OLG Frankfurt vom 23.02.2021 (8 UF 188/20)

Stichworte: Sorgerecht; Umgangsrecht; Wechselmodell; Aufenthaltsbestimmungsrecht; Einstweilige Anordnung; Beschwerde, Statthaftigkeit
Normenkette: BGB 1671; BGB 1684; FamFG 54; FamFG 57
Orientierungssatz:
  • Die Regelung des § 57 S. 2 FamFG ist abschließend und aufgrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit nicht analogiefähig. Eine in einem Umgangsverfahren ergangene einstweilige Anordnung ist daher auch bei Regelung oder Aufhebung eines Wechselmodells nicht anfechtbar (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.2012 – 8 UF 238/13, FamRZ 2014, 1389; entgegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.01.2020 – 2 UF 301/19, FamRZ 2020, 1181).
  • Die Aufhebung eines praktizierten Wechselmodells setzt nicht zwingend eine vorherige Klärung des Lebensmittelpunktes des Kindes in einem sorgerechtlichen Verfahren voraus und kann im Umgangsverfahren geregelt werden (Anschluss an OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.10.2020 – 6 UF 122/20, FamRZ 2021, 39; Fortführung von BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532).
  • … F …
    AG Wiesbaden

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … am 23.02.2021 beschlossen:

    Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 02.12.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 23.11.2020 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,- Euro festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, mit dem nach mündlicher Erörterung eine Umgangsregelung dahingehend getroffen wurde, dass nach vorhergehendem paritätischen Wechselmodell nunmehr eine überwiegende Betreuung durch den Kindesvater angeordnet wurde.

    Die Kindeseltern waren nicht verheiratet, lebten aber bis Ende März 2019 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Für die beiden gemeinsamen Söhne haben sie gemeinsame Sorgeerklärungen abgegeben.

    Nach der Trennung haben die Kindeseltern hinsichtlich der Söhne zunächst einvernehmlich das Wechselmodell ausgeübt. Nachdem zunächst die Kindesmutter, die einen Umzug nach Stadt1 beabsichtigte, und später auch der Kindesvater einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt hatten, einigten sich die Eltern im Verfahren vor dem Amtsgericht Wiesbaden zu Az. …/19 im Termin vom 20.12.2019 auf eine wechselseitige Rücknahme der Anträge und eine Fortführung des bislang praktizierten Wechselmodells in Stadt2. Auf Bl. 8 d.A. wird verwiesen. Dies wurde bis März 2020 auch entsprechend praktiziert.

    Nach Unstimmigkeiten über eine angebliche Corona-Erkrankung des Kindesvaters verweigerte die Kindesmutter Ende April 2020 die Herausgabe der Kinder und zog mit diesen in ein von ihr in Stadt1 erworbenes Haus.

    Auf Anregung des Kindesvaters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im vorliegenden Verfahren ordnete das Amtsgericht durch Beschluss ohne vorherige mündliche Erörterung vom 17.07.2020 wiederum ein Wechselmodell an, wonach sich die Kinder im wöchentlichen Wechsel bei den Eltern aufhalten und jeweils freitags nachmittags vom anderen Elternteil abgeholt werden sollten. Auf Bl. 50 ff. d.A. wird verwiesen.

    Die Eltern haben im vorliegenden Verfahren zunächst wechselseitig eine Abänderung dahingehend beantragt, dass sich die Kinder monatlich nur insgesamt eine Woche und ein zusätzliches Wochenende beim anderen Elternteil aufhalten sollen.

    In einem parallel vor dem Amtsgericht auf Antrag des Kindesvaters vom 04.06.2020 anhängigen Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht, Az. …/20 SO, streiten die Eltern über den schwerpunktmäßigen Aufenthalt der Kinder. Hierzu wird derzeit ein Sachverständigengutachten eingeholt. Ein Hauptsacheverfahren zum Umgang ist vor dem Amtsgericht unter dem Az. …/20 UG ebenfalls anhängig.

    Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Kindeseltern, Kinder, Verfahrensbeistand und Jugendamt angehört und die Angelegenheit mündlich erörtert. Im Termin hat sich die Kindesmutter entgegen der vorherigen Anregung für eine Beibehaltung der hälftigen Aufteilung der Betreuung ausgesprochen. Auf Bl. 249 ff. d.A. wird Bezug genommen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.11.2020 hat das Amtsgericht den Beschluss vom 17.07.2020 dahingehend abgeändert, dass sich die Kinder - nach einer Sonderregelung bis zum Ende des Jahres 2020 - ab 2021 immer jeweils von freitags bis zum Sonntag der folgenden Woche bei der Mutter und sodann bis zum Freitag der übernächsten Woche beim Vater aufhalten sollen. Die Regelung beruhe auf §§ 1684 Abs. 1, 1697a BGB. Es entspreche - auch entsprechend der Empfehlung von Verfahrensbeistand und Jugendamt - jedenfalls bis zur Klärung ihres künftigen gewöhnlichen Aufenthalts im sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren dem Wohl der Kinder am besten, wenn diese schwerpunktmäßig vom Vater in ihrem gewohnten Umfeld in Stadt2 betreut und versorgt würden. Auf Bl. 274 ff. wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

    Der Beschluss ist der Kindesmutter am 27.11.2020 zugestellt worden.

    Mit Schriftsatz vom 02.12.2020, beim Amtsgericht am 08.12.2020 eingegangen, hat die Kindesmutter hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der sie nunmehr die Einrichtung eines zweiwöchentlichen Wechselmodells beantragt. Sie vertritt dabei die Ansicht, die Beschwerde sei zulässig, da eine Entscheidung über den Lebensmittelpunkt der Kinder und damit über das Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen worden sei. Sie beruft sich hierzu auf die Entscheidung des OLG Frankfurt zu Az. 2 UF 301/19.

    Der Senat hat mit Verfügung vom 18.12.2020 darauf hingewiesen, dass eine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig beabsichtigt sei.

    Die Kindesmutter hält an ihrer Rechtsauffassung fest. Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

    II.

    Die Beschwerde der Beschwerdeführerin war gemäß §§ 68 Abs. 2 S. 2, 57 S. 1 FamFG zu verwerfen, weil ein Rechtsmittel gegen eine Umgangsentscheidung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft ist.

    Entscheidungen im Rahmen von einstweiligen Anordnungen sind gemäß § 57 S. 1 FamFG regelmäßig nicht anfechtbar. Eine Ausnahme von dieser Regel nach § 57 S. 2 FamFG liegt nicht vor. Denn eine solche Ausnahme gilt nur für Sorgerechtsverfahren (Nr. 1), Herausgabe- und Verbleibensanordnungen (Nr. 2 und Nr. 3), Gewaltschutzverfahren (Nr. 4) und in Ehewohnungssachen für die Zuweisung der Ehewohnung (Nr. 5).

    Vorliegend hat das Amtsgericht aber eine einstweilige Anordnung zum Umgang getroffen. Auch wenn die Entscheidung im Ergebnis den Schwerpunkt der Betreuung vorläufig erstmalig regelt, macht dies die vom Amtsgericht der äußeren Form nach eindeutig im Umgangsverfahren getroffene Entscheidung nicht zu einer sorgerechtlichen Regelung, bei der die Beschwerde gem. § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG statthaft wäre.

    Ob die Aufhebung eines praktizierten - und wie hier gerichtlich in einem einstweiligen Anordnungsverfahren zum Umgang auch angeordneten - Wechselmodells in einem Umgangsverfahren möglich ist oder ob hierfür (zuvor) eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erforderlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. auch den Überblick bei Hammer, FamRZ 2021, 37ff.).

    Nach teilweise vertretener Auffassung ist vorrangig eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu treffen. Nur hierdurch könne geklärt werden, in wessen Haushalt ein Kind schwerpunktmäßig leben solle. Erst hiernach könne eine Regelung des Umgangs getroffen werden, deren Obergrenze allerdings die Anordnung einer paritätischen Betreuung sei (vgl. Dürbeck in: Staudinger, BGB, 2019, § 1684 BGB, Rn. 72a; Rake in: Johannsen/Henrich/Althammer, 7. Aufl. 2020, BGB § 1684 Rn. 46). Falls über den schwerpunktmäßigen Aufenthalt eines Kindes nach vorherigem Wechselmodell nunmehr kein Einvernehmen bestehe, müsse als Vorfrage über das Aufenthaltsbestimmungsrecht entschieden werden. Das Umgangsverfahren sei hierfür ggf. gemäß § 21 FamFG auszusetzen (Dürbeck, a.a.O., Rn. 254.3).

    Eine andere Auffassung sieht weitergehend bereits die Begründung eines Wechselmodells im Umgangsverfahren nicht als möglich an. Dieser Auffassung folgend wäre erst recht die Aufhebung eines Wechselmodells und damit die Bestimmung eines Schwerpunkts der Betreuung durch eine umgangsrechtliche Entscheidung nicht möglich.

    Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes oder die paritätische Aufteilung des Lebensmittelpunkts unterfielen hiernach dem Aufenthaltsbestimmungsrecht, nicht dem Umgangsrecht (OLG Frankfurt, 2. Familiensenat, Beschluss vom 29. Januar 2020 - 2 UF 301/19 -, Rn. 21, juris = FamRZ 2020, 1181-1185). Schon die Anordnung eines Wechselmodells durch eine Regelung von Umgang sei weder mit der Gesetzessystematik noch mit dem Sprachgebrauch vereinbar und stelle eine nicht durch den Gesetzeswortlaut gedeckte Rechtsfortbildung dar (OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 24, juris; vgl. auch Hammer, a.a.O., 39). Auch eine der äußeren Form nach als Umgangsentscheidung getroffene einstweilige Anordnung stelle in diesem Fall eine sorgerechtliche Entscheidung dar, gegen die die Beschwerde nach § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG statthaft sei (OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 9 ff., juris).

    Zuletzt wird demgegenüber auf der Grundlage der vom BGH für die Begründung des Wechselmodells für möglich gehaltenen „umgangsrechtlichen Lösung“ die Auffassung vertreten, nicht nur die Begründung, sondern auch die Aufhebung eines zuvor praktizierten Wechselmodells sei durch eine Entscheidung im Umgangsverfahren möglich und setze nicht die vorherige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts voraus (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Oktober 2020 - 6 UF 122/20, Rn. 10 - 12, juris = FamRZ 2021,39; im Ergebnis eher zustimmend Hennemann, NZFam 2020,1024; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 18. Mai 2018 - 3 UF 4/18, Rn. 35, juris = FamRZ 2018, 1329-1334).

    Begründet wird diese Auffassung mit zwei grundlegenden Entscheidungen des BGH. Zum einen hat es der BGH mit der Entscheidung vom 01.02.2017 (XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31-45 = FamRZ 2017, 532-536) als möglich angesehen, ein paritätisches Wechselmodell auch im Rahmen des Umgangsverfahrens anzuordnen. Zum anderen hat der BGH am 27.11.2019 (XII ZB 512/18 = FamRZ 2020, 255-258) entschieden, dass die gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage hat, ob ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen ist. Im Umkehrschluss soll das nach dieser Auffassung bedeuten, dass für die Anordnung eines anderen Umgangsrechtes als des bisher gelebten Wechselmodelles ein alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht gerade nicht notwendig sei (Zempel, jurisPR-FamR 25/2020 Anm. 1).

    Der Senat hält entsprechend der letztgenannten Auffassung die Aufhebung eines Wechselmodells und dem folgend eine anderweitige Regelung der überwiegenden Betreuung - wie vorliegend - allein durch eine umgangsrechtliche Regelung für möglich und rechtlich zulässig, auch wenn eine vorherige Klärung des Lebensmittelpunkts durch eine sorgerechtliche Entscheidung vorzugswürdig, mangels Antrags hier aber nicht möglich gewesen wäre.

    Der erstgenannten Auffassung, die vor einer ein Wechselmodell aufhebenden Umgangsregelung vorrangig eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht verlangt, ist zuzugestehen, dass eine vorhergehende sorgerechtliche Regelung des Lebensmittelpunkts eines Kindes auch für die beteiligten Eltern eine größere Klarheit schafft, zumal sie auch bei einer Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Beschwerde überprüft werden kann. Auch nach Ansicht des BGH ist ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes regelmäßig im Rahmen eines Verfahrens über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht eines solchen über das Umgangsrecht auszutragen (BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15, a.a.O, Rn. 19). Eine vorherige Regelung durch eine sorgerechtliche Entscheidung ist in der bestehenden Systematik des Kindschaftsrechts auch angelegt und widerspricht zudem weder bei der Begründung eines Wechselmodells (ausdrücklich offen gelassen in BGH, a.a.O., Rn. 15) noch gar bei der Aufhebung eines zuvor praktizierten Wechselmodells der Rechtsprechung des BGH.

    Entsprechend hätte es sich auch im vorliegenden Fall für die Kindeseltern angeboten, zusätzlich auch einen Antrag auf vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einstweilige Anordnung zu stellen. Ggf. hätte das Amtsgericht hierauf auch hinwirken können. Die Eltern und das Amtsgericht haben es aber - auf dem Boden der vom BGH eröffneten „umgangsrechtlichen Lösung“ der Begründung eines Wechselmodells - für ausreichend gehalten, allein ein einstweiliges Anordnungsverfahren zum Umgang einzuleiten.

    Diese verfahrensrechtliche Situation zeigt das Dilemma, in das die dargestellte Auffassung führt. Ein - antragsgebundenes - einstweiliges Anordnungsverfahren hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts war nicht anhängig. Eine Entscheidung im anhängigen Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht war nicht zeitnah zu erwarten, da ein Gutachten in Auftrag gegeben worden war. Gleichwohl hielt das Amtsgericht eine sofortige vorläufige Regelung des Umgangs nach den Empfehlungen von Jugendamt und Verfahrensbeistand mit Blick auf das Kindeswohl für erforderlich. Entsprechend der obigen Auffassung hätte das Amtsgericht aufgrund des von ihr angenommenen materiellrechtlichen Vorrangs der Sorgeentscheidung eine einstweilige Umgangsregelung nicht treffen dürfen, das Verfahren bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht aussetzen müssen und bis zu diesem Zeitpunkt - mangels Antrags auf vorläufige Regelung des Sorgerechts - keine vorläufige Regelung treffen können, obwohl es diese für erforderlich hielt (zu dieser Konsequenz vgl. Hammer, a.a.O.). Dies kann nicht überzeugen.

    Der Senat hält auch die Argumentation der zweitgenannten Auffassung gegen die Rechtsprechung des BGH, schon die Anordnung eines Wechselmodells durch eine Regelung des Umgangs sei mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und damit auch mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht vereinbar und stelle eine unzulässige Rechtsfortbildung dar, nicht für durchgreifend. Ebenso wenig greift dieser Einwand für den Fall der Aufhebung eines bestehenden Wechselmodells.

    Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Verständnis der Verfahrensbeteiligten die Verteilung der Betreuungszeiten zwischen den Eltern erst einmal als Frage des Umgangs gesehen wird. Entsprechend wollten es die Eltern hier auch zunächst einvernehmlich bei einem gemeinsamen Sorgerecht belassen und haben die Betreuung durch ein Wechselmodell mit festgelegten - paritätischen - Umgangszeiten vereinbart. Nachdem beide eine Änderung dieser Umgangszeiten hin zu einer überwiegenden Betreuung durch sich selbst erreichen wollten, haben sie dies augenscheinlich wiederum als Frage des Umgangs verstanden und haben folgerichtig auch nur diesbezüglich eine vorläufige Regelung für erforderlich gehalten und angeregt.

    Auch die Systematik des Gesetzes verbietet entgegen der zweitgenannten Auffassung (vgl. insoweit u.a. auch Gottschalk/Heilmann, ZKJ 2017, 181-183; Hennemann in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, § 1671 BGB, Rn. 27; Altrogge in: BeckOGK, 1.11.2019, § 1684 BGB, Rn. 109.1 ff.) weder bei der Begründung noch bei der Aufhebung des Wechselmodells eine Regelung im Umgangsverfahren. Der Senat hält vielmehr entsprechend der letztgenannten Auffassung eine solche „umgangsrechtliche Lösung“ für möglich. Grundlegende Erwägung dabei ist, dass es sich bei Sorge- und Umgangsrecht nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände handelt. Während im Sorgerechtsverfahren etwa nach § 1671 BGB oder § 1666 BGB die Frage der Rechtszuständigkeit der Eltern für die elterliche Sorge oder Teile davon in Rede steht, betrifft die Umgangsregelung die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und schränkt insoweit die Befugnisse des Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen (BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18, a.a.O., Rn. 14, juris).

    Jede Umgangsregelung tangiert immer auch den Aufenthalt des Kindes und damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern und wirkt sich auf die Ausübung des Sorgerechts aus. Die mit einer Umgangsregelung verbundene Einschränkung in der Ausübung der elterlichen Sorge ist in der gesetzlichen Systematik von Sorge- und Umgangsrecht mithin angelegt. Eine Vorgabe, in welchem Umfang ein Umgang - wie hier von Amts wegen - maximal angeordnet werden kann, enthält das Gesetz nicht (vgl. Rake in: Johannsen/Henrich/Althammer, 7. Aufl. 2020, § 1684 BGB, Rn. 45; KG Berlin, a.a.O., Rn. 35,36, juris). Damit kann bei gemeinsamem Sorgerecht auch eine Umgangsregelung getroffen werden, die nach vorherigem Wechselmodell erstmals einen Schwerpunkt der Betreuung festlegt.

    Der nachvollziehbare Einwand, es müsse erst geklärt werden, wessen Umgang in diesem Fall denn eigentlich geregelt werden solle (Dürbeck, a.a.O., Rn. 254.3), greift jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier zumindest zeitweilig - beide Eltern ein einstweiliges Anordnungsverfahren zum Umgang (und nicht zugleich zum Sorgerecht) mit dem Ziel betreiben, in diesem Verfahren die Betreuungszeiten unter sich aufzuteilen und den Schwerpunkt der Betreuung zu regeln. Durch eine solche vorläufige Regelung soll in diesem Fall nach dem Willen aller Beteiligten gerade (noch) nicht in den sorgerechtlichen Status eingegriffen, sondern für beide Eltern der Umgang mit den Kindern im Sinne der gewünschten Aufteilung der Betreuungszeiten geregelt werden. Letztlich handelt es sich inhaltlich um keine andere Frage als bei einer Ausweitung eines Umgangs bis hin zu einer paritätischen Betreuung. Es wäre insoweit eine vom Gesetzgeber nicht gewollte „Friktion“, wenn im Ergebnis eine Vermehrung oder Verminderung der Betreuungszeiten um evtl. nur einige Stunden unterschiedliche Einordnungen und dann sogar einen Wechsel der Verfahrensarten zur Folge hätte (Schwamb, NZFam 2020, 249, 254).

    Wenn man mit dem BGH die Anordnung eines Wechselmodells durch eine Entscheidung im umgangsrechtlichen Verfahren für zulässig hält, muss gerade mit Blick auf die verfahrensrechtlichen Fragen zwingend auch eine Abänderung dieser Entscheidung und demzufolge auch eine Aufhebung des Wechselmodells im umgangsrechtlichen Verfahren zulässig sein.

    Dies zeigt sich deutlich im vorliegenden Fall. Durch das Amtsgericht ist auf dem Boden der Rechtsprechung des BGH durch Beschluss vom 17.07.2020 im einstweiligen Anordnungsverfahren zum Umgang ohne mündliche Erörterung ein Wechselmodell angeordnet worden. Dann muss aber auch eine Abänderung dieser Entscheidung und eine anderweitige Entscheidung in der gleichen Verfahrensart - sei es nach § 54 Abs. 1 FamFG oder § 54 Abs. 2 FamFG - zulässig sein. Es wäre weder mit der Gesetzessystematik, insbesondere der in § 54 FamFG vorgesehenen Verfahrensweise vereinbar, noch den Verfahrensbeteiligten vermittelbar, dass es für eine Abänderung der Entscheidung zu einem Wechsel des Verfahrensgegenstands kommen müsste und plötzlich ein Antrag zwingend erforderlich wäre.

    In der Gesamtschau stellt damit die auf Grundlage der Entscheidungen des BGH eröffnete „umgangsrechtliche Lösung“ der mit dem Wechselmodell verbundenen Fragen eine rechtlich zumindest zulässige Möglichkeit dar, die sich zudem als praxisgerecht erweist, da eine gem. § 89 FamFG vollstreckbare Regelung geschaffen werden kann und ein Antragserfordernis nicht besteht (insoweit im Ergebnis auch Hennemann, a.a.O.; Dürbeck, a.a.O. Rn. 260).

    Im Ergebnis zeigt sich aber auch im vorliegenden Fall, dass die Differenzierung zwischen dem Umgang eines Elternteils und der elterlichen Sorge häufig an dem wahren Streitpunkt der Eltern vorbeigeht. Wünschenswert wäre daher eine klarere gesetzliche Regelung (vgl. zu den Reformüberlegungen u.a. Köhler, ZKJ 2020, 4 (5); Rake, FamRZ 2020, 1179 (1180)).

    Die Zulässigkeit der vom Amtsgericht im vorliegenden Fall vorgenommenen umgangsrechtlichen Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren hat zur Konsequenz, dass eine Beschwerde hiergegen gem. § 57 FamFG nicht statthaft ist.

    Die Aufzählung der Ausnahmen von der Nichtanfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen in § 57 S. 2 FamFG ist abschließend und nicht analogiefähig, so dass Entscheidungen zum Umgangsrecht im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens - selbst bei vorübergehendem Umgangsausschluss als intensivem Grundrechtseingriff - nicht anfechtbar sind (vgl. Fischer, FamRZ 2020, 1186; Schlünder in: BeckOK FamFG, Hahne/Schlögel/Schlünder, 37. Edition, Stand 01.01.2021, § 57 FamFG, Rn. 10; ausdrücklich für den Fall der Anordnung des Wechselmodells durch einstweilige Anordnung: OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2013 - II-8 UF 238/12, Rn. 3 = FamRZ 2014, 1389; Giers in: Keidel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 57 FamFG, Rn. 6b; Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 57 FamFG, Rn. 6 jeweils m.w.N.).

    Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass davon ausgegangen wird, der Gesetzgeber habe eine Entscheidung mit so weitreichenden Wirkungen wie die Anordnung eines Wechselmodells nicht aus dem Kreis der anfechtungsfähigen Entscheidungen herausnehmen wollen, sodass zwingend eine sorgerechtliche Regelung angenommen und sogar eine ausdrücklich zum Umgangsrecht ergangene Entscheidung dahingehend umgedeutet werden müsse (so aber die oben dargestellte zweite Auffassung, vgl. OLG Frankfurt, 2. Familiensenat, a.a.O., Rn. 33). Hiergegen sprechen auch die sich für die Verfahren daraus ergebenden Konsequenzen. Zwar ist auf dem Boden dieser Auffassung eine Beschwerde gegen die sorgerechtlich verstandene einstweilige Anordnung nun zulässig, ein für eine sorgerechtliche Entscheidung nach § 1671 BGB erforderlicher Antrag ist im Umgangsverfahren aber regelmäßig nicht gestellt und die Schwelle für eine Regelung von Amts wegen nicht erreicht, sodass auf die als zulässig erachtete Beschwerde die erstinstanzliche Entscheidung regelmäßig nur ersatzlos aufgehoben werden kann (so auch in dem vom OLG Frankfurt, 2. Familiensenat, a.a.O., entschiedenen Fall). Die allseits für geboten gehaltene vorläufige Regelung kann in dieser Konstellation dann gerade nicht getroffen werden. Trotz Eröffnung des Rechtsmittelwegs erhalten die Beteiligten im Ergebnis „Steine statt Brot“ (Schwamb, a.a.O.).

    Ebenso wenig kann dem Gesetz die Möglichkeit entnommen werden, eine gerichtliche Umgangsregelung, mit der ein Wechselmodell aufgehoben wird, wegen ihrer „erheblichen sorgerechtsgleichen Auswirkungen im Wege extensiver Auslegung“ wie eine von § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG erfasste Entscheidung zu behandeln (so aber Fischer, a.a.O., S. 1186). Dies kollidiert bereits mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395-418, Rn. 69 = FamRZ 2003, 995-999). Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich gegen eine Beschwerdemöglichkeit bei einstweiligen Anordnungen zum Umgang entschieden. Dies bezieht sich auch auf noch deutlich stärkere Eingriffe wie die Anordnung eines Umgangsausschlusses. Eine auch aus Sicht des Senats naheliegende Änderung dieser gesetzlichen Regelung ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

    Ein Tätigwerden des Gesetzgebers kann nicht dadurch ersetzt werden, dass eine von den Beteiligten gewollte, vom Amtsgericht erlassene und auf dem Boden der Rechtsprechung des BGH stehende Umgangsregelung umgedeutet oder anderweitig ausgelegt wird, nur um contra legem eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 69 Abs. 3, 51 Abs. 4, 84 FamFG.

    Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40, 45 Abs. 1 Nr. 2, 41 S. 2 FamGKG.