17ff.) werden die Eltern im eigenen Namen kraft des ihnen zugewiesenen Sorgerechts tätig. Der Senat erachtet aber auch hier – aus vorstehenden Erwägungen – eine Ermächtigung zwischen den Eltern für möglich. Denn einerseits sind die Eltern auch hier nur gesamthandlungsbefugt, § 1627 BGB; andererseits ist auch hier schon Handeln eines Elternteils mit Ermächtigung des anderen Elternteils anerkannt (BGH NJW 1988, 2946, 2947 zur Einwilligung in einen am Kind vorgenommenen ärztlichen Heileingriff).

    Letztlich kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob die vom Antragsgegner am 22.11.2017 erteilte „Vollmacht“ tatsächlich als Vollmacht im Rechtssinne oder als Ermächtigung zu verstehen ist. Denn dem Antragsgegner war es erkennbar wichtig, durch Abgabe dieser Erklärung die Befugnisse der Antragstellerin zur Vertretung des Kindes zu erweitern und damit auf den Ausgang des hiesigen Verfahrens Einfluss zu nehmen. Die Details der rechtlichen Einordnung standen für den Antragsgegner erkennbar nicht im Vordergrund.

    Die Erklärung vom 22.11.2017 ist zwar inhaltlich recht weitgreifend, hält sich nach Ansicht des Senats aber immer noch im Rahmen einer „Bereichsermächtigung“ (Münchener Kommentar zum BGB – Schubert, § 164 BGB, Rz. 202: bestimmter Kreis von Geschäften). Z.B. ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nach § 52 II StPO nicht eingeschlossen.

    Letztlich kommt es jedoch für den Senat entscheidend darauf an, ob ein Widerruf der Vollmacht oder einer Ermächtigung ernstlich im Raum steht (so zur Vollmacht auch: OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 123746, OLG Köln, FamFR 2010, 333 und OLG Schleswig, FamRZ 2012, 1066). Denn es gilt auch hier das Primat der Elternverantwortung, dem die Eltern auch dann gerecht werden, wenn diese in Eigeninitiative Maßnahmen ergreifen, die zur Zweckerreichung hinreichend sind. Können diese Maßnahmen aus Rechtsgründen nicht mit letzter Verbindlichkeit ergriffen werden, muss es genügen, dass der Ermächtigende bzw. Vollmachtgeber die Verbindlichkeit seines Handelns nicht in Zweifel zieht.

    Die Beteiligten haben sich am 16.02.2017 im Rahmen einer gemeinsamen Vereinbarung darauf verständigt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin eine umfassende und unwiderrufliche Vollmacht erteilt und dies auch unmittelbar zu gerichtlichem Protokoll so erklärt. Dabei erstreckt sich diese – im Termin unmittelbar und unwiderruflich begebene – Vollmacht auf alle Bereiche der elterlichen Sorge, in denen auch die Antragstellerin Handlungsbedarf sieht. Denn es sind die im ersten Absatz der Vereinbarung genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge nur Beispielsaufzählungen und kein abschließender Kanon, wie sich aus der Voranstellung des Wortes „insbesondere“ und der Bekräftigung der Eltern im dritten Absatz der Vereinbarung, dass „… die Kindesmutter … damit voll umfänglich und ohne Einschränkung für das gemeinsame Kind handeln kann …“ ergibt. Diese in beurkundeter Form vorliegende, vergl. §§ 36 Abs. 1 und 2 FamFG, 159 ff. ZPO, 127a BGB, Vollmacht wurde in der Folgezeit nochmal durch den Antragsgegner als Vater ergänzt, indem er der Antragstellerin eine am 22.11.2017 erstellte, öffentliche beglaubigte Vollmacht übersandte, die sie „…zur einvernehmlichen Ausübung der elterlichen Sorge in sämtlichen Angelegenheiten …, die keine Angelegenheiten des täglichen Lebens sind…“ berechtigt.

    Es ging den Beteiligten am 16.02.2017 erkennbar darum, ihren Sorgerechtskonflikt dauerhaft zu lösen. Eine jederzeitige Neujustierung sollte erkennbar vermieden werden.

    Eine solche Ermächtigung ist nach Senatsansicht auch dann ein milderes Mittel, obgleich sie jederzeit widerruflich ist (statt vieler: Münchener Kommentar zum BGB – Schubert, § 164 BGB, Rz. 203; K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 78 AktG, Rn 31).

    Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass der Kindesvater die erteilte Vollmacht/ Ermächtigung widerrufen möchte, was er trotz der gegenteiligen Formulierung der „Unwiderruflichkeit“ jederzeit könnte. Denn ein sorgeberechtigter Elternteil kann sich seiner grundgesetzlich verankerten Pflicht, Art. 6 Abs. 2 GG, zur Ausübung des Sorgerechts nicht unwiderruflich begeben (vgl. Hammer, FamRZ 2005, S. 1209, 1211; MüKo-Huber, § 1627 BGB, Rn. 10; OLG Düsseldorf, FamRZ 2018, 693 f; OLG Stuttgart, 15 UF 285/13, juris, Rn. 30; OLG Hamm ZKJ 2011, 303). Vielmehr hat der Kindesvater durch Erneuerung der Vollmacht gerade deutlich gemacht, an der Vollmachtserteilung/Ermächtigung der Kindesmutter festhalten zu wollen.

    Auch ist die Kindesmutter – entgegen ihrem Vorbringen – in der Lage mit der erteilten Vollmacht zu handeln.

    Die von der Antragstellerin benannten Umstände sind nicht geeignet, an ihrer Handlungsfähigkeit für N zu zweifeln.

    Die Behauptung der Antragstellerin, ihr sei es auch unter Vorlage des Terminprotokolls nicht möglich gewesen, einen Kindergartenaufnahmevertrag abzuschließen, verfängt insoweit nicht. Der Antragstellerin wäre es unter Vorlage der Geburts- und Sorgeübernahmeurkunde problemlos möglich, Dritten darzulegen,

    - wer der Vater des Kindes ist,

    - dass gemeinsame Sorge mit ihm eingerichtet wurde und

    - dieser eine umfängliche Sorgerechtsausübungsvollmacht bzw. -ermächtigung übertrug.

    Entsprechendes gilt für den Vortrag der Antragstellerin in Bezug auf die Auswahl der Schule Ls, eines ggf. Hortbesuchs, seiner künftigen religiösen Erziehung sowie den Erhalt eines kroatischen Personaldokuments. Soweit insoweit besondere Dokumente (Ausweiskopien des Antragsgegners etc.) verlangt worden sein sollten, ist nicht erkennbar, dass das Bedürfnis zu deren Vorlage durch eine Sorgerechtsübertragung wegfiele, weil ein Ausweisdokument nur die Existenz einer Person und ggf. ihre Staatsangehörigkeit bezeugt; beides Umstände, die außerhalb des Sorgeverhältnisses stehen.

    Soweit die Antragstellerin auf die Nichterreichbarkeit einer Bescheinigung nach Art. 39 EuEheVO in Bezug auf das Terminprotokoll vom 16.02.2017 abstellt, ist zuzugeben, dass diese Vorschrift nur für gerichtliche Entscheidungen gilt; indes gibt es – im Verhältnis zu Kroatien und Bosnien-Herzegowina – andere Formen der Legalisation von Urkunden (Apostille gemäß Haager Abkommen zur Befreiung vom Erfordernis zur Legalisation, BGBl. 1994 II, S. 82).

    Der Senat vermag auch in dem Umstand, der Antragstellerin sei es nicht möglich gewesen, beim Standesamt den Vornamen des Kindes – wie von den Beteiligten einvernehmlich beabsichtigt – ändern zu lassen, keine durchgreifende Bedeutung beizumessen. Die hierfür vorgenannte Zwischenverfügung des Standesamtes vom 28.04.2017 benennt Hinderungsgründe, die sich auch mit einer Sorgerechtsübertragung auf die Antragstellerin nicht ausräumen lassen.

    Auch der Umstand, dass der Antragsgegner bei kroatischen Behörden vorsprach, als er dort den Pkw der Antragstellerin auf einem Parkplatz abgestellt sah, vermag weder die Handlungsunfähigkeit der Kindesmutter mit der Ermächtigung/Vollmacht noch den bevorstehenden Widerruf der Vollmacht begründen. Denn nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin führte dies nur dazu, dass die dortigen Behörden kurz mit der Großmutter mütterlicherseits Kontakt aufnahmen und im Folgenden ohne weitere Ermittlungen von der Rechtmäßigkeit eines (Urlaubs-) Aufenthaltes des Kindes in Kroatien ausgingen. Insoweit ist auch zu beachten, dass es der Antragstellerin ja gerade infolge des ihr schon anderweitig übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts möglich ist, sich zu legitimieren und für rechtliche Klarheit in diesem Bereich zu sorgen.

    Einer weiteren Sachaufklärung, insb. durch Anhörung des Kindes, bedarf es nicht, weil für die vorliegende Entscheidung nicht Fragen der Bindung, Neigung und Wille des Kindes von Bedeutung sind, vergl. § 159 Abs. 2 FamFG. Von einer erneuten Anhörung der Eltern sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG und berücksichtigt den Verlauf des Verfahrens, insb. den Erfolg der Beschwerde, wobei kein Katalogfall des § 81 Abs. 2 FamFG oder vergleichbares vorliegt, also im Rahmen einer Kindschaftssache Zurückhaltung geboten ist, eine Kostenerstattung zu Gunsten/zu Lasten einzelner Beteiligter anzuordnen.

    Die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 FamGKG.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 FamFG, weil die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer Ermächtigung/ Vollmacht zwischen Eltern einer Übertragung des Sorgerechts auf einem Elternteil entgegenstehen kann, grundsätzliche Bedeutung besitzt.

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    Dr. Fritzsche Kothes Köhler