OLG Frankfurt vom 13.01.2020 (8 UF 167/19)

Stichworte: Ehebedingte Zuwendung; eheliche Lebensgemeinschaft; Parteiwille
Normenkette: FamFG 266; BGB 313; BGB 488; BGB 812
Orientierungssatz:
  • Eine Zuwendung unter Ehegatten ist kein eheneutrales Rechtsgeschäft, sondern eine ehebezogene Zuwendung, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde (Anschluss an BGH FamRZ 2006, 1022).
  • In der Regel ist davon auszugehen, dass Zuwendungen (auch) größerer Vermögenswerte unter Ehegatten keine "eheneutralen" Rechtsgeschäfte wie etwa Schenkungen oder Darlehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft dienende, ehebedingte Zuwendungen sind (Anschluss an BGH FamRZ 1990, 600; BGH FamRZ 1992, 293).
  • Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem Rechtsgeschäft und einer Zuwendung unter Ehegatten ist der Parteiwille. Bei der zur Ermittlung des Parteiwillens heranzuziehenden Auslegung des Parteiverhaltens muss im Rahmen einer bestehenden Ehe sorgfältig geprüft werden, ob nicht die Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft so sehr das Geschehen prägt, dass die Zuwendung unter Ehegatten vorrangig gegenüber einer anderen Einordnung ist (Anschluss an OLG Köln FamRZ 2000, 227).
  • Für eine Einordnung als eheneutrales Rechtsgeschäft, nicht als ehebedingte Zuwendung muss sich ein anderweitiger Rechtsbindungswille deutlich manifestieren (Anschluss an OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 297).
  • 64 F 1845/18 RI
    AG Hanau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Römer, Richterin am Amtsgericht (abg.) Neugber sowie Richter am Oberlandesgericht Köhler am 13.01.2020 beschlossen:

    Gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, von weiteren Verfahrensschritten abzusehen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und die Beschwerde zurückzuweisen.

    Schriftsätze können eingereicht werden bis zum 14.02.2020.

    Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf …

    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten, getrennt lebende Ehegatten, streiten um die Rückzahlung einer vor Trennung getätigten Überweisung der Antragstellerin auf das Konto des Antragsgegners.

    Die Beteiligten schlossen am 10.09.2009 ihre Ehe. Sie leben im gesetzlichen Güterstand, wobei dieser durch einen notariellen Vertrag vom 02.12.2009 modifiziert wurde, der im Wesentlichen das Betriebsvermögen des Antragsgegners und künftige Erwerbe von Dritten von Todes wegen oder aufgrund Schenkung vom Zugewinnausgleich ausnimmt. Zu der Frage eines Auskunftsanspruchs der hiesigen Antragstellerin zum Betriebsvermögen des Antragsgegners ist vor dem Senat ein Verfahren zu Az. 8 UF 115/19 rechtshängig. Der Antragsgegner ist als selbständiger Steuerberater tätig. In seiner Kanzlei war die Antragstellerin zeitweise auf 400-Euro-Basis beschäftigt. Am 13.10.2010 überwies die Antragstellerin dem Antragsgegner einen Betrag von 12.500,- Euro auf dessen Konto, welches in der Ehe zugleich als dessen Privat- und Geschäftskonto diente. Der Verwendungszweck dieser Überweisung war mit „Darlehen“ benannt. Von dem Geld wurde ein Fahrzeug Ford S Max angeschafft. Das Fahrzeug diente während der Ehe überwiegend als Auto der Familie. Es wurde als gewillkürtes Betriebsvermögen im Steuerberaterbüro des Antragsgegners geführt. Vor der Trennung hatte die Antragstellerin keine Rückzahlung eingefordert. Mittlerweile hat das Fahrzeug keinen wirtschaftlichen Wert mehr.

    Die Eheleute trennten sich im August 2016 zunächst innerhalb der Ehewohnung.

    Mit Schriftsatz vom 25.08.2016, Bl. 11 ff. d.A., kündigte die Antragstellerin an, dass der Betrag zu einem späteren Zeitpunkt vom Antragsgegner an die Antragstellerin zurückgewährt werden müsse.

    Mit vorgerichtlichem Schriftsatz vom 07.05.2018, Bl. 16 d.A., kündigte die Antragstellerin das „Darlehen“ und forderte den Antragsteller zur Rückzahlung bis zum 14.05.2018 auf.

    Sie meint, dass der dem Antragsgegner überwiesene Betrag als Darlehen zu bewerten sei, welches sie wirksam gekündigt habe, weshalb der Betrag zur Rückzahlung fällig sei. Selbst wenn es sich um kein Darlehen handeln würde, läge eine Zahlung ohne Rechtsgrund vor, weshalb sich eine Rückzahlungsverpflichtung aus Bereicherungsrecht ergäbe.

    Mit Antragsschriftsatz vom 07.12.2018 beantragte die Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin 12.500,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.

    Der Antragsgegner beantragt Zurückweisung des Antrags.

    Er meint, dass es sich nicht um ein Darlehen handelte, sondern die Beteiligten sich darüber einig waren, dass die Zahlung der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollte und es einen entsprechenden Rechtsbindungswillen für den Abschluss eines Darlehensvertrages nicht gegeben habe.

    Im Rahmen der informatorischen Anhörung der Beteiligten vor dem Amtsgericht erklärte die Antragstellerin, dass der Fahrzeugkauf ohne ihren Zahlungsbeitrag nicht möglich gewesen wäre, das Auto von Anfang an auf die Steuerkanzlei angemeldet war und wie beabsichtigt für die Kanzlei und privat genutzt wurde. Der Antragsgegner erklärte, dass er vor der Trennung für die Familie die Urlaube sowie die Anschaffungen für das Haus und die beiden Kinder finanziert habe. Es sei nie die Rede davon gewesen, dass das Geld als Darlehen gewährt werde oder in irgendeiner Form zurückgezahlt werden müsse. Es habe Einigkeit darüber geherrscht, dass keine Rückzahlung erfolgen solle, da er genug Geld in die Ehe eingebracht habe.

    Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Ein Darlehensvertrag sei weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen worden. Ein Anspruch der Antragstellerin wegen einer ehebedingten Zuwendung ergäbe sich auch nicht, da eine Anpassung der Geschäftsgrundlage wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgrund Fehlens einer Vermögensmehrung bzw. fehlender Untragbarkeit des Ergebnisses nicht gegeben sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

    Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 01.07.2019 zugestellt.

    Mit der am 17.07.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Begründung weiter.

    Sie beantragt:

    Unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Hanau vom 07.06.2019 zu Aktenzeichen 64 F 1845/18 RI wird der Antragsgegner verUrteilt, an die Antragstellerin € 12.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.

    Der Antragsgegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Beschwerde, §§ 117, 58 ff. FamFG, ohne erneute mündliche Verhandlung, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG, zurückzuweisen, da die Antragstellerin aus keiner möglichen Anspruchsgrundlage einen Rückzahlungsanspruch gegen den Antragsgegner hinsichtlich der überlassenen 12.500,- Euro hat.

    Im Einzelnen:

    Ein Darlehensvertrag im Sinne der §§ 488 ff. BGB liegt zwischen den Beteiligten nicht vor.

    Zuwendungen unter Eheleuten können rechtlich unterschiedlich zu qualifizieren sein, je nachdem, ob sie der Verfolgung eines bestimmten Geschäftszwecks oder der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen. Im ersten Fall handelt es sich um „eheneutrale“ Zuwendungen, deren rechtliche Einordnung den Regeln folgt, die die Eheleute als Basis für ihr Rechtsgeschäft vereinbart haben (MüKoBGB/Berger, 8. Auflage 2019, Vorbemerkung zu § 488 BGB, Rn. 38).

    Dienen dagegen Zahlungen eines Ehepartners nicht einem bestimmten Geschäftszweck, sondern der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft, so liegt eine ehebezogene Zuwendung vor (OLG Köln FamRZ 2000, 227). Eine Zuwendung unter Ehegatten ist kein eheneutrales Rechtsgeschäft, sondern ehebezogene Zuwendung, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde (BGH FamRZ 2006, 1022 [Leitsatz]). Unabhängig von der von den Parteien gewählten Bezeichnung – also selbst dann, wenn die Eheleute den Begriff „Darlehen“ verwenden – handelt es sich dann weder um einen Darlehens- noch um einen Schenkungsvertrag, sondern um ein ehebezogenes Rechtsgeschäft eigener Art (MüKoBGB/Berger, a.a.O., Rn. 39).

    Im Rahmen ihrer privatautonomen Gestaltungsmacht steht es Ehegatten frei, Darlehen oder Schenkungen untereinander zu vereinbaren (vgl. BGH NJW 1982, 1093 zur Schenkung).

    Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem Rechtsgeschäft und einer Zuwendung unter Ehegatten ist der Parteiwille (BGH FamRZ 1992, 293; BGH FamRZ 2008, 1404 [zur Feststellung des Parteiwillens bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft für den Abschluss eines Leihvertrages], MüKoBGB/Koch, 8. Auflage 2019, § 516 Rn. 63). In der Regel ist nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, jedoch davon auszugehen, dass Zuwendungen (auch) größerer Vermögenswerte unter Ehegatten keine „eheneutralen“ Rechtsgeschäfte wie etwa Schenkungen oder Darlehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft dienende, ehebedingte Zuwendungen sind (BGH FamRZ 1990, 600; BGH FamRZ 1992, 293; so auch OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 297; KG FamRZ 2010, 33; OLG Köln FamRZ 2000, 227; OLG Hamm NJW-RR 1993, 706; Staudinger/Freitag, BGB, Neubearbeitung 2015, § 488 BGB Rn. 63).

    Bei der zur Ermittlung des Parteiwillens heranzuziehenden Auslegung des Parteiverhaltens muss im Rahmen einer bestehenden Ehe sorgfältig geprüft werden, ob nicht die Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft so sehr das Geschehen prägt, dass die Zuwendung unter Ehegatten vorrangig gegenüber einer anderen Einordnung ist (OLG Köln FamRZ 2000, 227). Für eine Einordnung als eheneutrales Rechtsgeschäft, nicht als ehebedingte Zuwendung muss sich ein anderweitiger Rechtsbindungswille deutlich manifestieren (OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 297).

    Dass die Zuwendung unter Ehegatten der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollte, bedarf der tatrichterlichen Feststellung (BGH FamRZ 2006, 1022 [Leitsatz]).

    Für den Abschluss eines Darlehensvertrages spricht vorliegend einzig der als Indiz für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen heranzuziehende Verwendungszweck im Überweisungsträger (dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.01.2011 – 14 W 118/10 Rn. 9, juris; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 7. Auflage 2018, Rn. 901), auf dem „Darlehen“ als Bezeichnung gewählt wurde.

    Dieses Indiz ist vorliegend aber entkräftet, weil nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Ehegatten im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Amtsgericht vor der Trennung weder über eine Rückzahlung gesprochen noch diese Rückzahlung bis zur Trennung jemals eingefordert wurde. Insbesondere sollten die von der Antragstellerin überlassenen Geldmittel auch von vornherein für die Anschaffung eines überwiegend für die Familie gebrauchten Fahrzeugs genutzt werden und sie wurden so auch genutzt. Gerade diese geplante und vollzogene familiäre Nutzung des überlassenen Geldbetrages spricht dafür, die Zahlung nach den äußeren Umständen als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu werten, da die Antragstellerin tatsächlich auch am Vermögenswert und dessen familiärer Nutzung teilhatte.

    Dass das Fahrzeug steuerrechtlich – bei betrieblicher Nutzung von mehr als 10% auch steuerrechtlich zulässig, vgl. BFH NJW 2004, 319 – trotz überwiegender Privatnutzung als gewillkürtes Betriebsvermögen der Steuerberaterkanzlei behandelt wurde, ändert an der zivilrechtlichen Qualifizierung des Parteihandelns nichts.

    Auch aus anderen Rechtsgrundlagen als einem Darlehensvertrag kommt ein Rückforderungsanspruch der Antragstellerin nicht in Betracht.

    Grundsätzlich ist zwar auch eine Rückabwicklung einer ehebedingten Zuwendung denkbar. Jedoch ist der gesetzliche Zugewinnausgleich grundsätzlich vorrangig und verdrängt das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (BGH FamRZ 1991, 1169; Wever a.a.O., Rn. 950). Für diese Fälle kann auf § 313 BGB nur dann zurückgegriffen werden, wenn das güterrechtliche Ergebnis schlechthin unangemessen und untragbar wäre (BGH FamRZ 1997, 933), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass aufgrund der Modifizierung des Zugewinnausgleichs durch den notariellen Vertrag vom 02.12.2019 von dem milderen, im Rahmen der Gütertrennung anzuwendenden Maßstab der Unzumutbarkeit auszugehen wäre, müsste die Beibehaltung der durch die Zuwendung geschaffenen Vermögensverhältnisse unzumutbar sein (Wever a.a.O., Rn. 951). Auch dafür gibt es vorliegend aufgrund der Nutzung des Geldbetrages für die Anschaffung eines überwiegend familiär genutzten Fahrzeugs und der Tatsache, dass das Fahrzeug bei Antragstellung keinen wirtschaftlichen Wert mehr hatte, keine Anhaltspunkte.

    Schließlich kommt auch eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht in Betracht. Denn Rechtsgrund für ein Behaltendürfen des Antragsgegners – soweit eine Vermögensmehrung überhaupt noch vorhanden ist – ist die ehebedingte Zuwendung als familienrechtliches Rechtsinstitut eigener Art. Eine Rückabwicklung kommt nur wegen Zweckverfehlung nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB dann in Betracht, wenn es sich um einen wirtschaftlich bedeutsamen Gegenstand handelt, und bei der Zuwendung der Fortbestand der Ehe nicht bloß zur Rechtsgrundlage, sondern zu dem Gegenstand einer Zweckabrede geworden ist, was positive Kenntnis, nicht bloßes Kennenmüssen von der Zweckvorstellung des anderen Teils voraussetzt (Wever a.a.O., Rn. 1064, 1286). Eine derartige Zweckverfehlung lässt sich nur in den seltensten Fällen feststellen (Wever a.a.O., Rn. 1064). Im Übrigen ist hier zu berücksichtigen, dass eine Vermögensmehrung des Antragsgegners („etwas erlangt“ im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB) nicht mehr vorhanden ist.

    Der Antragstellerin wird nahegelegt, in der gesetzten Stellungnahmefrist ihre Beschwerde – auch aus Kostengründen, vgl. Nr. 1224 Nr. 1 KV FamGKG – zurückzunehmen. [Anm.: Die Beschwerde wurde zurückgenommen.]

    Dr. Römer Neugber Köhler