OLG Frankfurt vom 10.02.2021 (8 UF 175/20)

Stichworte: Kostenentscheidung; Gerichtskosten; Umgang, Großeltern; Antragsverfahren; Amtsverfahren; Beschwerdegericht, Ermessen; Billigkeit
Normenkette: FamFG 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2; BGB 1685 Abs. 1
Orientierungssatz:
  • Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Kostenentscheidung unterliegt einer vollen Überprüfung durch das Beschwerdegericht (Anschluss an BGH FamRZ 2017, 97).
  • Ob und in welchem Umfang eine Kostenentscheidung der Billigkeit entspricht, ist nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Auch in Umgangsverfahren nach § 1685 BGB entspricht es regelmäßig der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen den Beteiligten zu teilen und die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen (Anschluss an OLG Köln, FamRZ 2017, 383).
  • Das Regelbeispiel des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG findet in Umgangsverfahren keine Anwendung, weil die Vorschrift nur für Antragsverfahren gilt, Umgangsverfahren aber Amtsverfahren sind.
  • 93 F 804/20
    AG Bad Homburg v.d.H.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Kindschaftssache betreffend den Umgang …

    hier: Kostenbeschwerde

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Römer, Richterin am Oberlandesgericht Dr. von P ü c k l e r sowie Richter am Oberlandesgericht Köhler am 10.02.2021 beschlossen:

    Auf die Beschwerde vom 11.11.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg v. d. Höhe vom 14.10.2020 im 2. Absatz wie folgt abgeändert und neu gefasst:

    Von den Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beteiligte zu 3. und der Beteiligte zu 4. als Gesamtschuldner 50%, die Beteiligte zu 5. 25% und die Beteiligten zu 6. und zu 7. jeweils 12,5%. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

    Von einer Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Auslagen des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

    Der Beschwerdewert wird auf bis zu 500,- Euro festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten streiten um eine Kostenentscheidung in einem Verfahren auf Großelternumgang.

    Die Beteiligten zu 3. und 4. sind die Eltern der Kindesmutter und regten mit Schriftsatz vom 31.08.2020, der mit Antrag bezeichnet ist, eine Umgangsregelung mit ihren Enkeln [Beteiligte zu 1. und 2.] an.

    Nach Bestellung einer Verfahrensbeiständin und Bestimmung eines Termins nahmen die Beteiligten zu 5. [Kindesmutter] und 7. sowie die Schwester der Kindesmutter im Verfahren Stellung und äußerten sich abschlägig, was einen Umgang angeht. Daraufhin nahmen die Großeltern ihren „Antrag“ mit Schriftsatz vom 14.09.2020 zurück. Das Amtsgericht hob den Termin auf, stellte fest, dass familiengerichtliche Maßnahmen nicht erforderlich seien und setzte in Absatz 2 des angefochtenen Beschlusses, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, eine Kostentragungspflicht dergestalt fest, dass die Gerichtskosten von den Beteiligten mit Ausnahme der Kinder und des Verfahrensbeistands zu je ¼ zu tragen seien. Im Rubrum dieses Beschlusses war der Beteiligte zu 7. nicht aufgeführt.

    Der Beschluss wurde dem Beteiligten zu 6. am 21.10.2020 zugestellt.

    Mit Schriftsatz vom 11.11.2020, beim Amtsgericht am 12.11.2020 eingegangen, wendet sich der Beteiligte zu 6. gegen die Kostenentscheidung und meint, dass der Antrag von vornherein aussichtslos gewesen sei.

    Mit Verfügung vom 07.01.2021 wies der Berichterstatter darauf hin, dass es sich vorliegend um ein Amtsverfahren handele, die Vorschrift des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG nicht anwendbar sei, dass der Vater des Beteiligten zu 2. (Beteiligter zu 7.) fälschlich nicht beteiligt worden sei und dass nach Nachholung dieser Beteiligung beabsichtigt sei, die Kostenentscheidung wie in der Beschlussformel ersichtlich abzuändern.

    In der gesetzten Frist erklärten die Großeltern ihr Einverständnis mit dem beabsichtigten Vorgehen. Die übrigen Beteiligten nahmen nicht Stellung.

    II.

    Die auf den Kostenausspruch beschränkte Beschwerde ist zulässig. Denn sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG und der nach § 64 Abs. 1, 2 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt und unterliegt – weil Gegenstand der Hauptsache keine vermögensrechtliche Angelegenheit ist – nicht der Wertgrenze des § 61 Absatz 1 FamFG (BGH, Beschluss vom 25.09.2013 – XII ZB 464/12, FamRZ 2013, 1876).

    In der Sache war auf die Beschwerde die Kostenentscheidung wie in der Beschlussformel ersichtlich zu treffen und darin insbesondere zu berücksichtigen, dass die Kindesväter jeweils nur bezüglich eines Kindes beteiligt waren.

    Der Maßstab für die zu treffende Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszugs ergibt sich aus § 81 FamFG. Nach § 81 Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG kann das Gericht die Kosten eines Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Kostenentscheidung unterliegt einer vollen Überprüfung durch das Beschwerdegericht, d.h. das Beschwerdegericht ist im Rahmen der von ihm zu treffenden Beschwerdeentscheidung nicht auf die bloße Überprüfung auf etwaige Ermessensfehler beschränkt, sondern zur eigenen Ermessensausübung berechtigt und verpflichtet (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.12.2019, FamRZ 2020, 1109, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 12.10.2016 – XII ZB 372/16, FamRZ 2017, 97 zu § 18 Abs. 1 VersAusglG).

    Ob und in welchem Umfang eine Kostenentscheidung der Billigkeit entspricht, ist nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden (Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Auflage 2020, § 81 Rn. 11). In Umgangsrechtsstreitigkeiten nach § 1684 BGB und § 1685 BGB (ebenso wie in Sorgerechtsstreitigkeiten nach § 1671 BGB) entspricht es regelmäßig der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen den Beteiligten zu teilen und die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen (OLG Köln, Beschluss vom 01.04.2016 – 10 UF 81/15, FamRZ 2017, 383; OLG Naumburg, Beschluss vom 09.08.2013 – 8 WF 168/13, FamRZ 2014, 687).

    Ein Regelbeispiel nach § 81 Abs. 2 FamFG, nach der den Großeltern die gesamten Verfahrenskosten auferlegt werden könnten, liegt hier nicht vor. Insbesondere findet § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG (von vornherein fehlende Erfolgsaussicht eines Antrags des Beteiligten, was dieser erkennen musste) vorliegend keine Anwendung, weil diese Vorschrift nur in Antragsverfahren gilt (Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Auflage 2020, § 81 Rn. 23). Umgangsverfahren, auch solche nach § 1685 BGB, sind aber Amtsverfahren (BGH, Beschluss vom 12.7.2017 – XII ZB 350/16, FamRZ 2017, 1668, Rn. 36).

    Daher waren die Gerichtskosten zwischen allen Beteiligten zu teilen. Im Rahmen dieser Beteiligung an der Kostenquote waren – nach tatsächlicher Beteiligung des im erstinstanzlichen Verfahren fälschlich nicht beteiligten Kindesvaters von … – die Verwandtschaftsverhältnisse zu berücksichtigen, so dass die Kindesväter nicht mit einem Viertel, sondern der Hälfte davon bei der Kostentragung zu berücksichtigen waren.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG und berücksichtigt, dass die Beschwerde schon aufgrund des Fehlers des Amtsgerichts durch die Nichtbeteiligung des Beteiligten zu 7. erforderlich wurde, weshalb es angemessen erscheint, von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen.

    Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf § 40 FamGKG.

    Dr. Römer Dr. von Pückler Köhler