OLG Frankfurt vom 29.12.2009 (6 WF 233/09)

Stichworte: Beiordnung, Rechtsanwalt, Amtsverfahren;
Normenkette: FamFG 78 Abs. 2; FamFG 78 Abs. 2;
Orientierungssatz:
  • Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung auch in Verfahren, die von der Amtsmaxime beherrscht werden, ist neben dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache auch die Fähigkeit des Beteiligten in Betracht zu ziehen, sich mündlich und schriftlich auszudrücken.
  • Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätt
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lampertheim vom 23.11.2009 am 29. Dezember 2009 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe wird dem Antragsteller Frau Rain X. beigeordnet.

    Gründe:

    Das gemäß §§ 76 Abs.2 FamFG, 127 Abs.2 S.2 ZPO statthafte Rechtsmittel der Antragstellers hat in der Sache Erfolg.

    Im Hauptsacheverfahren hat der Antragsteller um die Regelung des Umgangsrechts mit seinem 13-jährigen Sohn nachgesucht, der nach dem Tod der Mutter im Haushalt der Großmutter mütterlicherseits lebt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war auf Grund einer einstweiligen Anordnung das Jugendamt Inhaber der elterlichen Sorge für den Sohn. Das Verfahren ist mit einer gerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Großmutter mütterlicherseits abgeschlossen worden. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Antragsteller die Verfahrenskostenhilfe bewilligt, aber die Beiordnung der von ihm bevollmächtigten Rechtsanwältin verweigert. Dagegen richtet sich seine Beschwerde. Er macht insbesondere geltend, dass er ausländischer Herkunft und behindert ist.

    Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in Familiensachen ohne Anwaltszwang ein Rechtsanwalt beizuordnen ist oder nicht, hat der Gesetzgeber in § 78 Abs.2 FamFG neu geregelt. Nach der Vorschrift soll es ausschließlich darauf ankommen, ob wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich erscheint. Der Senat neigt zu der Ansicht, dass das Umgangsverfahren mit Rücksicht auf den Tod der Mutter und die Vormundschaft des Jugendamts als rechtlich und tatsächlich schwierig einzuschätzen ist. Diese Frage bedarf jedoch keiner definitiven Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (etwa BVerfG NJW RR 2007, 1714) ist bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung auch in Verfahren, die von der Amtsmaxime beherrscht werden, neben dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache auch die Fähigkeit des Beteiligten in Betracht zu ziehen, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG aaO).

    Nach dieser Maßgabe ist hier die Beiordnung der Rechtsanwältin geboten. Der Antragsteller ist arabischer Herkunft, auf Grund einer Kinderlähmung behindert und hat, wie das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss bestätigt, Probleme, sich mündlich auszudrücken. In dieser Situation würde eine bemittelte Partei einen Rechtsanwalt beauftragen und zur Artikulation ihrer Interessen nicht nur eine Vertrauensperson beiziehen.

    Der Einzelrichter

    Kleinle