OLG Frankfurt vom 15.02.2000 (6 WF 33/00)

Stichworte: Kindesunterhaltsgesetz, Kindergeldausgleich, Volljährige, Minderjährige
Normenkette: BGB 1612b
Orientierungssatz: Zu den Problemen der Kindergeldverrechnung nach § 1612b BGB n.F.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 27.01.2000 gegen den Prozesskostenhilfeteilbewilligungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 30.12.1999, soweit darin Prozeßkostenhilfe versagt worden ist, und den Nichtabhilfebeschluss vom 01.02.2000 am 15. Feb. 2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt XXX. in Darmstadt und Rechtsanwalt Y. als Korrespondenzanwalt für ihr Unterhaltsbegehren, soweit es sich auf die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.1999 bezieht, ratenfreie Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt, als sie vom Antragsgegner über die für diesen Zeitraum bereits geleisteten 2.210,00 DM hinaus weitere insgesamt 1.510,00 DM beansprucht.

G r ü n d e

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache auf das Jahr 1999 und hinsichtlich dieses Zeitraums darauf beschränkt, dass der Antragstellerin durch den angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe nicht (weitergehend) für ihr Begehren eines Unterhalts von durchgängig monatlich 310,00 DM, insgesamt also für einen Betrag von 3.720,00 DM, sondern lediglich für einen auf das Jahr 1999 entfallenden Betrag von insgesamt 2.210,00 DM bewilligt worden ist. Insoweit ist die Beschwerde auch begründet. Sie führt unter Berücksichtigung des vom Antragsgegner in sofortiger Befolgung des Teilbewilligungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 30.12.1999 bereits geleisteten Betrags von 2.210,00 DM zur Bewilligung der für die Geltendmachung des weiteren Betrags von 1.510,00 DM nachgesuchten Prozesskostenhilfe. Denn eine vom angefochtenen Beschluss abweichende andere Handhabung der Kindergeldanrechnung begründet bereits hinreichende Erfolgsaussicht des Unterhaltsmehrbegehrens.

§ 1612b BGB - eingefügt durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 06.04.1998 und in Kraft seit dem 01.07.1998 - sieht in seinem Absatz 1 vor, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte anzurechnen ist, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld nicht ausgezahlt wird, weil ein Anderer vorrangig berechtigt ist. In der Rechtsprechung ist zwar strittig, ob dieser Grundsatz der Halbteilung des kindbezogenen Kindergelds auch für den Volljährigenunterhalt und für den Fall gilt, dass der kindergeldbeziehende Elternteil mangels Leistungsfähigkeit zum Barunterhalt des (volljährigen) Kindes nicht beitragen kann. Das OLG Düsseldorf will in einem solchen Fall das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf voll anrechnen, ohne allerdings eine nähere Begründung hierfür zu geben (FamRZ 1999, 1452). Das OLG Braunschweig, dem der angefochtene Beschluss offenbar folgt, meint, insoweit auf § 1612b Abs. 3 BGB verweisen zu können (FamRZ 1999, 1453, 1455). Diese Vorschrift enthält aber eine Sonderregelung für den Fall, dass der allein kindergeldberechtigte barunterhaltspflichtige Elternteil das Kindergeld nicht ausgezahlt erhält (vgl. hierzu die Beispiele bei Palandt-Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1612b, Rn. 8) und ist nicht verallgemeinerungsfähig.

Die mit Einführung des § 1612b BGB verfolgte Absicht des Gesetzgebers, der eine Vereinfachung der Unterhaltsberechnung und einen Gleichlauf mit der steuerrechtlichen Behandlung des Kinderfreibetrags erreichen wollte (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 1612b OLG Celle, FamRZ 1999, 1455), lässt indessen ebensogut die Deutung zu, dass der Grundsatz der hälftigen Kindergeldanrechnung auch dann gelten soll, wenn - wie hier - der gegenüber einem volljährigen Kind unterhaltspflichtige, aber nicht kindergeldberechtigte Elternteil den gesamten Barunterhalt aufbringt.

Bei diesem Stand der unterschiedlichen Möglichkeiten des Verständnisses des § 1612b BGB kann dem Antragsteller der Zugang zum Hauptverfahren in der Frage der Kindergeldanrechnung nicht versagt werden.

Geht man mithin (im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren) zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass das Kindergeld nur zur Hälfte auf ihren Unterhaltsbedarf anzurechnen ist, so ergibt sich - der insoweit nicht angegriffenen Berechnung des Amtsgerichts folgend - für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.1999 ein monatlicher Unterhaltsanspruch des Antragstellers vom 385,00 DM (900,00 DM - 390,00 DM - 125,00 DM) und für die Monate Juli bis August 1999 ein monatlich um 50,00 DM höherer Unterhaltsanspruch. Das ergibt einen Betrag von insgesamt 3.180,00 DM (8 Monate x 385,00 DM = 3.080,00 DM + 2 x 50,00 DM).

Was den Monat September 1999 anbelangt, so ist angesichts der Unterbrechung der Ausbildung in einem über einen Jahresurlaub nicht hinausgehenden Zeitumfang zweifelhaft, ob die Antragstellerin darauf verwiesen werden kann, dass sie ihren Unterhalt insoweit habe durch eine Arbeitstätigkeit sicherstellen müssen.

Der um das hälftige Kindergeld ermäßigte und vom Amtsgericht unter Bezugnahme auf die seit dem 01.07.1999 geltenden Unterhaltsgrundsätze des hiesigen Oberlandesgerichts mit 950,00 DM angenommene Unterhaltsbedarf der Antragstellerin betrug für diesen Monat 825,00 DM. Rechnet man den bis zum 31.08.1999 aufgelaufenen Betrag von 3.180,00 DM hinzu, so wird der mit der Beschwerde angestrebte Gesamtbetrag von 3.720,00 DM (12 Monate x 310,00 DM) bereits überschritten. Da der Antragsgegner vor Rechtshängigkeit hierauf inzwischen 2.210,00 DM geleistet hat und deshalb insoweit die Rechtsverfolgung nicht mehr notwendig ist, steht noch ein Betrag von 1.510,00 DM offen, für dessen Geltendmachung im Prozess hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann.

Dr. Weychardt Schmidt Dr. Bauermann