OLG Frankfurt vom 25.11.1999 (6 WF 255/99)

Stichworte: Informationsreisen, Kosten, Unterrichtung des PV, schriftliche, telefonische
Normenkette: ZPO 121 Abs. 3
Orientierungssatz: Zu den Voraussetzungen der Beiordnung eines Verkehrsanwalts in einem Ehescheidungsverfahren

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 23.10.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 07.10.1999 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 02.11.1999 am 25. Nov. 1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Dem Antragsgegner wird im Rahmen der ihm durch Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 04.08.1999 bewilligten Prozeßkostenhilfe Rechtsanwalt R. Füssen, als Verkehrsanwalt beigeordnet.

G r ü n d e

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozeßbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Das Vorliegen besonderer Umstände wird zur Erreichung gleicher Zugangschancen der prozeßkostenhilferechtlich bedürftigen Partei zum Prozeß regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn einer nicht hilfsbedürftigen Partei in gleicher Lage die Kosten eines Korrespondenzanwalts zu erstatten wären (ebenso OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 304).

Nach der Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des hiesigen Oberlandesgerichts (grundlegender Beschluß vom 27.09.1987 - 18 W 119/87, veröffentlicht in: Rechtspfleger 1988, 81 = JMBl. Hessen 1988, 8 = JurBüro 1988, 486), der sich der beschließende Senat bereits in anderen Fällen angeschlossen hat, kann die nicht am Prozeßort wohnende Partei, die sich weder mit einer schriftlichen noch mit einer bloßen fernmündlichen Unterrichtung ihres Prozeßbevollmächtigten zu begnügen braucht, die Kosten tatsächlich erfolgter Informationsreisen geltend machen, soweit diese für die Prozeßführung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bedient sich die Partei statt dessen eines Verkehrsanwalts, so sind dessen Kosten erstattungsfähig, soweit sie die Kosten nicht überschreiten, die bei Durchführung der nach den Umständen des Falles notwendigen Zahl von Informationsreisen zum Prozeßbevollmächtigten entstanden wären. Auf eine bloß schriftliche oder gar telefonische Unterrichtung des Bevollmächtigten am Prozeßort braucht sich die Partei grundsätzlich nicht verweisen zu lassen. Vielmehr hat sie regelmäßig das Recht, sich mit ihrem Prozeßbevollmächtigten persönlich in Verbindung zu setzen. Ausnahmefälle hat der 18. Zivilsenat beispielsweise bei rechtskundigen Parteien, insbesondere Firmen mit einer Rechtsabteilung oder bei sonst geschäftsgewandten Parteien angenommen, sofern der Sachverhalt einfach ist und eine mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängende Angelegenheit darstellt.

Wenn es sich vorliegend auch wegen des beiderseitigen Scheidungsbegehrens der kinderlosen Parteien um ein einfaches, lediglich mit der Folgesache betreffend den Versorgungsausgleich verbundenes Scheidungsverfahren handelt, so ist doch zu bedenken, daß bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Prozeßanwalt - so klar die Verhältnisse in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht auch sein mögen - in der Regel alle mit der Scheidung zusammenhängenden Folgen zur Sprache kommen werden. Der beauftragte Rechtsanwalt wird, um seinem Auftrag gerecht zu werden, alle in Betracht zu ziehenden Fragen ansprechen, sich insbesondere nach regelungsbedürftigen Angelegenheiten erkundigen. Stellt sich dabei heraus, daß es keine oder zu vernachlässigende Streitpunkte gibt, dann mag allenfalls das Ergebnis des Beratungsgesprächs die Beurteilung der Scheidung und ihrer Folgesachen als "einfach gelagert" rechtfertigen und gleichermaßen von einem außenstehenden Betrachter so eingeschätzt werden. Die Abklärung der vor der Schlußbeurteilung liegenden Fragen wird aber in aller Regel einem persönlichen Gespräch zwischen Partei und Prozeßanwalt vorbehalten bleiben müssen. Auf der Grundlage dieser Erwägungen kann der schon seit seinem Auszug aus der Ehewohnung im Jahr 1997 in Füssen wohnende Antragsgegner nicht darauf verwiesen werden, sich brieflich oder telefonisch oder auf dem modernen Weg des "Mailing" an einen Rechtsanwalt am Prozeßort zu wenden und diesen mit der Durchführung des Scheidungsrechtsstreits zu beauftragen. Wegen des höchstpersönlichen Charakters einer Scheidungsangelegenheit und der auch in einfachen Fällen bestehenden Klärungsbedürftigkeit aller bedeutsamen Fragen, die sich an die Ehescheidung knüpfen, teilt der Senat nicht die vom Amtsgericht zur Begründung des angefochtenen Beschlusses herangezogene Auffassung des OLG Karlsruhe (a.a.O.), wonach ein schreibgewandter Ehegatte in einer einfachen, keine Streitpunkte aufweisenden Scheidungssache ihren Verfahrensbevollmächtigten am Prozeßort ausreichend schriftlich informieren kann und deshalb keinen Verkehrsanwalt am Wohnort in Anspruch nehmen darf.

Da der Aufwand und die Kosten für eine Informationsreise des Antragsgegners von Füssen nach Bensheim zusammen mit den weiteren in der erwähnten Entscheidung des 18. Zivilsenats des hiesigen Oberlandesgerichts für erstattungsfähig angesehenen Kosten - ohne daß es einer genauen Berechnung bedürfte - im Bereich der an einem Gegenstandswert von 5.500,00 DM zu orientierenden Verkehrsanwaltskosten, jedenfalls nicht wesentlich darunter liegen, erscheint dem Senat bei den vorliegenden Gegebenheiten die antragsgemäße Beiordnung eines Verkehrsanwalts gemäß § 121 Abs. 3 ZPO geboten.

Dr. Weychardt Schmidt Dr. Bauermann