OLG Frankfurt vom 08.10.2019 (8 UF 137/19)

Stichworte: Abstammung; Vaterschaft; Putativvater; Zuständigkeit, internationale; gewöhnlicher Aufenthalt; Verfahrensfähigkeit
Normenkette: FamFG 9; FamFG 69 Abs. 1 S. 2; FamFG 100 Nr. 2; FamFG 170
Orientierungssatz: Unter „Vater“ im Sinne des § 100 Nr. 2 FamFG ist auch der Mann zu verstehen, dessen Vaterschaft in dem beantragten Verfahren erst noch festgestellt werden soll.

476 F 22208/18
AG Frankfurt/Main

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache betreffend die Abstammung

hat das Oberlandesgericht, 8. Senat für Familiensachen, Frankfurt am Main am 8. Oktober 2019 beschlossen:

Auf die Beschwerde vom 24.06.2019 wird der am 20.05.2019 auf die dortige Geschäftsstelle gelangte Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt am Main, Az. 476 F 22208/18 AB, mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Familiengericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: € 2.000,00

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde am … .08.2017 von der Beteiligten zu 3) geboren, beantragte mit dem Vortrag, der Beteiligte zu 2) habe der Beteiligten zu 3) zwischen dem 26.11. und 01.12.2016 mehrfach beigewohnt, die Feststellung der Vaterschaft des Beteiligten zu 2) zu ihm. Der Beteiligte zu 2) hat(te) während des bisherigen Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankfurt am Main.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Familiengericht den Antrag zurück mit der Begründung, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei für den Antrag nicht gegeben. Nach Zustellung dieser Entscheidung an den Antragsteller am 22.05.2019 richtet sich hiergegen seine am 24.06.2019 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der er seinen Antrag fortverfolgt.

II.

Auf die zulässige Beschwerde des Antragstellers, §§ 58 ff. FamFG, war der angefochtene Beschluss mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und selbiges zu weiteren Veranlassung durch das Familiengericht an dieses zurückzuverweisen, § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG, weil die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist und das Familiengericht noch nicht in der Sache entschieden hat.

Im Einzelnen:

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere die Frist der § 63 Abs. 1, 3, § 64 FamFG gewahrt; im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Antragsteller am 22.05.2019 lief die Monatsfrist am Montag, den 24.06.2019, 24.00 Uhr, ab. Denn dieser Montag war der nächste Werktag, der auf den auf einen Sonnabend fallenden Ablauftag der Monatsfrist am 22.06.2019 folgte, §§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 2 ZPO.

Der Antragsteller, der selbst aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht verfahrensfähig ist, vergl. § 9 FamFG i. V. m. Art. 16, 17 KSÜ und Art. 154 CC-Spanien, wird durch die alleinsorgeberechtigte Mutter und Beteiligte zu 3) vertreten, Art. 16, 17 KSÜ i. V. m. Art. 162 CC-Spanien; dabei ist spanisches Sorgerecht deswegen zur Anwendung berufen, weil der Antragsteller dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zugleich ist eine Vaterschaft eines Mannes nicht festgestellt, wie sich aus der vorgelegten und für den Antragsteller ausgestellten Geburtsurkunde ergibt; damit bleibt es beim alleinigen Sorgerecht der Mutter.

Der Antragsteller ist auch beschwert, § 59 Abs. 1 FamFG, weil durch die angefochtene Entscheidung sein Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft (des Beteiligten zu 2)), Art. 19 EGBGB i. V. m. § 1600d BGB, negativ beschieden wurde.

Die Beschwerde ist auch (vorläufig) begründet, weil die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die sich aus § 100 FamFG ergibt, gegeben ist. Danach ist es ausreichend, dass der Vater seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, § 100 Nr. 2 FamFG. Unter Vater ist dabei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch der Mann zu verstehen, dessen Vaterschaft in dem beantragten Verfahren erst noch festgestellt werden soll. Für ein zu begründendes Statusverhältnis ist der Putativvater als Vater i. S. d. § 100 FamFG anzusehen (Heilmann/Grün, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 100 Rn. 4; MüKoFamFG/Rauscher, § 100 Rn. 10; vergl. auch BGH, Beschluss vom 24.08.2016, XII ZB 351/15, Rn. 8). Dies ergibt sich auch aus dem Willen des Gesetzgebers. Denn mit der Änderung des Wortlauts durch Überführung von § 640a ZPO a. F. in § 170 bzw. § 100 FamFG war eine inhaltliche Änderung der Vorschrift nicht beabsichtigt, sondern nur eine „straffere und damit klarere Formulierung“ (BT-Drs. 16/6308, S. 244). Vor Inkrafttreten des FamFG lautete die Vorschrift zur Zuständigkeit in Abstammungsverfahren in den hier relevanten Passagen: „Haben das Kind und die Mutter im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der Wohnsitz oder bei Fehlen eines inländischen Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt des Mannes maßgebend“ (§ 640a Abs. 1 S. 3 ZPO a. F.) bzw. „Die deutschen Gerichte sind zuständig, wenn eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat“ (§ 640a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO a. F.). Aus der Vorgängerregelung ergibt sich (mit der Formulierung „Mann“ deutlicher als nach der geltenden Regelung), dass von der aktuellen Formulierung „Vater“ nicht nur der rechtliche Vater, sondern auch der Putativvater erfasst sein soll.

Vorliegend geht es um die Feststellung der Vaterschaft des Beteiligten zu 2) zum Antragsteller; der Beteiligte zu 2) hat auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, d.h. in Frankfurt am Main.

Da das Familiengericht noch nicht in der Sache entschieden hat, sieht es der Senat als ermessensgerecht an, nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG zu verfahren.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40, 47 Abs. 1 Var. 1 FamGKG.

Dr. Römer Köhler Dr. Fritzsche