OLG Frankfurt vom 18.10.1999 (6 WF 220/99)

Stichworte: VA, Betriebsrente, Auskunft, Arbeitgeber, Betriebsrentenanwartschaft, Berechnung, Umfang der
Normenkette: BGB 1587a Abs. 2 S. 3, FGG 53b Abs. 2, VAHRG 11 Abs. 2
Orientierungssatz: Die von der Beschwerdeführerin (Lufthamsa AG) vorzulegende Berechnung hat den konkreten Betrag der nach Maßgabe des § 1587a II Ziff. 3 BGB berechneten Betriebsrentenanwartschaft auszuweisen, die der Antragsteller in der Zeit vom Beginn seiner Betriebszugehörigkeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (30.09.1998) erworben hat.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Beteiligten vom 09.09.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Groß-Gerau vom 07.07.1999 am 18.10.1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

1) Die von der Beschwerdeführerin vorzulegende Berechnung hat den konkreten Betrag der nach Maßgabe des § 1587a II Ziff. 3 BGB berechneten Betriebsrentenanwartschaft auszuweisen, die der Antragsteller in der Zeit vom Beginn seiner Betriebszugehörigkeit bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (30.09.1998) erworben hat.

2) Das vom Amtsgericht angedrohte Zwangsgeld kann erst festgesetzt werden, wenn die Beteiligte diese Berechnung nicht bis spätestens zum 01.12.1999 vorgelegt hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten auferlegt (§ 13 a I 2 FGG)

Beschwerdewert: 1.000,00 DM.

G R Ü N D E

1. Zwischen den Parteien schwebt das Scheidungsverbundverfahren vor dem Amtsgericht Groß-Gerau. Der Antragsteller ist Mitarbeiter der Beteiligten. Auf eine an die Deutsche Lufthansa AG, Hamburg, gerichtete Anfrage des Familienrichters hat diese am 09.06.1999 eine Teilauskunft über die dort vom Antragsteller während der Ehezeit erworbenen betrieblichen Versorgungsanwartschaften erteilt. Sie hat allerdings nicht die fiktive Betriebsrente berechnet, die der Antragsteller bis zum Ende der Ehezeit aus seinem Arbeitsverhältnis erworben hat, sondern lediglich die für die Berechnung maßgeblichen Daten mitgeteilt und im übrigen die entsprechenden Tarifverträge und Versorgungssatzungen vorgelegt. Sie ist der Auffassung, daß der Amtsrichter die Rentenanwartschaft aus diesen Angaben selbst errechnen könne. Daraufhin hat das Amtsgericht der beteiligten Arbeitgeberin des Antragstellers (LSG Lufthansa Service Deutschland GmbH, Hamburg) durch den angefochtenen Beschluß aufgegeben, Angaben zur Höhe der Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung zu machen, die der Antragsteller bei ihr erworben hat und ihr für den Fall, daß die Berechnung nicht erstellt wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 DM angedroht.

Mit ihrer Beschwerde beruft sich die Beteiligte auf Rechtsprechung der Oberlandesgerichte München und Frankfurt und meint, daß sie zur Berechnung der konkreten Rentenanwartschaft nicht verpflichtet sei. Sie deutet an, daß sie dann zur Berechnung bereit sei, wenn ihr das Amtsgericht dafür 700,00 DM zahle.

2. Die nach § 19 I FGG zulässige Beschwerde der Beteiligten hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Als Arbeitgeberin ist die Beteiligte nach den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG verpflichtet, dem Familiengericht auf Anfrage Auskunft über Grund und Höhe der vom Antragsteller während seiner Betriebszugehörigkeit erworbenen Betriebsrentenanwartschaften zu erteilen. Dieser Pflicht genügt sie durch die bloße Mitteilung der für die Berechnung der Betriebsrentenanwartschaft des Antragstellers notwendigen Daten nicht. Ihr obliegt vielmehr auch die Berechnung der konkreten, vom Antragsteller zum Stichtag (Ende Ehezeit) erworbenen Anwartschaft auf Betriebsrente. Die der von der Beteiligten vorgelegten unveröffentlichten Rechtsprechung der Oberlandesgericht München und Bamberg zugrundeliegende Rechtsauffassung teilt der Senat nicht.

b) Die Verpflichtung zur konkreten Berechnung der Betriebsrentenanwartschaft ergibt sich bereits aus Wortlaut und Sinn der §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG. Dort ist ausdrücklich formuliert, daß die/der jeweils Pflichtige Auskunft zu "Grund und Höhe" der Versorgungsanwartschaften zu erteilen hat.

Diese Auslegung wird gestützt durch die Stellung der beiden Vorschriften im Zusammenhang der übrigen Vorschriften zum Versorgungsausgleich. In § 1587a II 3 BGB ist geregelt, welche Betriebsrentenanwartschaft in die vom Familiengericht bei Scheidung vorzunehmende Versorgungsausgleichsberechung einzustellen ist. Es ist dies "der Betrag, der sich bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze ergäbe, wenn die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zugrundegelegt würden". Was das Familiengericht für seine Berechnung braucht, ist also dieser Betrag. Wenn der Gesetzgeber in dieser Situation in den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG angeordnet hat, daß die Arbeitgeber oder Versorgungsträger Auskunft über "Grund und Höhe" der Versorgungsanwartschaften zu erteilen haben, dann liegt es nahe, daß der/die Auskunftspflichtige nach der Intention des Gesetzgebers auch die Berechnung der maßgeblichen Betriebsrentenanwartschaft vornehmen sollen.

In diesem Sinne sind beide Vorschriften von den auskunftspflichtigen Stellen, insbesondere auch von den Arbeitgebern, seit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsrechts im Jahre 1977, also seit mehr als 20 Jahren, regelmäßig verstanden und befolgt worden. Der Senat geht davon aus, daß der Gesetzgeber bei der im Jahre 1983 erfolgten Formulierung des § 11 VAHRG die bis dahin gängige Praxis zu § 53 b II FGG gekannt hat. Irgend einen Anlaß zur Einschränkung in dem von der Beteiligten angenommenen Sinne hat er damals offenbar nicht gesehen.

Dem entspricht, daß dem Senat mit Ausnahme des der Entscheidung des 5. Familiensenates des OLG Frankfurt vom 22.10.1990 (FamRZ 1991, 579) zugrundeliegenden besonderen Sachverhalts kein Fall bekannt ist, in dem sich ein Arbeitgeber darauf berufen hätte, daß er zur Berechnung der konkreten Betriebsrentenanwartschaft aus den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG nicht verpflichtet oder in der Lage wäre.

Die Verpflichtung der Beteiligten zur konkreten Berechnung der Rentenanwartschaft entfällt auch nicht etwa deswegen, weil es dem Familienrichter im Rahmen seiner Amtsermittlung (§ 12 FGG) obliegt, die von einem Versorgungsträger vorgelegte Berechnung selbst auf ihre Richtigkeit zu prüfen (BGH FamRZ 84, 159, 160). Ein solcher Schluß ist nicht zwingend geboten. Vielmehr hat der Auskunftspflichtige die Berechnung vorzulegen und das Familiengericht hat sie zu überprüfen.

Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsnatur der von den Versorgungsträgern nach den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG zu erteilenden Auskünfte (FamRZ 1984, 159; 1998, 89). Die zitierten Entscheidungen haben sich nicht mit der Frage befaßt, welche Auskünfte die Versorgungsträger oder Arbeitgeber dem Familiengericht nach den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG zu erteilen haben, sondern vielmehr mit derjenigen, ob ein abgeschlossenes Versorgungsausgleichsverfahren analog § 580 Nr. 7b ZPO wieder aufgenommen werden kann, weil ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger eine im Verfahren erteilte Auskunft nach Rechtskraft der Entscheidung wegen einer Änderung ihrer Rechtsauffassung zu einer bestimmten Frage widerrufen hat (FamRZ 1984, 159) oder ob der Versorgungsträger wegen Erteilung einer falschen Auskunft nach § 839 I BGB wegen Amtspflichtverletzung haftet (FamRZ 1998,89). In diesem Zusammenhang kam es darauf an, wie die von der jeweiligen Versicherungsanstalt im Versorgungsausgleichsverfahren erteilte Auskunft rechtlich zu qualifizieren ist. Zu der Frage, wie die von einem Versorgungsträger / Arbeitgeber nach den §§ 53b II FGG, 11 II VAHRG zu erteilende Auskunft beschaffen sein muß, hat sich der Bundesgerichtshof dort nicht geäußert.

Schließlich kann sich die Beteiligte auch nicht darauf berufen, daß ihr, etwa wie in dem der Entscheidung des 5. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 22.10.1990 (FamRZ 1991,579) zugrundeliegenden Fall, die Anwartschaftsberechnung aus besonderen Gründen ausnahmsweise nicht zumutbar wäre. Wie die Deutsche Lufthansa AG im Parallelverfahren 6 WF 151/99 dargelegt hat, hält diese als Muttergesellschaft im Rahmen der konzerninternen Arbeitsverteilung für die Tochtergesellschaften eine mit Sachkunde und Rechnerkapazität versehene Organisation vor, die diese bei Erforderlichkeit entsprechender Berechnungen in Anspruch nehmen können. Zur Einrichtung einer solchen Stelle sind die im Lufthansa-Konzern miteinander verbundenen Arbeitgebergesellschaften schon deswegen verpflichtet, weil sie nach den tarifvertraglich übernommenen Verpflichtungen einem Mitarbeiter bei dessen Ausscheiden schriftlich Auskunft über die Höhe der erworbenen Altersrente erteilen müssen. Auch in diesen Fällen ist eine von einem Arbeitnehmer bis zu einem bestimmten Datum erworbene Betriebsrentenanwartschaft zu berechnen. Die im Fall der Scheidung nach den §§ 53b II, 11 II VAHRG vorzunehmende Berechnung der bis zum Ende der Ehezeit erworbenen Betriebsrentenanwartschaft unterscheidet sich davon nicht wesentlich. Letztere Berechnung mag gegenüber derjenigen bei Ausscheiden des Mitarbeiters eine zusätzliche sein. Allein dies und die weiteren von der Deutschen Lufthansa AG als notwendig bezeichneten zusätzlichen Vorkehrungen führen aber nicht dazu, daß der Beteiligten als Arbeitgeberin die konkreten Berechnung der maßgeblichen Betriebsrentenanwartschaft bei Scheidung ausnahmsweise nicht zumutbar wäre.

Für die Anwartschaftsberechnung kann die Beteiligte vom Familiengericht auch keine Gebühr oder Aufwandsentschädigung verlangen, weil das Gesetz eine solche nicht vorsieht. Eine entsprechende Heranziehung der Vorschriften über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen ist nicht möglich.

3. Hinsichtlich der Form und der Umstände des Auskunftsverlangens weist der Senat noch auf folgendes hin:

a) Die Androhung oder auch die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen eine/n Auskunftspflichtige/n setzen nach § 33 I 1 FGG eine vollzugsfähige gerichtliche Verfügung voraus, die inhaltlich so deutlich sein muß, daß der Pflichtige genau erkennen kann, welche konkreten Angaben bzw. Berechnungen er vornehmen muß. Darauf hat auch der 3. Familiensenat des OLG Frankfurt (aaO) hingewiesen. Diesen Kriterien genügt die Formulierung des angefochtenen Beschlusses nicht. Von der Beteiligten zu berechnen ist der während der gesamten Dauer der Betriebszugehörigkeit des Antragstellers erworbene Versorgungsanwartschaftsbetrag, der sich bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze ergäbe, wenn die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zugrundegelegt würden (§ 1587a II 3 BGB). Der Senat hat dies im Tenor der Beschwerdeentscheidung berücksichtigt.

b) Die dem Antragsteller von der Beteiligten nach der Satzung der VBL zu gewährende Zusatzversorgung ist unter bestimmten Voraussetzungen als Gesamtversorgung ausgestaltet. In diesen Fällen ist etwa für die Berechnung der bis zum Ende der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Versorgungsrente die Kenntnis derjenigen Rentenanwartschaften erforderlich, die der Arbeitnehmer bis zum Ende der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Sofern die Beteiligte diese benötigt, ist dazu die entsprechende Auskunft des jeweiligen Trägers der GRV vorab einzuholen und zur Verfügung zu stellen.

c) Aus Ziff. 5 des von der Beteiligten vorgelegten Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 ist ersichtlich, daß auf einen vom Antragsteller während der Ehezeit erworbenen Anspruch auf Versorgungsrente ein in der Zeit bis zum 31.12.1994 gegen die VBL erworbener und weiter bestehender Anspruch auf Versicherungsrente anzurechnen ist. Auch diese Information ist für die Beteiligte notwendig, um die Betriebsrentenanwartschaft des Antragstellers zutreffend zu berechnen. Daher ist insoweit auch bei der VBL vorab eine entsprechende Auskunft einzuholen und diese dem Auskunftsersuchen beizufügen.

Hier liegen die Auskünfte der LVA Hessen und der VBL Karlsruhe dem Familiengericht bereits vor. Der Senat wird sie der Beteiligten zusammen mit der Beschwerdeentscheidung zukommen lassen.

Dr. Weychardt Schmidt Kleinle