OLG Frankfurt vom 22.08.2018 (8 UF 112/18)

Stichworte: Abgabe, Beschwerdeverfahren; wichtiger Grund
Normenkette: FamFG 4 Satz 1; FamFG 68 Abs. 3 Satz 1
Orientierungssatz:
  • Eine Abgabe gemäß § 4 S. 1 FamFG ist auch im Beschwerdeverfahren von Beschwerdegericht zu Beschwerdegericht zulässig, wenn ein wichtiger Grund zur Abgabe vorliegt und das andere Gericht sich zur Übernahme der Sache bereit erklärt hat.
  • 63 F 904/16
    AG Hanau

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang mit

    hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Römer, Richter am Oberlandesgericht Dr. Fritzsche sowie Richter am Oberlandesgericht Köhler am 22.08.2018 beschlossen:

    Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Karlsruhe abgegeben.

    Gründe:

    I.

    Im vorliegenden Verfahren geht es um den Umgang der leiblichen Eltern mit ihrem seit dem 23. Januar 2009 bei Pflegeeltern im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Donaueschingen lebenden Kind.

    Das Verfahren wurde von der Kindesmutter am 22.03.2016 angeregt, um die familiengerichtliche Billigung gemäß §156 Abs. 2 FamFG eines am 04.09.2013 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Hanau zu Az. 60 F 193/13 UG geschlossenen Vergleichs zu erreichen.

    Das Amtsgericht wies darauf hin, dass nach so langer Zeit eine familiengerichtliche Billigung ohne erneute Durchführung des Erkenntnisverfahrens zum Umgang mit dem Kind nicht möglich sei und verwies die Sache wegen Unzuständigkeit aufgrund des seit Jahren bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bei den Pflegeeltern an das Amtsgericht Donaueschingen.

    Das Amtsgericht Donaueschingen erklärte sich, da es von einem Verfahren auf familiengerichtliche Billigung nach § 156 Abs. 2 FamFG ausging, aufgrund der Zuständigkeit des Gerichts, vor dem der Vergleich geschlossen wurde, ebenfalls für unzuständig.

    Ohne eine Entscheidung des Oberlandesgerichts nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG herbeizuführen, führte das Amtsgericht Hanau das Umgangsverfahren durch und schloss mit dem von der Kindesmutter angefochtenen Beschluss vom 27. 04.2018 den Umgang der Kindeseltern bis zum 30.04.2019 aus.

    Parallel zu dem Umgangsverfahren vor dem Amtsgericht Hanau wurde vor dem Amtsgericht Donaueschingen zu Az. 2 F 154/16 ein Sorgerechtsverfahren bezüglich des Kindes geführt, welches am 28.03.2018 entschieden wurde. Danach wurde den Eltern die gesamte elterliche Sorge entzogen und Amtsvormundschaft angeordnet. Auch gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt, welche vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe zu Az. 5 UF 59/18 geführt wird.

    In beiden amtsgerichtlichen Verfahren wurde ein Gutachten durch die Sachverständige Frau …. eingeholt, wobei das Gutachten im Umgangsverfahren auf die Exploration und die Ergebnisse des Gutachtens im Sorgerechtsverfahren Bezug nimmt.

    Auf die schriftlichen Anfragen des Senats vom 02. bzw. 08.08.2018, die den Beteiligten jeweils zur Kenntnis übermittelt wurden, erklärte der 5. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit Schriftsatz vom 15.08 2018 die Bereitschaft zur Übernahme des Beschwerdeverfahrens.

    Die Kindesmutter sprach sich gegen eine Abgabe an das Oberlandesgericht Karlsruhe aus.

    II.

    Das Beschwerdeverfahren war gemäß §§ 68 Abs. 3 S. 1, 4 S. 1 FamFG an das Oberlandesgericht Karlsruhe abzugeben. Eine Abgabe konnte auch von Beschwerdegericht zu Beschwerdegericht erfolgen. Mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im dortigen Gerichtsbezirk sowie dem dort laufenden Beschwerdeverfahren liegt ein wichtiger Grund zur Abgabe vor und das OLG Karlsruhe hat sich zur Übernahme der Sache bereiterklärt.

    Im Einzelnen:

    Die Abgabe trotz fortbestehender Zuständigkeit des abgebenden Gerichts nach § 4 S. 1 FamFG soll eine Entscheidung desjenigen Gerichts ermöglichen, welches örtlich näher an der maßgeblich vom Verfahren betroffenen Person liegt (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/6380, S. 175).

    Entgegen einer Ansicht, wonach im Beschwerdeverfahren eine Abgabe nur an das erstinstanzliche Gericht, nicht aber an ein Gericht gleicher Instanz möglich sei (Keidel/Sternal, FamFG, 32. Auflage 2017, § 4 Rn. 10; MüKo FamFG/Pabst, 2. Auflage 2013, § 4 Rn. 39; OLG Bremen, FamRZ 2014, 1394), kann der Senat im Beschwerdeverfahren das Verfahren auch an ein Gericht gleicher Instanz abgeben. Denn die Verfahrensvorschriften des Verfahrens der ersten Instanz, wozu § 4 FamFG gehört, sind – soweit es keine beschwerderechtlichen Besonderheiten oder Sondervorschriften gibt – gemäß § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG auch auf das Beschwerdeverfahren anzuwenden.

    Auch in der Beschwerdeinstanz kann der der Vorschrift des § 4 S. 1 FamFG zugrunde liegende Regelungszweck gegeben sein (vgl. Musielak/Borth – Borth/Grandel, FamFG, 6. Auflage 2018, § 4 Rn. 8).

    Folgte man aber der Ansicht, dass eine Abgabe nur an das erstinstanzliche Gericht möglich ist, so könnte der Regelungszweck des § 4 FamFG in der Beschwerdeinstanz faktisch nur äußerst selten erreicht werden, da eine Abgabe an ein erstinstanzliches Gericht eine Aufhebung und Zurückverweisung voraussetzt, was nur unter den zusätzlichen besonderen Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 S. 2, S. 3 FamFG möglich ist. Die besonderen Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung sind aber bei einer reinen erstinstanzlichen örtlichen Unzuständigkeit (ohne sonstige Verfahrensfehler) nicht gegeben.

    Auch der BGH hatte sich bereits mit einer ähnlichen Fallgestaltung zu befassen, ohne dass er dabei von einer fehlenden Möglichkeit der Abgabe nach § 4 FamFG zwischen zwei Beschwerdegerichten ausging (vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2016 – XII ARZ 40/16, FamRZ 2017, 130).

    Ein wichtiger Grund nach § 4 S. 1 FamFG liegt vor.

    Ein wichtiger Grund kommt vor allem bei Verfahren in Kindschaftssachen in Betracht, bei denen der Personenbezug im Vordergrund steht (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 32. Auflage 2017, § 4 Rn. 12).

    Ein solcher wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn durch die Abgabe im Einzelfall unter Berücksichtigung des Wohls des durch das Verfahren maßgeblich Betroffenen ein Zustand geschaffen wird, der eine zweckmäßigere und leichtere Führung der Angelegenheit ermöglicht (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 32. Auflage 2017, § 4 Rn. 13 m.w.N.).

    Das Kind, die Pflegeeltern und das zuständige Jugendamt haben ihren Aufenthalt in dem Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Innerhalb der Verfahren ergeben sich aufgrund der Bezugnahmen der in beiden Verfahren erstinstanzlich eingeholten Gutachten Überschneidungspunkte. Mit einer Führung des Verfahrens vor dem OLG Karlsruhe würden dem Kind und den übrigen Beteiligten weite und ggf. mehrfache Reisen (Kindesanhörung, ggf. Senatstermin) zu verschiedenen Oberlandesgerichten erspart, weshalb eine Führung beider Beschwerdeverfahren vor dem OLG Karlsruhe zweckmäßiger und leichter für das Kind wäre als die Führung zweier voneinander getrennter Beschwerdeverfahren vor verschiedenen Oberlandesgerichten.

    Das OLG Karlsruhe hat sich auch zur Übernahme bereit erklärt.

    Die Beteiligten wurden angehört; eine Zustimmung ist nicht erforderlich (vgl. § 4 S. 2 FamFG).

    Eine Kostenentscheidung gibt es in Abgabeentscheidungen nicht; in der Endentscheidung des übernehmenden Gerichts wird einheitlich über die Kosten zu befinden sein (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 32. Auflage 2017, § 4 Rn. 42; Prütting/Helms – Prütting, FamFG, 4. Auflage 2018, § 4 Rn. 33).

    Dr. Römer Dr. Fritzsche Köhler