OLG Frankfurt vom 15.03.2013 (6 WF 26/13)

Stichworte: Verfahrenskostenhilfe; Verfahrenskostenvorschuss;
Normenkette: ZPO 115
Orientierungssatz:
  • Ob ein der Verfahrenskostenhilfe vorrangiger Anspruch auf Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses durch den Unterhaltsverpflichteten besteht, ist nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.
  • Eine Vorschusspflicht setzt voraus, dass der Verpflichtete in der Lage ist, den Vorschuss ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts zu leisten.
  • 52 F 2210/12 VKH1
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch die Einzelrichterin am 15. März 2013 beschlossen:

    Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 04.1.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Darmstadt vom 04.12.2012 wird der Beschluss vom 04.12.2013 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.02.2013 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

    Gründe:

    Die gem. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige und innerhalb der in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgesehenen Frist eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

    Nachdem der Vater der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ergänzend klargestellt hat, dass er gegenüber seiner jetzigen Ehefrau unterhaltsverpflichtet ist, kann der Antragstellerin nicht wegen eines der Verfahrenskostenhilfe vorrangigen Anspruchs auf Verfahrenskostenvorschuss gegen ihren Vater Verfahrenskostenhilfe verweigert werden, weil ein solcher nicht besteht. Grundsätzlich kann das minderjährige Kind auch von dem betreuenden Elternteil bei entsprechender Leistungsfähigkeit einen Prozesskostenvorschuss verlangen, wenn es einen solchen vom barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht erlangen kann (OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2002, Az.: 22 WF 0750/01, FamRZ 2002, 1412; Wrobel-Sachs in: Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 6. Aufl. Rn 360, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Es ist schon fraglich unter welchen Voraussetzungen im Verfahren auf Prüfung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe davon ausgegangen werden kann, dass ein Anspruch gegen den Unterhaltsberechtigten nicht besteht oder nicht realisiert werden kann. Letztlich kann dies hier dahinstehen, weil ein Anspruch der Antragstellerin gegen ihren Vater auf Verfahrenskostenvorschuss nicht gegeben ist. Selbst wenn man nicht schon der Auffassung folgt, dass der Unterhaltsverpflichtete immer als nicht leistungsfähig einzuordnen ist, wenn er selbst Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ohne oder auch mit Ratenzahlungsverpflichtung hat (so OLG Naumburg, Beschluss vom 31.01.2003, Az.: 14 WF 172/02, Rn 11, zitiert nach Juris, siehe auch Nachweise bei Wrobel-Sachs in: Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 6. Aufl., Fn 582), ist der Vater der Antragstellerin hier als nicht leistungsfähig einzustufen. Denn auch nach der Ansicht, die eine Leistungsfähigkeit nicht generell bei Anspruch des Verpflichteten auf Verfahrenskostenhilfe ausschließt, setzt eine Vorschusspflicht jedenfalls voraus, dass der Verpflichtete in der Lage ist, den Vorschuss ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts zu leisten (OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2002, Az.: 22 WF 0750/01, FamRZ 2002, 1412 mit weiteren Nachweisen; OLG Köln, Beschluss vom 10.09.1998, Az.: 14 WF 127/98, FamRZ 99, 792; Wrobel-Sachs in: Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 6. Aufl. Rn 371 mit weiteren Nachweisen). Dies ist hier nicht der Fall, wie sich aus nachfolgender Berechnung ergibt: Dem die Antragstellerin betreuenden Vater der Antragstellerin steht ein Nettoeinkommen in Höhe von 2.400,00 Euro zuzüglich des für seine minderjährigen Kinder gezahlten Kindergeldes in Höhe von 589,00 Euro zur Verfügung. Von den Gesamteinkünften in Höhe von 2.989,00 Euro sind die Kosten für die Finanzierung des Eigenheims in Höhe von 667,00 Euro und anerkennungsfähige Leistungen in Höhe von 128,00 Euro sowie die sich aus der Lohnabrechnung ergebenden weiteren tariflichen Abzüge in Höhe von 25,00 Euro abzuziehen, was einen Betrag in Höhe von 2.169,00 Euro ergibt. Daneben sind die Unterhaltsansprüche der Kinder des Vaters der Antragstellerin aus seiner jetzigen Ehe, die am 30.06.2003 und 06.07.2010 geboren wurden, abzuziehen. Bei dem anzurechnenden Einkommen des Vaters der Antragstellerin ergibt sich für diese beiden Kinder nach der Düsseldorfer Tabelle bei Berücksichtigung der Tatsache, dass der Vater der Antragstellerin seiner derzeitigen Ehefrau gegenüber noch unterhaltsverpflichtet ist, ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 291,00 und 241,00 Euro, so dass ein Einkommen in Höhe von 1.637,00 Euro verbleibt. Nach Abzug des angemessenen Eigenbedarfs (auch bei minderjährigen Kindern ist bei der Prüfung eines Anspruchs auf Verfahrenskostenvorschuss dieser anzusetzen, vgl. Beschluss des OLG Dresden, aaO, Rn 18, in dem auf den gegenüber volljährigen Kindern geltenden angemessenen Selbstbedarf zurückgegriffen wird) in Höhe von derzeit 1.200,00 Euro (Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt, Stand: 01.01.2013, Ziff. 21.3.1) bleiben 437,00 Euro. Bei der Bewertung der Frage, ob der Vater der Antragstellerin aus diesem Betrag einen Verfahrenskostenvorschuss an die Antragstellerin entrichten kann, ist zu berücksichtigen, dass der Vater der Antragstellerin derzeit für diese den Barunterhalt bestreiten muss, was nach der Düsseldorfer Tabelle einem monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 356,00 Euro entspricht. Hinzu kommt, dass der Vater der Antragstellerin seiner jetzigen Ehefrau unterhaltsverpflichtet ist. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass auch ein Anspruch auf Sonderbedarf der Vorrangregelung des § 1609 Nr. 1 BGB unterfallen würde - was aus Sicht des Gerichts nicht auf der Hand liegt - und auch davon ausgehen würde, dass die jetzige Ehefrau des Antragstellers unter Umständen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen könnte, weil das jüngste Kind drei Jahre alt ist, bleibt bei dieser Gesamtsituation festzuhalten, dass jedenfalls mit einer Verfahrenskostenvorschusspflicht ein Mangelfall vorläge, so dass der Vater der Antragstellerin einen Anspruch der Antragstellerin auf Verfahrenskostenvorschuss nicht ohne Gefährdung des Selbstbehalts erfüllen könnte.

    Da das Amtsgericht bisher über die Erfolgsaussichten des angestrebten Verfahrens nicht entschieden hat, war der Beschluss aufzuheben und das Verfahren zur Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückzuverweisen.

    Dr. Strube