OLG Frankfurt vom 26.11.2021 (8 UF 159/21)

Stichworte: Beschwerdeberechtigung; Ehescheidung; Anhörung, persönliche; Verfahrensfehler; Rechtsbeeinträchtigung, materiellrechtlich
Normenkette: FamFG 59 Abs. 1; FamFG 117 Abs. 2 S. 1, ZPO 538 Abs. 2 Nr. 1; FamFG 128 Abs. 1
Orientierungssatz: Unterbleibt im Scheidungsverfahren entgegen § 128 Abs. 1 FamFG die persönliche Anhörung eines Ehegatten, ist er gleichwohl nur beschwerdeberechtigt, wenn er irgendwelche Anhaltspunkte vorträgt oder solche ersichtlich sind, welche gegen ein Scheitern der Ehe sprechen könnten (Anschluss an BGH, Beschluss vom 17.10.2018 – XII ZB 641/17, juris, Rn. 23 = FamRZ 2019, 229), selbst wenn dafür nicht unbedingt ein eindeutiges und vorbehaltloses Festhalten an der Ehe zu fordern ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 26.06.2013 – XII ZR 133/11 = FamRZ 2013, 1366).

542 F 36/21 S
AG Wiesbaden

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Römer, Richterin am Oberlandesgericht Dr. von Pückler sowie Richterin am Amtsgericht (abg.) Dr. Brümmer–Pauly am 26.11.2021 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragsgegners vom 06.08.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wiesbaden vom 08.07.2021 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdewert wird auf 6.231,30 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 08.07.2021, mit dem die Ehe der Beteiligten geschieden wurde.

Die Beteiligten, serbische Staatsangehörige, schlossen am 14.12.2016 die Ehe miteinander. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.09.2020, gerichtet an das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt, beantragte die Antragstellerin, die Ehe zu scheiden. Mit Schriftsatz vom 17.11.2020 zeigte Herr Rechtsanwalt … die Vertretung des Antragsgegners an und beantragte eine Verlängerung der Erwiderungsfrist bis zum 01.12.2020, die ihm auch gewährt wurde. Am 20.03.2021 bat er dann um Sachstandsmitteilung. Wegen örtlicher Unzuständigkeit verwies das Amtsgericht Frankfurt am 21.04.2021 auf entsprechenden Antrag des Antragstellervertreters das Verfahren an das Amtsgericht – Familiengericht – Wiesbaden.

Das Amtsgericht Wiesbaden bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag auf den 10.06.2021. Zu diesem Termin wurde der Antragsgegner ausweislich der Zustellungsurkunde unter seiner vormaligen – nicht mehr aktuellen – Anschrift geladen, obgleich in der Antragsschrift die aktuelle Anschrift mitgeteilt worden war. Zu dem Termin erschien lediglich die Antragstellerin mit ihrem Bevollmächtigten. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärte sie, dass die Trennung im Februar 2020 mit Auszug des Antragsgegners aus der gemeinsamen Wohnung erfolgt sei. Das Amtsgericht bestimmte einen Fortsetzungstermin, zu dem der Antragsgegner erneut unter der falschen Anschrift geladen wurde. Zu dem Termin am 08.07.2021 erschien lediglich der Antragstellervertreter. Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Amtsgericht die Ehescheidung der Beteiligten aus. Der Beschluss wurde dem Antragsgegnervertreter am 23.07.2021 zugestellt. Mit am 06.08.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Er begründet diese damit, dass er zu dem Termin zur Verhandlung über den Scheidungsantrag nicht „ordentlich“ geladen worden sei. Er mache mithin auch die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend. Einen ausdrücklichen Antrag hat der Antragsgegner nicht gestellt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Beschwerde für rechtsmissbräuchlich. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners habe sich nicht nach dem Verfahrensstand erkundigt. Die Ladung zu den Terminen sei auch an ihn erfolgt; offensichtlich solle das Verfahren verzögert werden.

Mit Beschluss vom 15.09.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass mangels Beschwerdeberechtigung Bedenken an der Zulässigkeit der Beschwerde bestünden. Mit weiterem Beschluss vom 29.10.2021 hat der Senat erneut auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hingewiesen, nachdem der Antragsgegner keine Anhaltspunkte vorgetragen habe, aus denen sich eine Aussicht auf Fortführung der Ehe ergeben könnte. Zugleich hat der Senat eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und unter Absehen von weiteren Verfahrenshandlungen angekündigt.

Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde war gemäß §§ 117 Abs. 1 FamFG, 522 Abs. 1 ZPO mangels Beschwerdeberechtigung des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen.

Gemäß § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde grundsätzlich demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung erfordert einen unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers, indem der Beschluss das Recht aufhebt, beschränkt, mindert oder gefährdet, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (BGH, Beschluss vom 08.10.2014 – XII ZB 406/13, juris, Rn. 14 = FamRZ 2015, 42). In Ehesachen bedarf es zwar einer solchen formellen Beschwer nicht, wenn der Beschwerdeführer sich gegen die Scheidung wendet und mit seinem Rechtsmittel die Aufrechterhaltung der Ehe anstrebt (Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 59 FamFG, Rn. 14). So ist sowohl der antragstellende Ehegatte, als auch der Ehegatte, welcher der Scheidung zugestimmt hat, grundsätzlich beschwerdeberechtigt, sofern jeweils die Aufrechterhaltung der Ehe eindeutig und vorbehaltlos verfolgt wird (BGH, Urteil vom 26.06.2013 – XII ZR 133/11, juris, Rn. 11 = FamRZ 2013, 1366).

Wird aber ausschließlich die Verletzung von Verfahrensrechten durch das erstinstanzliche Gericht geltend gemacht, nämlich wie hier die unterlassene Anhörung des Antragsgegners nach § 128 Abs. 1 FamFG, genügt dies allein nicht für eine Beschwerdeberechtigung. Vielmehr ist erforderlich, dass es ohne den Verfahrensverstoß zu einer für den Beschwerdeführer in materiellrechtlicher Hinsicht günstigeren Entscheidung hätte kommen können (BGH, Beschluss vom 17.10.2018 – XII ZB 641/17, juris, Rn. 23 = FamRZ 2019, 229). Solange eine verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Entscheidung den Beteiligten nicht in seiner materiellen Rechtsstellung treffen kann, ist eine Rechtsbeeinträchtigung durch den Verfahrensverstoß ausgeschlossen. Dies gilt auch bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 59, Rn. 7).

Das Vorliegen einer solchen Rechtsbeeinträchtigung ist nicht ersichtlich. Zwar liegt dadurch, dass der Antragsgegner durch das Amtsgericht nicht persönlich angehört worden ist, ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i. V. m. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor (Lugani in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 128, Rn. 5 m. w. N.). Gemäß § 128 Abs. 1 FamFG soll das Gericht die Ehegatten zur Ehescheidung persönlich anhören. Diese Anhörung dient nicht nur der Aufklärung des Sachverhalts, sondern soll auch sicherstellen, dass über Ehesachen als höchstpersönliche Angelegenheiten nicht entschieden wird, ohne dass sich die Ehegatten persönlich dazu äußern. Die Anhörung dient insbesondere dazu, dass der Familienrichter sich vom Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen im Rahmen der persönlichen Anhörung der Beteiligten überzeugen kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.11.2020 – 8 WF 49/99, juris Rn. 8, 10 = FamRZ 2001, 695). Sie soll dem Richter auch ermöglichen, den Ehegatten die Tragweite des Ehescheidungsverfahrens deutlich zu machen, und gegebenenfalls auf eine Aussöhnung oder gütliche Einigung hinzuwirken.

Zu einer dadurch erfolgten Verletzung seiner materiellen Rechtsstellung hat der Beschwerdeführer jedoch auch auf Hinweis des Senats nicht vorgetragen. Aus seinem Vortrag ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, welche gegen ein Scheitern der Ehe im Sinne der §§ 1565 ff. BGB sprechen könnten. Insbesondere wendet der Antragsgegner sich weder gegen die Angabe der Antragstellerin, wonach die Trennung im Februar 2020 erfolgt sei und seitdem praktisch kein Kontakt mehr bestehe, noch gegen den Vortrag, wonach er im Rahmen des Gewaltschutzverfahrens vor dem Amtsgericht erklärt habe, geschieden werden zu wollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, nachdem das Rechtsmittel des Beschwerdeführers erfolglos blieb.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 43 FamGKG folgt den Feststellungen des Amtsgerichts zu den Einkommensverhältnissen, die von den Beteiligten nicht angegriffen worden sind.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Dr. Römer Dr. von Pückler Dr. Brümmer-Pauly