OLG Frankfurt vom 20.11.2003 (6 WF 170/03)

Stichworte: Zwangsgeld, Umgangsverfahren, Auskünfte
Normenkette: BGB 1684, FGG 33 FGG 33, BGB 1684
Orientierungssatz: Ein Elternteil kann im Umgangsverfahren nicht zur Mitteilung des Wohnsitzes des Kindes durch Zwangsgeld angehalten werden

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 26.06.2003 am 20. November 2003 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: 1.000,00 EUR.

Gründe:

Die Beschwerde der Mutter gegen die Androhung eines Zwangsgeldes ist gemäß § 19 FGG zulässig und hat auch sachlich Erfolg.

Zu Recht hat allerdings das Amtsgericht der Mutter aufgegeben, ihre Anschrift mitzuteilen. Der Vater hat beim Amtsgericht Antrag auf Regelung des Umgangsrechts gestellt. Das Amtsgericht hat zunächst die für die örtliche Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse von Amts wegen aufzuklären (vgl. BGH FamRZ 1992, 49 und FamRZ 1993, 307). Die Zuständigkeit bestimmt sich nach §§ 43 Abs. 1, 36 FGG in Verbindung mit § 64 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGG, § 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach kommt es vorrangig auf den Wohnsitz des Kindes zu dem Zeitpunkt an, in welchem das Amtsgericht mit der Sache befasst worden ist. Das minderjährige Kind teilt den Wohnsitz des personensorgeberechtigten Elternteils und behält den Wohnsicht, bis es ihn rechtsgültig aufhebt (§ 11 BGB). Wer sich an einem Ort ständig niederlässt, begründet an diesem Ort seinen Wohnsitz; der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen; er wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgegeben wird, sie aufzugeben (§ 7 BGB).

Die Angabe, die Mutter sei mit Hauptwohnsitz unter der Anschrift Y-Straße.. -- in X. gemeldet, sei unter dieser Anschrift postalisch erreichbar und werde dort steuerliche veranlagt, reicht nicht zur Feststellung der Zuständigkeit aus. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Mutter früher ihren Wohnsitz unter dieser Anschrift hatte. Da sie jedoch seit vielen Jahren ersichtlich nicht mehr unter dieser Anschrift wohnt, spricht alles dafür, dass sie ihren Wohnsitz in X. aufgegeben und an anderer Stelle begründet hat. Die Annahme eines Doppelwohnsitzes erfordert, dass an beiden Orten Wohnungen unterhalten werden und beide gleichermaßen den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse darstellen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 7 Rdnr. 13). Auch dies ist nicht erkennbar. Die Meldung beziehungsweise Abmeldung beim Einwohnermeldeamt ist nicht entscheidend.

Danach hat das Amtsgericht zu Recht danach gefragt, wo die Mutter und das Kind wohnen, da davon im Zweifel die örtliche Zuständigkeit abhängt. Diese Angabe ist auch deshalb erforderlich, weil von dem gewöhnlichen Aufenthalt die Zuständigkeit des nach § 49a Abs. 1 Nr. 7 FGG anzuhörenden Jugendamtes (§ 50 Abs. 1 Satz 2, 86 Abs. 2 Satz 1, 87b Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und gegebenenfalls weitere Ermittlungen abhängen.

Die Aufforderung im Beschluss vom 24.03.2003, dem Gericht die Anschrift mitzuteilen, stellt jedoch keine Verfügung nach § 33 FGG dar, die durch Androhung und gegebenenfalls Festsetzung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden kann. § 33 FGG setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung beziehungsweise Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat; aus § 33 FGG selbst kann diese nicht hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.05.2003 - 1 BvR 2222/01, FuR 2003, 408, m.N.). Auch § 12 und § 15 Abs. 1 FGG können nicht als Rechtsgrundlage für die gerichtliche Anordnung herangezogen werden (vgl. BVerfG a.a.O.) § 12 FGG räumt unmittelbar keine Befugnis ein, im Rahmen der Amtsermittlung Angaben zur Wohnung zu erzwingen. Selbst wenn eine förmliche Vernehmung der Mutter als Partei nach den Vorschriften der ZPO durch § 15 FGG für zulässig erachtet würde (so Keidel/Schmidt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 15 FGG Rdnr. 56), kann die Aussage nicht erzwungen werden (vgl. § 446, 453, 454 ZPO). Dies gilt erst recht außerhalb einer förmlichen Beweisaufnahme.

Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das Amtsgericht ist gehalten, die örtliche Zuständigkeit anderweit, etwa durch Anfrage beim Einwohnermeldeamt oder sonstige Einholung amtlicher Auskünfte und Aufenthaltsermittlungen vor Ort in X., zu klären. Es besteht im Übrigen kein Anlass für die Annahme, das Amtsgericht werde nicht notwendige Maßnahmen zum Schutz der Mutter und des Kindes ergreifen. Die Mutter wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass im Falle ihrer weiteren Weigerung, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in geeigneter Weise mitzuteilen, die Gefahr, dass die Anschrift im Rahmen der weiteren Ermittlungen, soweit erforderlich, nicht geheim gehalten wird, steigt und ihr Verhalten gegebenenfalls bei einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache in die Würdigung einfließen kann. Sie wird weiterhin darauf hingewiesen, dass das Familiengericht zur Entscheidung im Rahmen der Gesetze berufen ist und dass sie sich nicht durch ihr Verhalten tatsächlich in die Entscheidungsbefugnis vorbehalten kann.

Noll Kleinle Schmidt