OLG Frankfurt vom 08.03.1999 (6 WF 50/99)

Stichworte: Auskunft, Unterhaltsverpflichtung, Umfang, Belastung, unbillige
Normenkette: BGB 1605, 1361 Abs. 4 S. 4, 643 Abs. 1 ZPO
Orientierungssatz: Eine umfassende Auskunftspflicht unter Erstreckung auf alle über die Einkünfte und das Vermögen hinausgehenden Umstände, deren Kenntnis zur Bemessung des Unterhaltsanspruchs notwendig ist, besteht nicht. Die materiellrechtliche Auskunftsverpflichtung gemäß § 1605 BGB kann auch nicht erweiternd entsprechend § 643 Abs. 1 ZPO in der Fassung des KindUG ausgelegt werden, wonach das Gericht den Parteien in Unterhaltsstreitigkeiten des § 621 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 11 unter anderem aufgeben kann, über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, soweit es für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Michelstadt vom 04.12.1998 am 08. März 1998 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G R Ü N D E

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, hat jedoch sachlich keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht den Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für den Auskunftsantrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist nach § 1605 BGB (§ 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB) auf Verlangen nur verpflichtet, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin zu 1) erforderlich ist. Die Antragstellerin begehrt hingegen darüber hinaus unter Belegvorlage Auskunft über die Höhe der die Unterhaltsfähigkeit beeinflussenden Ausgaben, wie zum Beispiel Werbungskosten, Schuldverschreibungen, sonstige Unterhaltsverpflichtungen. Eine umfassende Auskunftspflicht unter Erstreckung auf alle über die Einkünfte und das Vermögen hinausgehenden Umstände, deren Kenntnis zur Bemessung des Unterhaltsanspruchs notwendig ist, besteht aber nicht (MünchKomm/Köhler, BGB, 3. Aufl., § 1605 Rdnr. 7) und kann auch den zitierten Kommentarstellen (Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 15 ff., und Wendl/Staudigl/Haußleitner, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 561 ff) nicht entnommen werden. Zwar kann sich in besonderen Fällen über den Teilbereich des § 1605 BGB hinaus ein Auskunftsanspruch ergeben, wenn der Auskunftsbegehrende entschuldbar über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, während dieser die Auskunft unschwer erteilen kann und dadurch nicht unbillig belastet wird (vgl. BGH FamRZ 1988, 268; OLG Schleswig FamRZ 1982, 1018). Hierzu fehlt es aber an detaillierten Angaben. Der Antragsgegner "soll inzwischen" mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind haben. Das ist sehr allgemein und läßt nicht erkennen, worauf diese Vermutung beruht, daß dies Einfluß auf den eingeschränkten Unterhaltszeitraum vom 07.09.1996 bis 31.10.1997 haben und daß sich die Antragstellerin nicht anderweit die notwendige Information zumutbar verschaffen kann. Die Schulden hat der Antragsgegner vorgerichtlich mitgeteilt. Da es sich insoweit um während des Zusammenlebens eingegangene Verbindlichkeiten handeln soll, dürfte die Antragstellerin die Einzelheiten kennen und sich gegebenenfalls ergänzende Angaben auch anderweit beschaffen können. Im übrigen ergibt sich eine weitergehende Auskunftspflicht auch nicht aus dem Umstand, daß zur Auskunft zum Vermögen auch eine solche über die Schulden gehört, da das Vermögen als solches ersichtlich nicht zur Unterhaltsbemessung herangezogen wird. Schließlich ist eine Notwendigkeit, nähere Angaben zu den Werbungskosten zu erhalten, nicht dargetan. Da Wohnort und Arbeitsstelle bekannt sind, können insbesondere die Fahrtkosten hinreichend sicher eingeschätzt werden.

Die materiellrechtliche Auskunftsverpflichtung gemäß § 1605 BGB kann auch nicht erweiternd entsprechend § 643 Abs. 1 ZPO in der Fassung des KindUG ausgelegt werden, wonach das Gericht den Parteien in Unterhaltsstreitigkeiten des § 621 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 11 unter anderem aufgeben kann, über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, soweit es für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Bei der Regelung des § 643 ZPO handelt es sich um eine prozessuale Auskunftspflicht, durch die Möglichkeiten des Gerichts nach §§ 139 f., 273 ZPO erweitert werden sollten (Reg-E, BT-Drucks 13/7338 S. 19, 35). Die Verbesserung liegt im wesentlichen in der Befugnis, gegebenenfalls Auskünfte von Dritten einholen zu können. Eine Sanktionsmöglichkeit gegenüber den Parteien ist hingegen nicht vorgesehen. Zu solchen käme man aber mittelbar, wenn die Auskunftsverpflichtung nach § 1605 BGB entsprechend ausgedehnt würde. Hätte eine solche Erweiterung dem Anliegen des Gesetzgebers entsprochen, hätte sich aufgedrängt, auch § 1605 BGB zu ändern. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht schließlich auch, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, daß dies zu einem Ausufern des Auskunftsbegehrens und nicht zu einer Konzentration des Unterhaltsverfahrens führen könnte.

Danach kommt es nicht mehr darauf an, daß die Erklärung gemäß § 117 ZPO nicht vollständig ausgefüllt ist.

Weiterhin ist es nicht nur unsachgemäß, sondern mutwillig, allein die Abgabe der Unterhaltssache der Antragstellerin zu 2) an das nach § 642 Abs. 1 ZPO ausschließlich zuständige Amtsgericht Dieburg zu beantragen, von einem nach § 642 Abs. 3 ZPO zulässigen Abgabeantrag bezüglich des Trennungsunterhalts aber abzusehen und trotz der möglichen wechselseitigen Abhängigkeit zwei getrennte Verfahren zu führen.

Dr. Weychardt Kleinle Schmidt