OLG Frankfurt vom 14.12.2015 (6 WF 214/15)

Stichworte: Auslagen für Sachverständige; Verjährung; Zweitschuldner; Erstschuldner; Vollstreckung aussichtslos; Umgangsverfahren;
Normenkette: FamGKG 26; KostO 2; KostO 17; BGB 199; BGB 205;
Orientierungssatz:
  • Ob die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 BGB gegenüber einem Zweitschuldner überhaupt erst beginnt, wenn er wegen Ausfalls des Erstschuldners erstmals in Anspruch genommen werden darf (so OLG Celle, JurBüro 2012, 538; vgl. ferner OLG Düsseldorf, BeckRS 2010, 04544), was im Ergebnis auf eine zweifelhafte Umgehung von § 205 BGB hinausliefe, kann bei gleichrangigen Mitschuldnern nach § 2 KostO a. F. dahinstehen.
  • Der Aufschub des Eintritts der Fälligkeit bzw. die fingierte spätere Entstehung des Anspruchs der Staatskasse auf Auslagenerstattung gegenüber einem Zweitschuldner endet jedenfalls, sobald die Zwangsvollstreckung gegen den Erstschuldner erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint, was bei Vorliegen anderer Erkenntnisse nicht erst dann der Fall ist, wenn die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vermögensverhältnisse des Erstschuldners bekannt wird.
  • Ein Umgangsverfahren ist nicht wegen "Nichtbetreibens" durch "Weglegen" zu beenden.
  • 3 F 313/06 UG
    AG Lampertheim

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Einzelrichter

    am 14. Dezember 2015 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts vom 31.08.2015 und die Festsetzung vom 19.02.2015 über restliche Sachverständigenkosten gegen den Antragsteller werden aufgehoben.

    Das Festsetzungsverfahren einschließlich des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 9 KostO).

    Gründe:

    Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin hat in den Jahren 2006 und 2007 ein Umgangsverfahren betreffend ihre beiden o. g. Kinder stattgefunden, in dem ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist, das gemäß Rechnung der Sachverständigen vom 12.02.2007 Kosten von 2.660,10 Euro verursacht hat. Das Familiengericht hat am 29.06.2007 mit den Beteiligten mündlich verhandelt und beiden Elternteilen ein Gespräch bei der Erziehungsberatungsstelle aufgegeben. In der Folgezeit haben Beratungsgespräche stattgefunden, ehe die Antragsgegnervertreterin unter dem 24.09.2007 mitgeteilt hat, dass die Gespräche nach Auffassung des Beraters keinen weiteren Sinn machten. Als daraufhin bis 10.01.2008 keine weiteren Schriftsätze mehr eingingen, verfügte der Familienrichter "1. Verfahren wird derzeit nicht weiter betrieben. 2. Geschäftswert 3000, 3. ZK, 4. Reg / wegl." Die Kostenbeamtin setzte daraufhin am 11.01.2008 die Sachverständigenkosten gemäß § 2 KostO a. F. zu je 1.330,05 Euro gegen beide Elternteile fest. Interessenschuldner seien beide Eltern, Inanspruchnahme gem. § 8 KostVfg.

    Der Antragsteller zahlte "seine" Hälfte; die Antragsgegnerin teilte der Gerichtskasse telefonisch mit, sie werde einen Stundungsantrag stellen und beim Amtsgericht Lampertheim "PKH beantragen". Später rief sie erneut an, PKH sei vom Amtsgericht abgelehnt worden; der Antrag hätte vorher gestellt werden müssen. Sie könne die Forderung nicht bezahlen, bekomme nur Sozialhilfe und sei arbeitslos. Im November 2008 stellte sie ein neues Stundungsgesuch, weil sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leider nicht gebessert hätten, und legte einen Bescheid über laufende Leistungen nach dem SGB II vor. In der Folgezeit zahlte sie bis zum 12.06.2012 in kleinsten Raten insgesamt 880 Euro. Am 08.05.2013 hat sie die eidesstattliche Versicherung über ihr Vermögen abgegeben. Die im Jahre 2014 dennoch eingeleitete Zwangsvollstreckung über den Restbetrag verlief erfolglos. Weitere Raten wurden von ihr auch nicht mehr gezahlt. Darauf erfolgte auf die Mithaftanfrage der Gerichtskasse vom 04.02.2015 die Inanspruchnahme des Antragstellers als "Zweit- /Mitschuldner" mit Rechnung vom 19.02.2015 über restliche 469,05 Euro "gemäß §§ 2 - 6 KostO, 22 - 27 GNotKG" mit dem weiteren Zusatz "Die versuchte Beitreibung bei dem Erstschuldner war erfolglos." Der Antragsteller widersprach der Rechnung am 26.02.2015 und forderte nähere Informationen, wofür die Kosten gefordert werden. Nach näherer Erläuterung durch die Kostenbeamtin unter dem 19.03.2015 legte er mit Schreiben vom 07.04.2015 Erinnerung ein und berief sich auf den Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist. Nach Stellungnahmen der Bezirksrevisorin und Nichtabhilfe der Kostenbeamtin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, die Erinnerung zurückgewiesen.

    Die dagegen am 08.09.2015 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

    Zu Recht weist das Amtsgericht darauf hin, dass beide Elternteile gemäß § 5 KostO als Gesamtschuldner für die Sachverständigenkosten (Auslagen) haften. Geht man davon aus, dass der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist gem. § 17 KostO a. F. mit den Rechnungen vom 11.01.2008 begonnen hat, wäre jedenfalls grundsätzlich zum 31.12.2012 Verjährung eingetreten. Allerdings sind sowohl die Bezirksrevisorin als auch das Amtsgericht offenbar davon ausgegangen, der Antragsteller sei hinsichtlich der zunächst der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten 1.330,05 Euro nur "Zweitschuldner" und dürfe deshalb zunächst noch nicht in Anspruch genommen werden. Die Bezirksrevisorin verweist darauf, dass selbst dann, wenn man mit einer früheren Entscheidung des OLG Celle (JurBüro 2008, 324) davon ausgehe, der Lauf einer Verjährungsfrist werde durch ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nicht gem. § 205 BGB gehemmt, vorliegend jedoch maßgebend sei, dass die Verjährungsfrist gegen einen Zweitschuldner gemäß § 199 BGB überhaupt erst beginne, wenn die Fälligkeit gegen ihn erstmals eingetreten sei (so OLG Celle, JurBüro 2012, 538; vgl. ferner OLG Düsseldorf, BeckRS 2010, 04544). Ob dieser letzteren Auffassung, der sich das Amtsgericht angeschlossen hat, die aber im Ergebnis auf eine Umgehung von § 205 BGB hinausliefe, zu folgen ist, kann vorliegend allerdings dahinstehen. Denn hier ist zu beachten, dass in selbstständigen FGG-Familiensachen nach altem Recht unter der Geltung von § 2 KostO a. F. gerade kein Erstschuldner aufgrund einer Kostenentscheidung und ein Zweitschuldner existieren, für die jedenfalls nach herrschender Meinung zwingend die Reihenfolge der Inanspruchnahme gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG bzw. § 8 Abs. 1 KostVfg und nach neuem Recht § 26 Abs. 2 FamGKG einzuhalten wäre, sondern Kostenschuldner sind nach § 2 KostO a. F., § 8 Abs. 3 KostVfg auch diejenigen mithaftenden Gesamtschuldner, die noch gar keine Kostenrechnung erhalten haben (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 294 m. w. N). Damit sind die nicht unzweifelhaften Grundsätze der zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf und Celle (a. a. O.) über die Rechtsfolgen der zwingenden Reihenfolge der Inanspruchnahme jedenfalls im vorliegenden Fall mangels Erst- (Entscheidungs-) Schuldner nicht anwendbar. Der Antragsteller war vielmehr von Vornherein Mitschuldner für die gesamte Forderung. Die Forderung war auch nicht etwa in Höhe der Hälfte, die zunächst der Antragsgegnerin in Rechnung gestellt worden ist, ihm gegenüber gestundet, denn eine solche Stundung ist ihm nicht gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 KostO a. F. mitgeteilt worden.

    Selbst wenn man angesichts der Vorgehensweise des Amtsgerichts mit der zunächst getrennten Inanspruchnahme an eine entsprechende Anwendung der o. g. Vorschriften über die spätere Inanspruchnahme von Zweitschuldnern denken wollte (dagegen aber wohl zu Recht OLG Zweibrücken a. a. O.), wäre die Verjährung vorliegend dennoch eingetreten, denn der Aufschub des Eintritts der Fälligkeit bzw. die fingierte spätere Entstehung des Anspruchs gegenüber einem Zweitschuldner endet nach diesen Vorschriften jedenfalls, sobald die Zwangsvollstreckung gegen den Erstschuldner erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Hier wurde eine Zwangsvollstreckung gegen die Antragsgegnerin zwar überhaupt erst im Jahr 2014 eingeleitet und war erfolglos; allerdings hatte die Antragsgegnerin schon im Mai 2013 die eidesstattliche Versicherung über ihr Vermögen abgegeben und seit 2008 war der Gerichtskasse bekannt, dass die Antragsgegnerin sozialhilfebedürftig und vermögenslos war; eine Zwangsvollstreckung war somit bereits damals aussichtslos und die Inanspruchnahme des Antragstellers sofort möglich (vgl. auch § 8 Abs. 3 KostVfg). Verjährung ist ihm gegenüber deshalb am 31.12.2012 eingetreten. Danach kann schließlich dahinstehen, ob von der weiteren Einforderung der restlichen Kosten nicht auch wegen unrichtiger Sachbehandlung gem. § 16 KostO a. F. abzusehen wäre, weil das Verfahren seinerzeit vom Gericht "wegen Nichtbetreibens" nach vier Monaten durch Weglegen der Akte beendet und der zweifellos bedürftigen Antragsgegnerin angeblich deswegen keine Prozesskostenhilfe mehr gewährt wurde, obwohl ein Umgangsverfahren auch unter der Geltung des alten FGG nicht auf diese Weise hätte abgeschlossen werden dürfen.

    Schwamb