OLG Frankfurt vom 14.04.2022 (7 UF 184/21)

Stichworte: Abänderung; Gesetzliche Rentenversicherung; Bewertung; laufende Leistung; Leistungsphase; Beschwerderecht
Normenkette: VersAusglG 5 Abs. 2; VersAusglG 31; VersAusglG 39, 41; VersAusglG 51; FamFG 58, 59; FamFG 225 Abs. 3
Orientierungssatz: Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach §§ 51, 31 VersAusglG ist ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung, aus dem die versicherte Person bereits eine Vollrente wegen Alters bezogen hatte, auch dann wie ein in der Leistungsphase befindliches Anrecht nach § 41 VersAusglG zu bewerten, wenn daraus nach dem Tod der versicherten Person keine laufenden Leistungen (z.B. an versorgungsberechtigte Hinterbliebene) mehr erbracht werden.

31 F 614/20 VA
AG Kirchhain

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 7. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Lies-Benachib, den Richter am Oberlandesgericht Usdowski und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Recknagel beschlossen:

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kirchhain vom 23. November 2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Die weitere Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Altentscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer sog. Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.

Durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Korbach vom 1. April 1998 wurde die am 25. September 1978 geschlossene Ehe des Antragstellers mit der früheren Ehefrau auf den am 1. Oktober 1997 zugestellten Scheidungsantrag rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. In der gesetzlichen Ehezeit (1. September 1978 bis 30. September 1997) haben die früheren Ehegatten ausschließlich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Nach den im Scheidungsverfahren erteilten Versorgungsauskünften hatten der Antragsteller eine auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 903,71 DM und die frühere Ehefrau eine auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 281,78 DM erlangt. Das Amtsgericht übertrug im Wege des Rentensplittings monatliche und auf das Ende der Ehezeit am 30. September 1997 bezogene gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von 310,97 DM (hälftige Wertdifferenz der beiderseitigen Anwartschaften) vom Versicherungskonto des Antragstellers auf das Versicherungskonto der früheren Ehefrau.

Die im Jahr 1953 geborene frühere Ehefrau bezog später zunächst eine Erwerbsminderungsrente und sodann eine Vollrente wegen Alters. Sie verstarb am 2. Mai 2020, ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zu hinterlassen, und wurde von ihrer (aus der Ehe mit dem Antragsteller am 21. Oktober 1983 hervorgegangenen) Tochter beerbt. Der Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2019 eine Altersrente.

Mit seinem am 29. Oktober 2020 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt. Er beruft sich auf eine wesentliche Wertänderung des gesetzlichen Rentenanrechts seiner früheren Ehefrau und erstrebt mit Blick auf ihr Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs. Die vom Amtsgericht im Verfahren beteiligte Tochter des Antragstellers und der früheren Ehefrau (weitere Beteiligte zu 2) hat sich mit der beantragten Abänderung einverstanden erklärt.

Auf Aufforderung des Amtsgerichts hat die weitere Beteiligte zu 3 mit Auskunft vom 29. Dezember 2020 für das in der Leistungsphase befindliche Anrecht des Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Ehezeitanteil von 19,0545 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 9,5273 Entgeltpunkten (entspricht bezogen auf das Ende der Ehezeit einer Monatsrente von 231,13 €) mitgeteilt. Die weitere Beteiligte zu 1 hat für das Anrecht der früheren Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Schreiben vom 24. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass die zuvor gezahlte Altersrente infolge des Versterbens der Versicherten zum 31. Mai 2020 weggefallen sei, so dass der Ehezeitanteil nach § 39 VersAusglG aus einer fiktiven Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze zu ermitteln sei. Ob in der Vergangenheit bereits eine Versicherten- oder Hinterbliebenenrente gezahlt worden sei, spiele insoweit keine Rolle. Die Berechnung der fiktiven Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze nach § 39 VersAusglG, § 109 Abs. 6 SGB VI erfolge dabei stets unter Anwendung des im Zeitpunkt der Auskunftserteilung geltenden Rechts. In ihrer Auskunft vom 31. März 2021 hat die weitere Beteiligte zu 1 sodann mitgeteilt, dass das (Anwartschafts-)Anrecht einen Ehezeitanteil von 7,6915 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 3,8458 Entgeltpunkten (entspricht bezogen auf das Ende der Ehezeit einer Monatsrente von 93,28 €) aufweise. Diese Berechnung erfolgte unter Berücksichtigung der Höherbewertung der Kindererziehungszeiten vom 13. bis 30. Kalendermonat nach der Geburt gemäß §§ 56, 249 SGB VI (sog. Mütterrente I und II).

Das Amtsgericht hat – den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgreifend – der weiteren Beteiligten zu 1 daraufhin aufgegeben, eine neue Auskunft unter Berücksichtigung des tatsächlichen Renteneintritts der früheren Ehefrau zu erteilen, die Entgeltpunkte aufzuschlüsseln und den ersten Rentenbescheid beizufügen. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2021 hat die weitere Beteiligte zu 1 erneut darauf hingewiesen, dass mit dem Wegfall des Rentenanspruchs infolge des Versterbens der Versicherten auch der tatsächliche Leistungsanspruch aus dem Anrecht erloschen sei. Eine Bewertung des Anrechts nach § 41 VersAusglG auf der Grundlage der auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkte der tatsächlich bezogenen Altersrente sei insoweit nicht (mehr) möglich. Die angeforderte Auskunft werde in Kürze aber als fiktive Berechnung erstellt und übersandt. In ihrer Auskunft vom 13. Oktober 2021 hat die weitere Beteiligte zu 1 schließlich eine „fiktive Berechnung mit Zuschlag nach § 307d SGB VI auf der Grundlage der seinerzeit bezogenen Altersrente der verstorbenen Versicherten“ vorgelegt und erneut betont, dass ihre Auskunft vom 31. März 2021 weiterhin gültig sei. In der fiktiven Berechnung ist ausgeführt, dass der Altersrente im Rahmen eines dynamischen Besitzschutzes die höheren persönlichen Entgeltpunkte einer vorangegangenen Rente zugrunde gelegen hätten. Bei der Berechnung des Ehezeitanteils aus den Entgeltpunkten der gezahlten Rente sei deshalb von dem Bescheid der vorangegangenen Rente auszugehen. Unter Berücksichtigung der ehezeitlichen persönlichen Entgeltpunkte infolge der sog. Mütterrente I und II hat die weitere Beteiligte zu 1 als Ehezeitanteil des Anrechts 9,0361 Entgeltpunkte und als Ausgleichswert 4,5181 Entgeltpunkte (entspricht bezogen auf das Ende der Ehezeit einer Monatsrente von 109,59 €) angegeben.

Durch Beschluss vom 23. November 2011 hat das Amtsgericht das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Korbach vom 1. April 1998 dahingehend abgeändert, dass ein Versorgungsausgleich ab dem 1. November 2020 nicht stattfindet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Abänderungsantrag zulässig sei, weil infolge der sog. Mütterrente I und II eine wesentliche Wertänderung des Anrechts der früheren Ehefrau eingetreten sei (§ 51 Abs. 2 VersAusglG, 225 Abs. 2 und 3 FamFG). Dabei sei der Ehezeitanteil und Ausgleichswert aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln. In der Sache führe die Anwendung des § 31 VersAusglG dazu, dass der überlebende, im Ergebnis ausgleichspflichtige Antragsteller sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ungeteilt zurückerhalte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe:des amtsgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihr am 26. November 2021 zugestellten Beschluss wendet sich die weitere Beteiligte zu 1 mit ihrer am 21. Dezember 2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Sie macht geltend, dass infolge des Versterbens der früheren Ehefrau keine laufende Rente aus der Versicherung gezahlt werde, so dass sich das Anrecht in der Anwartschaftsphase befinde und daher nach § 39 VersAusglG zu bewerten sei. Die Erteilung einer Auskunft über ein Anrecht in der Leistungsphase komme nur dann in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Auskunftserteilung tatsächlich eine Leistung (d.h. eine Versicherten- oder Hinterbliebenenrente) aus dem auszugleichenden Anrecht erbracht werde. Dies ergebe sich aus sowohl dem Wortlaut des § 41 VersAusglG als auch aus der Gesetzesbegründung. Der gesetzlich fixierte Wegfall einer Rente stelle eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die nach § 5 Abs. 2 VersAusglG bei der Bestimmung des Ehezeitanteils Berücksichtigung finden müsse. Bei Zugrundelegung der Auskunft vom 31. März 2021 sei eine wesentliche Wertänderung des Anrechts der verstorbenen Versicherten nicht festzustellen und der Abänderungsantrag des Antragstellers daher zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung in der Sache. Er macht zudem geltend, dass die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 unzulässig sei, weil das Rechtsmittel nicht von den Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung gedeckt und somit vollmachtlos sowie missbräuchlich eingelegt worden sei. Nach deren eigenen Dienstanweisungen sei für die gesetzliche Rentenversicherung kein Beschwerdegrund gemäß den §§ 58, 59 FamFG gegeben, wenn lediglich die Wesentlichkeitsgrenzen als eine Grundlage für die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags vom Familiengericht nicht beachtet worden sind. Hierbei handele es sich um einen antizipierten Rechtsmittelverzicht der Deutschen Rentenversicherung, der eine Beschwerde zumindest auf Einrede, die vorsorglich erhoben werde, unzulässig mache.

Die weitere Beteiligte zu 1 hat hierzu ausgeführt, dass vorliegend nicht die Einhaltung der Wertgrenzen beanstandet werde. Vielmehr werde moniert, dass das Amtsgericht seiner Versorgungsausgleichsentscheidung einen nach Ansicht der weiteren Beteiligten zu 1 unzutreffenden Ausgleichswert zugrunde gelegt habe. Es werde um Zulassung der Rechtsbeschwerde gebeten, sofern der Senat dieser Rechtsauffassung zur Bewertung des Anrechts der verstorbenen Versicherten nicht folgen wolle.

Die Beteiligten wurden auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Beschwerde nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Erörterung zurückzuweisen und die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Reaktionen hierauf sind nicht erfolgt.

II.

1. Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde der nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigten weiteren Beteiligten zu 1 ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere stehen die Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung (im Folgenden: GRA) ihrer Zulässigkeit nicht entgegen.

a) Die unter http://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de abrufbaren GRA sehen in der mit „Wesentlichkeit der Wertänderung aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen nach der Ehezeit (Absatz 2)“ überschriebenen Ziffer 4 zu § 51 VersAusglG u.a. Folgendes vor:

„Werden die Wesentlichkeitsgrenzen als eine Grundlage für die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags von dem Familiengericht nicht beachtet, ist allein deswegen kein Beschwerdegrund für die gesetzliche Rentenversicherung nach den §§ 58, 59 FamFG gegen die Abänderungsentscheidung gegeben (AGVA 2/2009, TOP 2); siehe GRA zu § 59 FamFG.“

Die mit „Keine Beschwerde bei Abänderung ohne wesentliche Wertänderung“ überschriebene Ziffer 6.9.5 der GRA zu § 59 FamFG hat folgenden Wortlaut:

„Die Einhaltung der Wesentlichkeitsgrenzen nach § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 3 FamFG für die Abänderung einer Versorgungsausgleichsentscheidung wird von den Rentenversicherungsträgern grundsätzlich nicht überprüft. Solange der Ausgleich, von dem die gesetzliche Rentenversicherung betroffen ist, zu einem materiell-rechtlich zutreffenden Ergebnis führt, kommt eine Beschwerdeeinlegung nicht in Betracht.“

b) Es kann dahinstehen, ob die GRA – wie der Antragsteller meint – einen antizipierten Rechtsmittelverzicht der Deutschen Rentenversicherung beinhalten, der eine gleichwohl eingelegte Beschwerde des jeweiligen Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zumindest auf Einrede unzulässig macht, und ob ein Rechtsmittelverzicht vor Beschlussbekanntgabe angesichts der Vorschrift des § 67 Abs. 1 FamFG überhaupt wirksam wäre. Denn jedenfalls sind die in den beiden Ziffern genannten Umstände vorliegend nicht gegeben. Diese Ziffern der GRA haben ausweislich ihres Wortlauts ersichtlich zum Ziel, ein materiell-rechtlich zutreffendes Ergebnis nicht allein deshalb revidieren zu lassen, weil die Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenzen als Zulässigkeitsvoraussetzung vom Amtsgericht fehlerhaft bejaht wurde. Hat das Amtsgericht also beispielsweise aufgrund eines Rechenfehlers die Wesentlichkeitsgrenzen als überschritten angesehen und sodann auf den – vermeintlich zulässigen – Abänderungsantrag eine materiell-rechtlich zutreffende Entscheidung auf der Grundlage unstreitiger Versorgungsauskünfte getroffen, kommt für die Deutsche Rentenversicherung eine Beschwerdeeinlegung nicht in Betracht. Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor. Denn vorliegend hat die Frage, ob das Anrecht der früheren Ehefrau nach § 39 VersAusglG oder nach § 41 VersAusglG zu bewerten ist, nicht nur Bedeutung für die Wesentlichkeitsgrenzen nach § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 3 FamFG, sondern sie hat darüber hinaus auch unmittelbar Einfluss auf Höhe des Ehezeitanteils bzw. Ausgleichswerts und damit den Ausgleich des Anrechts der früheren Ehefrau als solchen. Der Umstand, dass hier die im Ergebnis ausgleichsberechtigte frühere Ehefrau vorverstorben ist, so dass unter Umständen ein Versorgungsausgleich wegen § 31 VersAusglG ab dem Monat nach Antragstellung nicht mehr stattfindet, vermag daran nichts zu ändern.

2. In der Sache hat die zulässige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 jedoch keinen Erfolg. Denn das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass die gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG angeordnete Totalrevision der nach früherem Recht ergangenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich zu einer Rückgängigmachung des Versorgungsausgleichs ab dem 1. November 2020 führt.

a) Dabei ist das Amtsgericht mit Recht von der Zulässigkeit des Abänderungsantrags des Antragstellers ausgegangen.

aa) Eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht ergangen ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, kann nach § 51 Abs. 1 VersAusglG beim Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden. Wegen der besonderen Voraussetzungen für die Abänderung verweist § 51 Abs. 2 VersAusglG auf die Bestimmungen in § 225 Abs. 2 und 3 FamFG. Danach ist die Ausgangsentscheidung abzuändern, wenn rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit auf den Ausgleichswert zurückwirken (§ 225 Abs. 2 FamFG) und zu einer wesentlichen Wertänderung führen, die mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze des § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze des § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG). Dabei genügt die wesentliche Wertänderung nur eines Anrechts.

bb) Das Anrecht des Antragstellers ist nahezu unverändert geblieben (hälftiger Ehezeitanteil zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung: 903,71 DM : 2 = 451,86 DM = 231,03 €; gegenwärtiger Ausgleichswert als Rentenbetrag: 231,13 €), so dass die Zulässigkeit des Abänderungsantrags davon abhängt, ob eine wesentliche Wertänderung des Anrechts der früheren Ehefrau nach § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG vorliegt. Dabei kommt es mit Blick auf die absolute Wesentlichkeitsgrenze maßgeblich darauf an, ob das Anrecht nach § 39 VersAusglG oder nach § 41 VersAusglG zu bewerten ist, wie nachfolgende Tabelle zeigt:

Ausgleichswert
(= ½ Ehezeitanteil)

relative W.-Grenze
(> 5 % des ursprünglichen
Ausgleichswerts)

absolute W.-Grenze
(> 1 % von § 18 Abs. 1 SGB VI
= 42,70 DM = 21,83 €)

Ausgangsverfahren

281,78 DM : 2 =
140,89 DM =
72,04 €

§ 39 VersAusglG

93,28 €

+ 30 % = überschritten

+ 21,24 € = nicht überschritten

§ 41 VersAusglG

109,59 €

+ 52 % = überschritten

+ 37,55 € = überschritten

Die hier maßgebliche (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2017 – XII ZB 105/16 – juris Rn. 20 ff.) absolute Wesentlichkeitsgrenze des § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG in Höhe von 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, die am Ende der Ehezeit 4.270 DM betrug (vgl. Bergner/Bergmann, NJW-Beil. 2021, 1, 16), ist demnach nur dann überschritten, wenn das Anrecht der früheren Ehefrau nach § 41 VersAusglG zu bewerten ist.

(1) Die weitere Beteiligte zu 1 macht insoweit geltend, dass infolge des Versterbens der früheren Ehefrau keine laufende Rentenleistung aus der Versicherung gezahlt werde, so dass sich das Anrecht in der Anwartschaftsphase befinde und daher nach § 39 VersAusglG zu bewerten sei. Eine Bewertung des Anrechts als laufende Versorgung nach § 41 VersAusglG komme nur dann in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Auskunftserteilung tatsächlich eine Leistung (d.h. eine Versicherten- oder Hinterbliebenenrente) aus dem auszugleichenden Anrecht erbracht werde. Der infolge des Versterbens gesetzlich fixierte Wegfall einer Rente stelle eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die nach § 5 Abs. 2 VersAusglG bei der Bestimmung des Ehezeitanteils Berücksichtigung finden müsse.

(2) Der Senat teilt die Auffassung der weiteren Beteiligten zu 1 nicht und geht vielmehr davon aus, dass das Anrecht der früheren Ehefrau vorliegend wie ein laufendes Anrecht nach § 41 VersAusglG zu bewerten ist.

(a) § 41 VersAusglG regelt die Bewertung einer laufenden Versorgung, also eines Anrechts das sich in der Leistungsphase befindet. Entgegen dem Verständnis der weiteren Beteiligten zu 1 ist darunter auch ein solches Anrecht zu fassen, das sich zum Zeitpunkt des Versterbens der versicherten Person bereits in der Leistungsphase (Vollrente wegen Alters) befunden hat. Die Gesetzesbegründung zu § 41 VersAusglG ist insoweit unergiebig und führt lediglich aus, dass für die Bewertung der tatsächliche Leistungsbezug maßgeblich sei und sich die Bezugsgröße eines unmittelbar zu bewertenden Anrechts nach Erreichen der für das Anrecht maßgeblichen Altersgrenze im Regelfall nicht mehr ändere (BT-Drucksache 16/10144, S. 79 f.). Hieraus lässt sich indes nicht schließen, dass mit dem Wegfall des Anspruchs auf Rentenzahlung aufgrund des Versterbens der versicherten Person (§§ 100 Abs. 3 Satz 1, 102 Abs. 5 SGB VI) das Anrecht gleichsam in die Anwartschaftsphase „zurückfällt“, nur weil rein tatsächlich keine Leistungen mehr aus dem Anrecht bezogen werden. Vielmehr lässt allein der Umstand des Erlöschens des Leistungsanspruchs keine Rückschlüsse auf die Bewertung des betreffenden Anrechts zu, das für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend fingiert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2021 – XII ZB 336/20 – juris Rn. 18).

(b) Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG steht der ausgleichsberechtigten Person die Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils zu. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist das Ende der Ehezeit, wobei rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, nach § 5 Abs. 2 VersAusglG mit zu berücksichtigen sind.

In der Anwartschaftsphase eines Anrechts muss dabei – anders als in der Leistungsphase – zum Teil mit Prognosen gearbeitet werden (vgl. z.B. § 109 Abs. 6 SGB VI). So ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung beispielsweise die Wertermittlung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nach den §§ 71 ff. SGB VI bei einem Anrecht in der Anwartschaftsphase allein auf der Grundlage der ehezeitlichen Anrechte und ohne Berücksichtigung nachehelich erzielter Entgeltpunkte vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2016 – XII ZB 313/15 – juris Rn. 23 ff.). Denn während der Anwartschaftsphase ändern sich die Parameter für die Gesamtleistungsbewertung monatlich laufend und können im weiteren Versicherungsverlauf auch wieder umgekehrte Tendenzen annehmen. Für die Gesamtleistungsbewertung ist daher bei Anwartschaftsanrechten grundsätzlich von einem fiktiven Rentenbeginn zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit auszugehen (BT-Drucksache 7/650, S. 226; BT-Drucksache 11/4124, S. 234).

Bezieht der ausgleichspflichtige Ehegatte hingegen bereits eine Rente, ist gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente und des belegungsfähigen Gesamtzeitraums im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht das Ende der Ehezeit, sondern der Kalendermonat vor Beginn der Rente (§ 72 Abs. 2 SGB VI). Die endgültige gesetzliche Fixierung des Berechnungszeitpunkts auf diesen Monat stellt, wenn der Rentenbeginn nach dem Ende der Ehezeit liegt, eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu berücksichtigen ist (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2016 – XII ZB 350/15 – juris Rn. 23, und vom 3. Februar 2016 – XII ZB 313/15 – juris Rn. 26). Zwar findet sich eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung dazu, dass die Annahmen für die zu erwartende Versorgung durch die tatsächlichen Werte zu ersetzen sind, nur in den Regelungen über die zeitratierliche Bewertung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Damit sollte jedoch keine Abgrenzung zur unmittelbaren Bewertung geschaffen, sondern im Gegenteil ausgedrückt werden, dass die zeitratierliche Bewertung einer laufenden Rente mit einer unmittelbaren Bewertung vergleichbar ist. Nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters ist der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung daher allein aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2016 – XII ZB 350/15 – juris Rn. 20, und vom 3. Februar 2016 – XII ZB 313/15 – juris Rn. 30).

(c) Aus dieser Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung des Senats ableiten, dass der Ausgleichswert eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem Bezug einer Vollrente wegen Alters generell aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln ist. Denn wenn die versicherte Person – wie hier – vor ihrem Tod bereits eine Vollrente wegen Alters bezogen hat, ist dieses Anrecht bereits in die Leistungsphase eingetreten und kann anhand der tatsächlich bezogenen Rente bewertet werden, ohne dass auf die in der Anwartschaftsphase notwendigen Prognosen zurückgegriffen werden müsste. Das Versterben der versicherten Person kann dann nicht dazu führen, dass das bereits in der Leistungsphase angelangte Anrecht nach dem Tod wieder als Anwartschaftsanrecht betrachtet wird, nur weil daraus keine laufenden Leistungen mehr erbracht werden. Vielmehr ist das Anrecht für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend zu fingieren, und zwar in der Weise, wie es unmittelbar vor dem Versterben bestand und nicht etwa, wie es zu einem viel früheren Zeitpunkt (nämlich vor dem tatsächlichen Datum des Renteneintritts) bestanden hat.

Würde man dies anders sehen, wäre ein noch zu Lebzeiten der früheren Ehefrau des Antragstellers eingeleitetes Abänderungsverfahren zunächst zulässig gewesen und sodann nachträglich unzulässig geworden, wenn die frühere Ehefrau während des Verfahrens verstorben wäre. Ein rechtfertigender Grund für diese Konsequenz ist indes nicht ersichtlich. Der weiteren Beteiligten zu 1 ist zwar zuzugeben, dass es auch andere Sachverhalte gibt, die während eines laufenden Verfahrens eine neue Auskunft erforderlich machen können (z.B. wenn das auszugleichende Anrechte von der Anwartschaftsphase in die Leistungsphase übergeht). Warum allerdings dem Antragsteller nach dem Tod seiner früheren Ehefrau, die bereits eine Vollrente wegen Alters bezogen hat, ein geringerer Ausgleichswert zustehen sollte, als vor ihrem Ableben, ist schlechterdings nicht nachzuvollziehen. Die infolge des Rentenbeginns tatsächlich eingetretene Änderung (Übergang in die Leistungsphase) wird nicht dadurch rückgängig gemacht, dass die versicherte Person verstirbt. Vielmehr ist diese Änderung – zusammen mit dem Anrecht insgesamt – für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend zu fingieren.

Im Übrigen räumt die weitere Beteiligte zu 1 ein, dass das Anrecht der früheren Ehefrau nach § 41 VersAusglG zu bewerten wäre, wenn daraus zum Zeitpunkt ihrer Auskunftserteilung im Abänderungsverfahren eine Hinterbliebenenversorgung gezahlt würde. Damit wäre die Höhe des dem Antragsteller grundsätzlich zustehenden Ausgleichswerts vom bloßen Vorhandensein versorgungsberechtigter Hinterbliebener seiner früheren Ehefrau abhängig, was weder mit dem Halbteilungs- noch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang zu bringen sein dürfte.

Schließlich würde die Auffassung der weiteren Beteiligten zu 1 dazu führen, dass sie für ein und dasselbe Anrecht zwei Auskünfte zu erteilen hätte: eine nach § 39 VersAusglG für die Beurteilung der Überschreitung der Wertgrenzen des § 225 Abs. 3 FamFG und eine nach § 41 VersAusglG für die Frage, ob sich eine – hypothetische – Abänderung unter Lebenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2021 – XII ZB 375/21 – juris Rn. 18, und vom 5. Februar 2020 – XII ZB 147/18 – juris Rn. 21 ff.) gemäß § 51 Abs. 5 VersAusglG, § 225 Abs. 5 FamFG zugunsten des Antragstellers auswirken würde (vgl. dazu die unter cc) folgenden Ausführungen).

(d) Soweit die weitere Beteiligte zu 1 einwendet, dass auch Anrechte von Versicherten, denen zunächst nur vorläufig eine Rente bewilligt wurde, nach Ablauf der Befristung wieder als Anwartschaftsanrechte nach § 39 VersAusglG zu bewerten seien, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine nur vorläufige Rentenbewilligung mit dem hier vorliegenden Fall einer bindend bewilligten Vollrente wegen Alters nicht vergleichbar ist. Wenn die versicherte Person bindend eine Vollrente wegen Alters bewilligt bekommen hat, kann ihr diese – anders als eine befristete Rentenbewilligung – nicht mehr entzogen werden. Der Rentenbezug mag zwar infolge des Versterbens der versicherten Person enden, aber das Anrecht ist für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend und in der Leistungsphase befindlich zu fingieren. Denn der Tod der versicherten Person ändert nichts am Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzungen für die Bezugsberechtigung einer Altersrente.

(3) Ausweislich der demnach zugrunde zu legenden Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1 vom 13. Oktober 2021 hat die frühere Ehefrau, die seinerzeit bereits im Rentenbezug stand, zunächst mit Bescheid vom 23. September 2014 nach § 307d Abs. 1 Satz 2 SGB VI einen Zuschlag für Kindererziehung in Höhe von einem persönlichen Entgeltpunkt (sog. Mütterrente I) und mit Bescheid vom 3. April 2019 nach § 307d Abs. 1 Satz 3 SGB VI einen weiteren Zuschlag in Höhe von einem halben persönlichen Entgeltpunkt (sog. Mütterrente II) erhalten. Dabei erfolgt keine anteilige Zuordnung dieser Zuschläge von insgesamt anderthalb Entgeltpunkten auf den 13. bis 30. Kalendermonat nach der Geburt; vielmehr entfallen die Zuschläge an persönlichen Entgeltpunkten vollständig auf die Ehezeit, wenn der 12. bzw. 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes – wie hier – in der Ehezeit gelegen hat (vgl. Bachmann/Borth, FamRZ 2019, 157, 158; Bachmann/Borth, FamRZ 2014, 1329, 1331). Bei den Zuschlägen handelt es sich somit um rechtliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, und daher nach § 5 Abs. 2 VersAusglG bei der Bestimmung des Ehezeitanteils und Ausgleichswerts zu berücksichtigen sind.

Darüber hinaus ist der Auskunft vom 13. Oktober 2021 zu entnehmen, dass der Altersrente der früheren Ehefrau im Rahmen eines dynamischen Besitzschutzes die höheren persönlichen Entgeltpunkte einer vorangegangenen Rente zugrunde gelegen haben, so dass nach Auffassung der weiteren Beteiligten zu 1 bei der Berechnung des Ehezeitanteils aus den Entgeltpunkten der gezahlten Rente von dem Bescheid der vorangegangenen Rente auszugehen sei. Hiergegen bestehen vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 26. Januar 2022 – XII ZB 175/21 – juris Rn. 16 f.) keine Bedenken. Auch dieser Umstand ist – ebenso wie der Zeitpunkt des tatsächlichen Renteneintritts – im Abänderungsverfahren zu berücksichtigen.

Die Differenz zwischen der Hälfte des ursprünglichen Ehezeitanteils (281,78 DM : 2 = 140,89 DM = 72,04 €) und dem nach Maßgabe der Auskunft vom 13. Oktober 2021 auf das Ende der Ehezeit bezogenen Ausgleichswert (109,59 €) beträgt 37,55 €, so dass sowohl die relative Wesentlichkeitsgrenze in Höhe von 3,60 € (entspricht 5 % von 72,04 €) als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze in Höhe von 42,70 DM bzw. 21,83 € (entspricht 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, die sich am Ende der Ehezeit im Jahr 1997 auf 4.270 DM belief) überschritten ist. Das Amtsgericht ist nach alledem zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich des gesetzlichen Anrechts der früheren Ehefrau eine wesentliche Wertänderung im Sinne von § 225 Abs. 3 FamFG vorliegt.

cc) Eine – hypothetische – Abänderung unter Lebenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2021 – XII ZB 375/21 – juris Rn. 18, und vom 5. Februar 2020 – XII ZB 147/18 – juris Rn. 21 ff.) würde sich gemäß § 51 Abs. 5 VersAusglG, § 225 Abs. 5 FamFG zugunsten des Antragstellers auswirken, weil er aufgrund der wesentlichen Werterhöhung des Anrechts seiner früheren Ehefrau im Ergebnis mehr von seinem eigenen, nahezu unveränderten Rentenanrecht behalten würde. Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist mithin insgesamt zulässig.

b) Auf den Abänderungsantrag des Antragstellers ist die Ausgangsentscheidung grundsätzlich in der Weise abzuändern, dass alle in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 – 19 VersAusglG geteilt werden. Im Rahmen der durchzuführenden Totalrevision ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber auch die Vorschrift des § 31 VersAusglG uneingeschränkt anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2020 – XII ZB 147/18 – juris Rn. 22, vom 20. Juni 2018 – XII ZB 624/15 – juris Rn. 9 ff., und vom 16. Mai 2018 – XII ZB 466/16 – juris Rn. 13 ff.). Dies führt im Falle eines Vorversterbens des insgesamt Ausgleichsberechtigten dazu, dass der überlebende, insgesamt Ausgleichspflichtige sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem auf den Monat der Antragstellung folgenden Monat (§ 226 Abs. 4 FamFG) ungeteilt zurückerhält. Beim Antragsteller handelt es sich vorliegend um den Ehegatten mit dem werthöheren gesetzlichen Rentenanrecht, so dass er insgesamt ausgleichspflichtig ist. Dementsprechend hat das Amtsgericht zu Recht angeordnet, dass ein Versorgungsausgleich mit Wirkung ab dem 1. November 2020 nicht stattfindet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG (unbeschränkt) zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, wie ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung, das sich be-reits im Leistungsstadium (Vollrente wegen Alters) befunden hat, nach dem Able-ben der versicherten Person im Versorgungsausgleich zu bewerten ist, kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen (vor allem in Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG) stellen und berührt deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – IV ZR 219/12 – juris Rn. 4). Diese Frage bedarf einer höchstrichterlichen Klärung, zumal sie bislang noch nicht Ge-genstand (einhelliger) obergerichtlicher Rechtsprechung war (vgl. BGH, Be-schluss vom 20. März 2019 – XII ZB 544/18 – juris Rn. 4).

Rechtsbehelfsbelehrung

Dr. Lies-Benachib Usdowski Dr. Recknagel