OLG Frankfurt vom 20.02.2019 (8 UF 171/18)

Stichworte: Morgengabe, türkisches Recht
Normenkette: EGBGB 14; BGB 288, 291; FamFG 113 Abs. 1 S. 2
Orientierungssatz:
  • Das Rechtsverhältnis der Ehegatten über die Vereinbarung einer Morgengabe (türkisch:mihri mueccel) unterliegt türkischem Sachrecht, wenn beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung türkische Staatsangehörige waren und einer von ihnen es noch ist.
  • Nach türkischen Sachrecht handelt es sich bei einer solchen Vereinbarung um einen formfrei abschließbaren Schenkungsvertrag (Anschluss an OLG Nürnberg Beschluss vom 25. Januar 2001 – 7 WF 3677/00 –, juris).
  • 61 F 1113/16
    AG Hanau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat das Oberlandesgericht – 8. Senat für Familiensachen – Frankfurt am Main

    durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2019 beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 04.09.2018 wird der am 31.08.2018 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hanau abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    Dem Antragsgegner wird geboten, an die Antragstellerin Euro 2.000,01 zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

    Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin 1/3 und der Antragsgegner 2/3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

    Beschwerdewert: € 2.000,01

    Gründe:

    Wegen der festgestellten Tatsachen nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung sowie die heutige Beweisaufnahme.

    Gemessen hieran erweist sich die zulässige, §§ 58 ff., 117 FamFG, Beschwerde der Antragstellerin als (überwiegend) begründet.

    Auf das Rechtsverhältnis der Beteiligten, aus dem die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch von (noch) € 2.000,01 herleitet, findet durchgängig türkisches Recht Anwendung, Art. 14 I 1 Nr. 1 EGBGB, weil die Beteiligten zurzeit der Vereinbarung am 04.08.2010 jeweils türkische Staatsangehörige waren und die Antragstellerin auch heute noch diese Staatsangehörigkeit besitzt (vergl. BGH NJW 2010, 1528; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05. August 2016 – 4 UF 288/15 –, juris), infolge dessen der Anspruch schenkungsrechtlich zu qualifizieren ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Januar 2001 – 7 WF 3677/00 –, juris).

    Denn es gilt insoweit Folgendes:

    „…Nach dem türkischen materiellen Recht … sind die Ehegatten befugt, Rechtsgeschäfte miteinander einzugehen. Sie können eine Morgengabe (Mehir) rechtswirksam vereinbaren (vgl. Öztan, FamRZ 1998, 625, unter Berufung auf den türk. Kassationshof). Beide Ehegatten wissen in der Regel, daß es nach türkischem Eheschließungsrecht der Vereinbarung eines "Mehir" nicht (mehr) bedarf. Wenn sie eine Morgengabe gleichwohl vereinbaren, ist dies i. d. R. als ein Schenkungsversprechen auszulegen, das der andere Ehegatte annimmt. Nach türkischem Recht genügt hierfür eine schriftliche Vereinbarung ohne notarielle Beurkundung (vgl. Öztan, FamRZ 1998, 625). Auf die vom BGH (FamRZ 1987, 463, 465) erörterte Problematik der Formbedürftigkeit eines Ehevertrages nach deutschem Recht (§ 1410 BGB) bzw. eines Schenkungsversprechens nach § 518 BGB braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Wirksamkeit der vorliegenden Vereinbarung über eine Morgengabe (Mehir) nach türkischem Recht zu beUrteilen ist (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB)…“, vergl. OLG Nürnberg a.a.O.

    Als eine solche stellt sich die Vereinbarung der Beteiligten vom 04.08.2010 dar, weil sie von ihnen unstreitig anlässlich ihrer stattgefundenen religiösen Eheschließungszeremonie getroffen wurde. Konkrete Einwände gegen das Entstehen eines Anspruchs hieraus sind damit nicht erkennbar, zumal sich auch der Antragsgegner im Umfang von TL 2.000,00 – vorbehaltlich einer Erfüllung – für verpflichtet erachtete.

    Nach der durchgeführten Beweisaufnahme vom heutigen Tage steht dabei zur Überzeugung des Senats, §§ 113 I 2 FamFG, 286 ZPO, fest, dass die Beteiligten einen Betrag von € 2.000,01 vereinbarten. Dies ergibt sich vor allem aus der nachvollziehbaren Aussage des Zeugen ..., der als Imam ehedem auf das Zustandekommen einer Vereinbarung drang und diese hinsichtlich eines „Spitzenbetrages“ von € 0,01 im (duldenden) Einvernehmen mit den Beteiligten ergänzte. Zwar konnte er sich nicht an alle Einzelheiten erinnern (was aber nach ca. 8 Jahren und der Vielzahl der von ihm vorgenommenen religiösen Eheschließungen auch nicht verwundert), er konnte jedoch nachvollziehbar bekunden, dass eine Verständigung auf die Währungseinheit „€“ stattfand, weil dies aufgrund des Inlandsaufenthaltes der Beteiligten der Üblichkeit entspreche. Dies ist auch für den Senat ein überzeugender Aspekt. Im Übrigen nahm er nachvollziehbar Bezug auf seine erstinstanzlichen schriftlichen Angaben, die ebenfalls von einer Vereinbarung in „€“ sprachen. Demgegenüber haben die jeweiligen Familienmitglieder der Beteiligten weniger Gewicht, weil sie erkennbar „im Lager“ des jeweiligen Beteiligten stehen.

    Auch bei hinausgeschobener Fälligkeit (mihri mueccel) ist diese mittlerweile infolge der Ehescheidung der Beteiligten eingetreten.

    Für eine Erfüllung „ifa hareketi“ ist der Antragsgegner bereits darlegungsfällig geblieben; der Umstand, dass die Antragstellerin seitens seiner Verwandten bzw. von ihm Geld und Gold erhalten haben soll, sagt nichts darüber aus, dass damit genau hiesige Verpflichtung bedient werden sollte. Zu dieser konkreten Verknüpfung äußert sich der Antragsgegner überhaupt nicht.

    Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist der Antrag dagegen unbegründet, weil aufgrund des weiterhin anzuwendenden türkischen Rechtsstatuts die §§ 291, 288 BGB unanwendbar sind (vergl. MüKo-Ernst, § 291 BGB, Rz. 5 mw.w.N.). Zwar kennt das türkische Recht auch einen Verzugsschadenersatzanspruch, vergl. Art. 106 Türk. OGB, einen konkreten Schaden hat die Antragstellerin aber nicht dargelegt. Einen pauschalen Zinsschadenersatz kennt das türkische Recht nach Recherche des Senats indes nicht.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 I 2 FamFG, 91 I (Beschwerdeverfahren), 92 I, 269 ZPO (erste Instanz). Die Wertfestsetzung ergibt sich aus dem gestellten Antrag.

    Dr. Fritzsche