OLG Frankfurt vom 02.05.2000 (6 WF 25/00)

Stichworte: Kostenerstattungsanspruch, Aufrechnung, Landeskasse
Normenkette: ZPO 103 ff, 126 Abs. 2 BGB 412, 407
Orientierungssatz: 1) Die Landeskasse kann die Gebühren des in 2. Instanz beigeordneten Rechtsanwalt W. nur ansetzen, wenn dieser im Zeitpunkt seiner Befriedigung gemäß § 121 BRAGO gegen den Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch gehabt hat und dieser gemäß § 130 I BRAGO auf die Landeskasse übergegangen ist. 2) § 126 I ZPO verschafft dem beigeordneten Rechtsanwalt keinen privatrechtlichen Gebührenanspruch, sondern lediglich einen gesetzlichen Erstattungsanspruch, der zu demjenigen des obsiegenden Auftraggebers nach den §§ 91 ff., 103 ZPO hinzutritt

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Beklagten vom 30.11.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 11.11.1999 am 02.05.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Der Kostenansatz des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 04.03.1999 wird aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 VI GKG).

G R Ü N D E

1. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin, vertreten durch Rechtsbeistand Dr. Z., in 1. Instanz gegen den Beklagten, ihren Vater, ein Urteil erstritten, durch das der von diesem aufgrund eines früheren Urteils zu zahlende Kindesunterhalt erhöht worden ist. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist durch Einzelrichtertermin vom 01.04.1998 auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen worden. In 2. Instanz ist die Klägerin durch Rechtsanwalt W. vertreten worden. In beiden Instanzen hatte sie ratenfreie Prozeßkostenhilfe. Der Beklagte ist in 1. Instanz durch Rechtsanwalt Y., in 2. Instanz durch Rechtsanwältin X. vertreten worden.

Wegen der der Klägerin durch den im Wege der Prozeßkostenhilfe für die 2. Instanz beigeordneten Rechtsanwalt W. angefallenen außergerichtlichen Kosten hat das Amtsgericht am 29.04.1998 einen Kostenfestsetzungsbeschluß erlassen, aufgrund dessen der Beklagte an die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt W., 1.002,80 DM zu zahlen hatte. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluß ist der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten (Rechtsanwältin X.) am 07.05.1998 zugestellt worden. Daraufhin hat der Bevollmächtigte des Beklagten 1. Instanz (Rechtsanwalt Y.) in einem an den erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin (Rechtsbeistand Dr. Z.) gerichteten Schreiben vom 22.05.1998 die Aufrechnung mit Gegenforderungen angekündigt und diese mit weiteren Schreiben vom 05.06.1998 gegenüber Dr. Z. in Höhe von 870,30 DM erklärt und die Überweisung des nach der Aufrechnung noch offenen Restbetrages von 132,50 DM in Aussicht gestellt. Mit weiteren Schreiben vom 05.06.1998 hat er Rechtsanwalt W. davon Mitteilung gemacht. Diesen Restbetrag hat er am 20.11.1998 an Dr. Z. angewiesen.

Am 10.07.1998 hat Rechtsanwalt W. die Erstattung seiner Gebühren gemäß § 121 BRAGO aus der Landeskasse beantragt, was am 14.08.1998 erfolgt ist. Die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 29.04.1998 hat Rechtsanwalt W. an das Amtsgericht zurückgegeben; eine förmliche Aufhebung dieses Beschlusses ist jedoch ersichtlich nicht erfolgt. Am 04.03.1999 hat die Landeskasse dem Beklagten die an Rechtsanwalt W. ausgezahlten Kosten in Rechnung gestellt.

2. Gegen diesen Kostenansatz hat der Beklagte unter Hinweis auf die Aufrechnung Erinnerung eingelegt, die das Amtsgericht mit Beschluß vom 11.11.1999 zurückgewiesen hat.

3. Seine gemäß § 5 II GKG zulässige Beschwerde gegen diesen amtsgerichtlichen Beschluß hat Erfolg. Die Landeskasse hat die Rechtsanwalt W. ausgezahlten Kosten zu Unrecht gegen den Beklagten angesetzt, weil dessen Erstattungsanspruch nur in Höhe von 132,50 DM auf die Landeskasse übergegangen und auch in dieser Höhe durch den Beklagten nach dem Übergang durch Erfüllung erloschen ist.

4. Die Landeskasse kann die Gebühren des in 2. Instanz beigeordneten Rechtsanwalt W. nur ansetzen, wenn dieser im Zeitpunkt seiner Befriedigung gemäß § 121 BRAGO gegen den Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch gehabt hat und dieser gemäß § 130 I BRAGO auf die Landeskasse übergegangen ist. Gemäß § 126 I ZPO konnte Rechtsanwalt W. zwar seine Kosten direkt von dem in 2. Instanz insoweit verurteilten Beklagten verlangen; dieser Anspruch ist jedoch bereits durch die von Rechtsanwalt Y. am 05.06.1998 gegenüber Rechtsbeistand Dr. Z. erklärte Aufrechnung in Höhe von 870,30 DM erloschen. Insoweit ist sein Vergütungsanspruch daher nicht auf die Staatskasse übergegangen.

Dem Beklagten stand aus dem Verfahren 7 F 302/95 EA I ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 408,25 DM zu, den das Amtsgericht mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 08.09.1998 festgesetzt hat (7 F 302/95 EA I). Aus einem Parallelverfahren 7 F 335/95 hatte der Beklagte weiter einen titulierten Erstattungsanspruch in Höhe von 437,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.12.1996 (Kostenfestsetzungsbeschluß vom 03.01.1997, Bl. 29 der Akte 7 F 335/95). Die Erstattungsansprüche belaufen sich einschließlich der titulierten Zinsen auf einen Gesamtwert von 870,30 DM (408,25 + 25,05 + 437,00). Durch seine Aufrechnungserklärung vom 05.06.1998 hat der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch des Rechtsanwalts W. in dieser Höhe zum Erlöschen gebracht.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß Rechtsanwalt Y. die Aufrechnung nicht unmittelbar gegenüber Rechtsanwalt W., sondern gegenüber Rechtsbeistand Dr. Z. erklärt und Rechtsanwalt W. davon lediglich Mitteilung gemacht hat.

In der Sache ist die Aufrechnung gegenüber der Klägerin (vertreten durch Rechtsbeistand Dr. Z.) erfolgt. Dadurch ist zwar in erster Linie deren Kostenerstattungsanspruch, den Rechtsanwalt W. im Namen der Klägerin mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 29.04.1998 hatte titulieren lassen, entfallen, Durch die Aufrechnung ist aber nicht nur der (eigene) Erstattungsanspruch der Klägerin, dessen Bestand durch die ihr in 2. Instanz ratenfrei gewährte Prozeßkostenhilfe nach der Rechtsauffassung des Senats nicht ausgeschlossen ist (gegen Saarbrücken, JurBüro 87, 918, 919), sondern auch derjenige des Rechtsanwalts W. aus § 126 I ZPO erloschen, denn § 126 I ZPO verschafft dem beigeordneten Rechtsanwalt keinen privatrechtlichen Gebührenanspruch, sondern lediglich einen gesetzlichen Erstattungsanspruch, der zu demjenigen des obsiegenden Auftraggebers nach den §§ 91 ff., 103 ZPO hinzutritt (Baumbach/Hart-mann, 58. Aufl., Rz. 12 zu § 126 ZP). In der Sache handelt es sich daher um dieselbe Forderung, die lediglich auf unterschiedliche Weise durchgesetzt werden kann. Verlangt daher die obsiegende Partei im eigenen Namen Kostenerstattung, so muß durch deren Erfüllung oder wirksame Aufrechnung auch der Erstattungsanspruch des Rechtsanwalts aus § 126 I ZPO entfallen. Andernfalls bestünde die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Schuldners.

Die Aufrechenbarkeit der Erstattungsforderungen des Beklagten ist schließlich auch nicht durch § 126 II ZPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Kostenschuldner gegen den (direkten) Erstattungsanspruch des Rechtsanwalts nur mit solchen Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit erlassenen Kostenentscheidung von der vertretenen Partei zu erstatten sind. Die Beschränkungen des § 126 II ZPO entfalten Rechtswirkungen nur im Rahmen des Verhältnisses Rechtsanwalt - Prozeßgegner, nicht aber im Verhältnis Partei - Prozeßgegner. Das Oberlandesgericht Stuttgart (Rpfl. 1987, 218) hält daher gegenüber dem titulierten Kostenerstattungsanspruch der Partei die uneingeschränkte Aufrechenbarkeit für gegeben. Das Oberlandesgericht Koblenz (KostenRspr. ZPO § 126 Nr. 16) sieht in dem Umstand, daß der beigeordnete Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch auf den Namen der bedürftigen Partei festsetzen läßt, einen Verzicht auf das Befriedigungsvorrecht aus § 126 II ZPO und läßt in diesem Falle ebenfalls die uneingeschränkte Aufrechnung des Schuldners zu. Der Bundesgerichtshof legt § 126 II 1 ZPO einschränkend dahin aus, daß durch einen im Namen der Partei ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses die Aufrechnungsbeschränkung so lange außer Kraft gesetzt wird, bis dieser Kostenfestsetzungsbeschluß aufgehoben oder durch einen zweiten auf den Namen des Anwalts ersetzt wird (MDR 95, 99, 100). Da am 05.06.1998 der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluß (zugunsten der Klägerin) vom 29.04.1998 Bestand hatte, war der Beklagte daher durch § 126 II ZPO in seinen Aufrechnungsmöglichkeiten nicht beschränkt.

Zum Zeitpunkt der Befriedigung des Rechtsanwalts W. durch die Landeskasse (14.08.1998) bestand seine Erstattungsforderung nach § 126 I ZPO daher nur noch in Höhe von 132,50 DM (1.002,80 - 870,30) und ist allenfalls in dieser Höhe nach § 130 I BRAGO auf die Landeskasse übergegangen.

5. Aber auch diesen Betrag kann die Landeskasse vom Beklagten gemäß § 130 II ZPO nicht mehr verlangen, denn letzterer hat ihn am 20.11.1998 an Dr. Z. angewiesen. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß das Geld bei Dr. Z. nicht eingegangen ist. Die Zahlung ist zwar nach dem Forderungsübergang erfolgt. Da der Beklagte jedoch von der Befriedigung des Rechtsanwalts und damit von dem Forderungsübergang keine Kenntnis erlangt hat, konnte er gemäß den §§ 412, 407 BGB auch noch am 20.11.1998 mit ihn auch gegenüber Rechtsanwalt W. befreiender Wirkung an Dr. Z. zahlen. Auf die nach dem Forderungsübergang erfolgte Zahlung kann sich die Landeskasse daher gegenüber dem Beklagten nicht berufen.

Dr. Weychardt Schmidt Kleinle