OLG Frankfurt vom 28.04.2021 (8 UF 113/20)

Stichworte: Kindesunterhalt; Leistungsfähigkeit; Verluste; Erwerbstätigkeit, Liebhaberei, unwirtschaftlich; Erwerbsobliegenheit; Jugendamtsurkunde; Verfahrenswert
Normenkette: BGB 1603 Abs. 1; BGB 1603 Abs. 2; BGB 1610; ZPO 308; FamGKG 51
Orientierungssatz:
  • Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des Kindesunterhalts sind Verluste aus einer selbständigen Nebentätigkeit nicht zu berücksichtigen, wenn deren Fortführung unvernünftig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mindestunterhalt gesichert ist und deshalb keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit mehr besteht.
  • 530 F 12/19
    AG Wiesbaden

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … nach vorherigem Hinweis ohne weitere Verfahrensschritte gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.04.2021 am 28.04.2021 beschlossen:

    Die Beschwerde des Antragsgegners vom 29.06.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 28.05.2020 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

    Der Beschwerdewert wird auf 1.334,- Euro festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten streiten um den Kindesunterhalt für die Antragstellerinnen zu 1) und 2), die seit der Trennung der Eltern 2016 bei der Mutter leben. Die Kindeseltern sind seit März 2018 rechtskräftig geschieden.

    Der Antragsgegner hat für die beiden Kinder in der Vergangenheit durchgehend den Mindestunterhalt bezahlt. Die Antragstellerinnen haben den Antragsgegner zunächst mit Schreiben vom 18.04.2018 zur Auskunft aufgefordert. Sie haben ihn sodann im vorliegenden Verfahren mit am 17.01.2019 eingegangenem Antrag zunächst im Wege des Stufenantrags auf Auskunft sowie auf Zahlung des sich hieraus ergebenden Betrages ab 01.04.2018 in Anspruch genommen.

    Mit nach Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens erstellten Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 (Bl. 131 f. d.A.) hat sich der Antragsgegner hinsichtlich beider Kinder zunächst ab dem 01.05.2019 auch förmlich zur Zahlung jeweils von 100% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Mit Jugendamtsurkunden vom 13.03.2020 (Bl. 262 f. d.A.) hat er sich sodann ab dem 01.01.2020 zu einem Kindesunterhalt von jeweils 105% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Er hat jeweils auch Zahlungen in der entsprechenden Höhe geleistet.

    Die Antragstellerinnen hatten zunächst mit Schriftsatz vom 11.06.2019 in der Zahlungsstufe beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 zur Zahlung von Kindesunterhalt an beide Antragstellerinnen in Höhe von 110% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe zu verpflichten.

    Letztlich haben die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache in Höhe der sich aus den Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 und 13.03.2020 ergebenden Zahlungsverpflichtungen des Antragsgegners für erledigt erklärt.

    Der Antragsgegner ist zum einen beim X angestellt beschäftigt. Diese Tätigkeit hat er während der Ehe von 50% aus aufgestockt und nach der Trennung schließlich ab April 2017 auf 80% ausgeweitet. Aus der Verdienstabrechnung für Dezember 2018 (Bl. 58 d.A.) ergibt sich ein Jahresbruttoeinkommen von 61.734,05 EUR und abzüglich der aufgeführten Abzüge ein Jahresnettoeinkommen von 40.197,99 EUR. Für das Jahr 2019 hat der Antragsgegner selbst in einer von seinem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegten Anlage (Bl. 251) sein Jahresbruttoeinkommen mit 71.344 EUR und das Jahresnettoeinkommen mit 43.254 EUR angegeben.

    Ihm entstehen berufsbedingte Aufwendungen und er zahlt auf einen Kredit monatlich 199 EUR. Bis Ende Dezember 2019 hat er zudem an seinen Bruder einen Kredit mit monatlichen Raten von 318,75 EUR zurückgezahlt. Weiter zahlt er auf eine kapitalbildende Lebensversicherung als Altersvorsorge monatlich 623,39 EUR und für seine 2-Zimmer-Wohnung eine Warmmiete von 507 EUR.

    Neben seiner angestellten Tätigkeit ist der Antragsgegner selbständig und betreibt seit mittlerweile rund 25 Jahren ein Tonstudio und einen Vertrieb von Tontechnik. Mit dieser selbständigen Tätigkeit hat er bereits während der Ehezeit seit 2011 und auch nach der Trennung bis einschließlich 2019 mit Ausnahme der Jahre 2014 und 2016 stets Verluste erzielt. Auf die vom Antragsgegner gefertigte Aufstellung (Bl. 150 d.A.) sowie die Steuerbescheide der Beteiligten von 2011 bis 2014 (Bl. 104 ff. d.A.) wird verwiesen. In diesen findet sich jeweils ein Vorbehalt des Finanzamts, dass die Festsetzung vorläufig sei, da die Gewinnerzielungsabsicht des Antragsgegners nicht abschließend beUrteilt werden könne.

    Die Antragstellerinnen haben zunächst die Auffassung vertreten, der Antragsgegner sei verpflichtet, seine selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine Vollzeittätigkeit in angestellter Beschäftigung einzugehen. Der Antragsgegner habe durchgehend Verluste erlitten und das Finanzamt habe den Betrieb des Tonstudios als „Liebhaberei“ eingestuft. Im weiteren Verlauf legen die Antragstellerinnen die Einkünfte des Antragsgegners aus seiner angestellten Tätigkeit nur im Umfang der 80%-Stelle zugrunde, sehen aber die Verluste aus der selbständigen Tätigkeit nicht als abzugsfähig an. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Schriftsätze vom 11.06.2019 und 26.08.2019 nebst Anlagen Bezug genommen. Die Antragstellerinnen gehen im Ergebnis durchgängig von einem Anspruch auf Kindesunterhalt in Höhe von 110% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe aus.

    Die Antragstellerinnen haben letztlich in der ersten Instanz beantragt,

    den Antragsgegner zu verpflichten,

    - über die bereits durch die Jugendamtsurkunde vom 24.04.2019 anerkannten 100% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe hinaus bis zum 31.12.2019 weitere 10% monatlich als Unterhalt zu zahlen,

    - ab 01.01.2020 über die bereits durch Jugendamtsurkunde vom 13.03.2020 anerkannten 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe hinaus weitere 5% monatlich an Unterhalt zu zahlen,

    - eine Nachzahlung der Unterhaltsdifferenz für den Zeitraum von April 2018 bis November 2019 zwischen 100% und 110% des Mindestunterhalts vorzunehmen, nämlich für M1 in Höhe von 480 EUR (24 EUR monatlich) und für M2 in Höhe von 411 EUR (9 x 20 EUR und 11 x 21 EUR).

    Der Antragsgegner hat beantragt,

    die Anträge zurückzuweisen.

    Der Antragsgegner behauptet, eine Ausweitung seiner Tätigkeit beim X komme nicht in Betracht. Er hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Mietzahlungen sei der Selbstbehalt zu erhöhen. Ziel der selbständigen Tätigkeit sei die Gewinnerzielung. Es habe allerdings einen Einbruch im Zuge der Trennung und der Aufstockung seiner angestellten Tätigkeit gegeben. Im Übrigen hätten sich die negativen Ergebnisse aufgrund von Investitionen in das Unternehmen und Werbemaßnahmen ergeben. Von seinem Einkommen sei ein monatlicher Verlustbetrag von 388 EUR, gerechnet aus einem Drei-Jahres-Schnitt, in Abzug zu bringen. Andernfalls werde ihm in nicht gerechtfertigter Weise ein fiktives Einkommen zugerechnet, obwohl er vollschichtig berufstätig sei, den Mindestunterhalt sicherstelle und die Einkommenssituation durch Ausweitung seiner Angestelltentätigkeit sogar verbessert habe.

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.05.2020 den Anträgen der Antragstellerinnen entsprochen und den Antragsgegner über die Jugendamtsurkunden hinaus für den Zeitraum ab 01.05.2019 bis 31.12.2019 zur Zahlung von weiteren 10% und für den Zeitraum ab 01.01.2020 von weiteren 5% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe verpflichtet. Es hat den Antragstellerinnen weiter für den Zeitraum von April 2018 bis einschließlich April 2019 einen Rückstand zugesprochen, und zwar der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 312 EUR und der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 264 EUR. Die Kosten wurden im vollem Umfang dem Antragsgegner auferlegt.

    Das Amtsgericht hat dabei davon abgesehen, dem Antragsgegner über die 80%-Tätigkeit hinaus ein fiktives Einkommen anzurechnen, hat aber die Verluste aus der selbständigen Tätigkeit nicht einkommensmindernd berücksichtigt.

    Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidung des Amtsgerichts wird auf Bl. 280 ff. d.A. verwiesen.

    Gegen den ihm am 08.06.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der am 29.6.2020 erhobenen und beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Die Beschwerde ist innerhalb der verlängerten Frist mit Schriftsatz vom 26.08.2020 begründet worden.

    Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss aufzuheben, soweit er zu einer Zahlung über 100% des Mindestunterhalts bis Ende 2019 und 105% des Mindestunterhalts ab 2020 hinaus sowie zur Zahlung von Rückständen für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.04.2019 verpflichtet wurde. Auf Bl. 300 d.A. wird wegen des genauen Wortlauts Bezug genommen.

    Der Antragsgegner beruft sich darauf, es liege ein Eingriff in die freie Berufswahl des Antragsgegners vor, der außerhalb der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht gerechtfertigt sei. Die selbständige Tätigkeit des Antragsgegners sei prägend für die Beziehung der Eltern und damit auch für die Lebensverhältnisse der Antragstellerinnen gewesen. Letztlich habe der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt während des gemeinsamen Zusammenlebens ein so hohes Einkommen erzielt wie derzeit.

    Die Antragstellerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

    Der Senat hat mit Beschluss vom 15.03.2021 gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, von weiteren Verfahrensschritten abzusehen und die Beschwerde zurückzuweisen.

    Der Antragsgegner hat in der gesetzten Frist Stellung genommen und vorgetragen, er habe auch im Jahr 2020 einen Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit in Höhe von 2.010 EUR erzielt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass in den folgenden Jahren keine Gewinnsteigerung zu erwarten sei.

    II.

    Die Beschwerde ist zulässig, §§ 58 ff., 117 FamFG, aber in vollem Umfang unbegründet.

    Den Antragstellerinnen steht für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Kindesunterhalt gem. §1601 ff. BGB in der vom Amtsgericht titulierten Höhe zu.

    Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Einstufung des Antragsgegners für den gesamten Zeitraum zumindest in der dritten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen, sodass der den Antragstellerinnen über die Jugendamtsurkunden und die vom Antragsgegner geleisteten Zahlungen hinaus zustehende Kindesunterhalt zutreffend mit der Differenz zu 110% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes berechnet worden ist.

    Hinsichtlich des Regelunterhalts bestimmt sich der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten nach seiner Lebensstellung, § 1610 Abs. 1 BGB. Da die Antragstellerinnen minderjährig sind, verfügen sie über keine eigene Lebensstellung, sondern leiten diese von ihren Eltern ab (vgl. von Pückler in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 1610 BGB, Rn. 3). Für die Bedarfsbemessung kommt es zwar grundsätzlich auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern an. In der Regel sind aber allein die Einkommensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils maßgeblich, weil dessen Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt ist, den er bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte (BGH, Beschluss vom 15. 07.2017 - XII ZB 201/16, Rn. 11-13, juris = FamRZ 2017, 711-713), weshalb nachfolgend zur Bedarfsbemessung des Unterhalts das Einkommen des Antragsgegners herangezogen wird.

    Dabei kann für die Bestimmung des unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Einkommens des Antragsgegners aus seiner angestellten Tätigkeit und die vorzunehmenden Abzüge auf die Berechnung des Amtsgerichts zurückgegriffen werden, die der Antragsgegner auch mit der Beschwerde nicht angreift.

    Aus dem Jahresnettoeinkommen des Antragsgegners im Jahr 2018 von 40.179,99 EUR ergibt sich das durchschnittliche Nettoeinkommen aus angestellter Tätigkeit von 3.349,83 EUR. Dies ist unstreitig um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 150 EUR, die Zahlungen auf den Kredit bei der Bank1 von 199 EUR und bis Dezember 2019 auch um die Zahlungen an den Bruder des Antragsgegners von monatlich 318,75 EUR zu bereinigen. Auch gegen den Ansatz eines auf die Altersvorsorge monatlich zusätzlich einsetzbaren Betrages von 239,32 EUR bestehen weder Bedenken noch werden vom Antragsgegner insoweit Einwendungen erhoben. Entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts ergibt dies ein bereinigtes Einkommen von monatlich 2.442,76 EUR, das sich mit dem Wegfall der Darlehensrückzahlung an den Bruder des Antragsgegners auf 2.761,51 EUR erhöht.

    Ob es im Jahr 2019 zu einer weiteren Erhöhung des Einkommens des Antragsgegners aus seiner angestellten Tätigkeit gekommen ist, wie sich aus der von diesem gefertigten Aufstellung ergibt, oder ob der Antragsgegner zu einer Ausdehnung seiner angestellten Tätigkeit über die 80%-Stelle hinaus verpflichtet gewesen wäre, kann dahinstehen, da die Antragstellerinnen weder einen über die Einkommensgruppe 3 hinausgehenden Unterhalt begehren noch die Feststellungen des Amtsgerichts insoweit angegriffen haben.

    Die Verluste des Antragsgegners aus seiner selbstständigen Tätigkeit sind aus den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

    Auch außerhalb der gesteigerten Erwerbsobliegenheit des § 1603 Abs. 2 BGB obliegt dem Unterhaltspflichtigen die Ausschöpfung seiner Leistungsfähigkeit auch bereits im Rahmen seiner allgemeinen Verpflichtung nach § 1603 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 09. November 2016 - XII ZB 227/15 -, Rn. 25, juris = FamRZ 2017, 109-112). Für den Unterhalt einsetzbar sind insoweit im Rahmen von § 1603 Abs. 1 BGB die erzielten bzw. erzielbaren Beträge, die den angemessenen eigenen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen (angemessener Selbstbehalt) übersteigen (BGH, a.a.O., Rn. 20, juris). Abzustellen ist damit nicht allein auf das tatsächlich erzielte Einkommen, sondern auch im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB auf die Beträge, die der Unterhaltspflichtige bei gutem Willen - aus Sicht eines objektiven Betrachters - erzielen könnte.

    Daraus folgt zwar nicht die durchgehende Verpflichtung, trotz Sicherung des Mindestunterhalts der Kinder das Einkommen immer weiter zu erhöhen, um den minderjährigen Kindern eine immer noch bessere Lebensstellung zu verschaffen (vgl. KG Beschluss vom 13. August 2010 - 3 WF 296/07 -, Rn. 5, juris = FamFR 2010, 420). Es besteht aber die Obliegenheit, vermeidbare, das für den Unterhalt einsetzbare Einkommen schmälernde Ausgaben zu unterlassen, soweit diese aus Sicht eines objektiven Betrachters unvernünftig sind.

    Dies trifft hier auf die Verluste des Antragsgegners aus seiner selbständigen Tätigkeit zu. Die sich aus den vorgelegten Aufstellungen ergebende Entwicklung des Betriebsergebnisses zeigt, dass - trotz der vom Antragsgegner behaupteten Gewinnerzielungsabsicht - ein solcher nachhaltig weder in den letzten zehn Jahren eingetreten noch zukünftig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, auch wenn der Antragsgegner im Jahr 2020 nun einen Gewinn erzielt haben sollte. Die für den Aufbau einer Selbständigkeit zuzubilligende „Anlaufphase“ ist hier deutlich überschritten. Regelmäßig ist für die steuerrechtliche Abgrenzung von Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal von gewerblichen Einkünften im Sinne des EStG zur nicht gewerblichen sogenannten „Liebhaberei“ ein Zeitraum von bis zu drei Jahren angemessen, innerhalb dessen sich die Nachhaltigkeit zeigen soll. Diese Grundsätze sind regelmäßig auch im Unterhaltsrecht zugrunde zu legen (vgl. AG Flensburg, Beschluss vom 05. Juli 2013 - 92 F 101/12 -, Rn. 25, juris). Vor diesem Hintergrund hat die Fortführung der Selbständigkeit des Antragsgegners hier keine wirtschaftlich aus objektiver Betrachtung nachvollziehbaren Gründe:. Die hieraus entstehenden Verluste können den Antragstellerinnen daher unterhaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden.

    Dies steht der Anrechnung eines fiktiven Einkommens nicht gleich. Es wird vorliegend allein auf das Einkommen des Antragstellers aus seiner 80%-Tätigkeit abgestellt. Von der Anrechnung eines fiktiven Einkommens aus einer möglichen vollschichtigen nichtselbständigen Tätigkeit hat das Amtsgericht - von den Antragstellerinnen nicht angegriffen - gerade abgesehen. Was der Antragsgegner in der restlichen Zeit tut, bleibt ihm überlassen. Genauso wenig wie aber Ausgaben für ein Hobby abzugsfähig wären, sind Verluste aus einer Tätigkeit unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, die aus objektiver Sicht mit Blick auf den Schnitt der vergangenen Jahre wirtschaftlich unvernünftig ist.

    Selbstverständlich bleibt es dem Antragsgegner freigestellt, die selbständige Tätigkeit gleichwohl weiterzuführen. Dass er aufgrund einer Einstufung in die dritte Einkommensgruppe statt in die zweite Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (was eine Differenz der Zahlbeträge pro Kind in der 3. Altersgruppe von derzeit 26,- EUR im Monat bedeutet) zu einer Aufgabe dieser Tätigkeit gezwungen und in der freien Berufswahl gehindert sein könnte, hält der Senat für nicht nachvollziehbar.

    Der Bedarf der Antragstellerinnen ergibt sich sodann aus der Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle nach dem bereinigten Einkommen des Antragsgegners. Die Düsseldorfer Tabelle ist dabei auf zwei Unterhaltsberechtigte ausgelegt. Der Antragsgegner wird soweit ersichtlich nur von den beiden Antragstellerinnen in Anspruch genommen.

    Das bereinigte Einkommen des Antragsgegners beläuft sich wie dargestellt auf 2.442,76 EUR bis Ende 2019 und 2.761,51 EUR ab 2020, sodass durchgehend eine Einstufung des Antragsgegners zumindest in die dritte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle, d.h. 110% des Mindestunterhalts, gerechtfertigt ist. Ab 2020 könnte sogar eine Einstufung in die vierte Einkommensgruppe vorgenommen werden, was aber den Antrag der Antragstellerinnen überstiege und daher gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 308 ZPO nicht zu berücksichtigen ist.

    Unter Abzug des hälftigen Kindergeldes ergeben sich durch die Eingruppierung in die dritte Einkommensgruppe grundsätzlich Zahlbeträge für die Antragstellerin zu 1) durchgehend nach der dritten Altersstufe von monatlich 417 EUR im Jahr 2018, 427 EUR im ersten Halbjahr 2019, 422 EUR im zweiten Halbjahr 2019, 445 EUR im Jahr 2020 und 471,50 EUR im Jahr 2021.

    Bei der Antragstellerin zu 2) ergeben sich zunächst nach der zweiten Altersstufe grundsätzlich Zahlbeträge von 342 EUR im Jahr 2018, 350 EUR im ersten Halbjahr 2019, 350 EUR im zweiten Halbjahr 2019, 345 EUR im zweiten Halbjahr 2019, 365 EUR im Jahr 2020 und 387,50 EUR im Jahr 2021 bis zum 12. Geburtstag des Kindes, hiernach nach der dritten Altersstufe 471,50 EUR.

    Der Antragsgegner ist insoweit auch unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts leistungsfähig, selbst wenn man diesen - entgegen den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts - unter Berücksichtigung der Mietkosten des Antragsgegners heraufsetzen sollte.

    Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerinnen in zulässiger Weise (vgl. hierzu Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO, Rn. 2) insoweit ausgelegt, dass die Antragstellerinnen ab Geltung der vom Antragsgegner errichteten Jugendamtsurkunden jeweils die Differenz zu 110% des Mindestunterhalts geltend machen, während nur für die Zeit davor - d.h. bis einschließlich April 2019 - der von den Antragstellerinnen errechnete und bezifferte Rückstand beansprucht wird. Diese Auslegung ist hier schon durch den zeitlichen Ablauf gerechtfertigt, da die Antragstellerinnen im Nachgang zur Geltendmachung eines bezifferten Rückstands bis November 2019 im Schriftsatz vom 11.11.2019 mit dem Schriftsatz vom 24.02.2020 ausdrücklich höhere monatliche Zahlbeträge über die Jugendamtsurkunde hinaus - und damit ab deren Gültigkeit ab Mai 2019 -geltend gemacht und damit ihre Anträge erweitert haben. Dass die Antragstellerinnen zum Verhältnis der Anträge hinsichtlich des Zeitraums von Mai 2019 bis November 2019 keine weiteren Ausführungen gemacht haben, ist vor diesem Hintergrund unschädlich.

    Dementsprechend hat das Amtsgericht zutreffend ausgesprochen, dass der Antragsgegner den Antragstellerinnen gegenüber verpflichtet ist, für den Zeitraum ab Mai 2019 bis Dezember 2019 über die von ihm erstellten Jugendamtsurkunden vom 24.04.2019 hinaus jeweils weitere 10% des Mindestunterhalts und für den Zeitraum ab Januar 2020 über die von ihm erstellten Jugendamtsurkunden vom 13.03.2020 hinaus jeweils weitere 5% des Mindestunterhalts zu zahlen.

    Für den Zeitraum von April 2018, ab dem der Antragsgegner gem. § 1613 BGB zur Zahlung von Rückständen verpflichtet ist, bis einschließlich April 2019 ist die Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 308 ZPO durch die gestellten Anträge und die diesen zugrundeliegende Berechnung der Antragstellerinnen begrenzt. Entsprechend der Anträge kann ein Betrag von monatlich 24 EUR für die Antragstellerin zu 1) und 9 x 20 EUR und 4 x 21 EUR für die Antragstellerin zu 2) angesetzt werden, was entsprechend der zutreffenden Berechnung des Amtsgerichts einen an die Antragstellerin zu 1) zu zahlenden Rückstand von 312 EUR und einen an die Antragstellerin zu 2) zu zahlenden Rückstand von 264 EUR ergibt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 69 Abs. 3, 243 S. 2 Nr. 1 FamFG.

    Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf §§ 55, 40, 51 FamGKG.

    Maßgeblich ist bei Unterhaltsansprüchen hinsichtlich der Frage laufender Unterhalt der Eingang des Antrags in der ersten Instanz (BGH, Beschluss vom 17.10.2007 - XII ZB 99/07, juris). Insoweit kommt es auch hinsichtlich der Rückstände nach § 51 Abs. 2 FamGKG nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeschrift an; es werden in allen Instanzen nur solche im Streit stehenden Unterhaltsrückstände werterhöhend berücksichtigt, die es bereits im ersten Rechtszug gewesen sind (vgl. Dürbeck in: BeckOK Streitwert, 35. Edition, Stand: 01.04.2021, Stichwort Familienrecht - Unterhaltsverfahren, Rn. 20). Geht der Unterhaltsberechtigte im Wege des Stufenantrags vor (§ 113 FamFG i.V.m. § 254 ZPO), richtet sich die Fälligkeit i.S.d. § 51 Abs. 2 FamGKG dabei nach dem Tag der Einreichung des Stufenantrags und nicht nach dem Tag, an dem der Leistungsantrag beziffert wird (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 13 WF 34/17 -, Rn. 3, juris = FamRZ 2017, 1079).

    Vorliegend ist der Stufenantrag am 17.01.2019 eingegangen, sodass nur die Monate April 2018 bis einschließlich Januar 2019 als Rückstand i.S.d. § 51 Abs. 2 FamGKG zu bewerten sind, und zwar im Beschwerdeverfahren nur in der Höhe in der sie noch im Streit stehen, d.h. in der von den Antragstellerinnen als Differenz zu den Zahlungen des Antragsgegners noch beanspruchten Beträge. Dies ergibt für den Rückstand einen Betrag von 10 x 24 EUR + 9 x 20 EUR + 1 x 21 EUR = 441 EUR. Für den laufenden Unterhalt i.S.d. § 51 Abs. 1 FamGKG ist auf die für die folgenden zwölf Monate noch geltend gemachten Beträge abzustellen, die sich jeweils wiederum auf die Differenz zwischen dem gezahlten und durch Jugendamtsurkunde anerkannten Betrag und den geforderten 110% des Mindestunterhalts belaufen. Dies ergibt für Februar bis April 2019 3 x 24 EUR + 3 x 21 EUR = 135 EUR, für Mai 2019 bis Dezember 2019 8 x 48 EUR + 8 x 41 EUR = 712 EUR und für Januar 2020 25 EUR + 21 EUR = 46 EUR, mithin einen Gesamtbetrag für den laufenden Unterhalt von 893 EUR. Insgesamt ist daher ein Beschwerdewert von 1.334 EUR zugrunde zu legen.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht gegeben sind.