OLG Frankfurt vom 30.10.2014 (6 WF 155/14)

Stichworte: Abänderung, einstweilige Anordnung; einstweilige Anordnung, Hauptsache; negativer Feststellungsantrag; Hauptsacheverfahren; Kostenfestsetzung; Angelegenheit, dieselbe; Angelegenheit, neue;
Normenkette: FamFG 52 Abs. 2; FamFG 54; FamFG 246; ZPO 104 Abs. 3; ZPO 256; RVG 16 Nr. 5; RVG 15 Abs. 5 S. 2;
Orientierungssatz:
  • Gegen eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt kann sowohl durch einen Abänderungsantrag gemäß § 54 FamFG als auch mit einem negativen Feststellungsantrag in einem Hauptsacheverfahren oder mit einem Antrag gemäß § 52 Abs. 2 FamFG vorgegangen werden.
  • Ob ein Antrag auf Abänderung einer einstweiligen Anordnung nach § 54 FamFG oder ein negativer Feststellungsantrag als Hauptsacheverfahren vorliegt, ist durch Auslegung, in unklaren Fällen auch durch Nachfrage und rechtlichen Hinweis, zu ermitteln.
  • Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG bilden mit dem Ausgangsverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls dann kostenrechtlich eine Einheit, wenn seit Erledigung des Ausgangsverfahrens nicht mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
  • 4 F 196/13 UK
    AG Fürth/Odw.

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Einzelrichter

    am 30. Oktober 2014 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürth/Odw. vom 17.03.2014 aufgehoben. Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner vom 12.02.2014 wird zurückgewiesen. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens fallen den Antragsgegnern zur Last.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 627,67 Euro festgesetzt.

    Gründe:

    Der Antragsteller wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen eine Verpflichtung zur Erstattung von Verfahrenskosten in Höhe von 627,67 Euro an die Antragsgegner.

    Mit der Antragsschrift vom 28.05.2013 beantragte der Antragsteller, "bei einer von dem Antragsgegner im schriftlichen Vorverfahren nicht rechtzeitig angezeigten Verteidigungsabsicht durch Versäumnisentscheidung ... ohne mündliche Verhandlung zu beschließen: Die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers aus dem Beschluss des AG Fürth vom 05.12.2012, Az. 4 F 359/12 EAUK wird dahin abgeändert, dass er mit Wirkung ab dem 01.05.2013 nur noch zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von NULL EURO an die Antragsgegner zu 1. und 2. verpflichtet ist." In der Antragsbegründung finden sich Sätze wie "Die einstweilige Anordnung ist antragsgemäß abzuändern ..." oder "Die Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung ist daher antragsgemäß aufzuheben." Es finden sich aber auch Beweisangebote wie "sachverständiges Zeugnis des Steuerberaters ..." oder "Einholung eines Sachverständigengutachtens."

    Das Amtsgericht forderte Vorschuss in Höhe von 408 Euro nach einem Verfahrenswert von 5.964 Euro an, der am 17.06.2013 einging, inzwischen aber wieder zurückgezahlt worden ist.

    Das Amtsgericht ordnete das schriftliche Vorverfahren an, u. a. mit dem Hinweis auf eine mögliche Versäumnisentscheidung.

    Die Antragsgegner erklärten zunächst, sie würden sich "gegen den Antrag verteidigen" und beantragten dann, den Antrag zurückzuweisen, denn dem Antrag fehle bereits das "Rechtsschutzinteresse" und der Antragsteller sei weiterhin leistungsfähig. Erstmals in seiner Replik hierauf erklärte der Antragsteller dann, soweit die Antragsgegner mit ihrem Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse augenscheinlich auf § 238 FamFG abstellten, sei das falsch, weil dieser nur auf "End-Entscheidungen, nicht einstweilige Anordnungen" zutreffe und für einstweilige Anordnungen "ausschließlich § 54 FamFG" gelte. Dass dessen Voraussetzungen nicht vorlägen, werde nicht behauptet.

    Das Amtsgericht beraumte daraufhin "Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung" an. Die Antragsgegner erwiderten nun: "Der Antragsteller begehrt mit dem Antrag vom Mai 2013 die Abänderung einer einstweiligen Anordnung ... Es handelt sich demzufolge um einen Abänderungsantrag im Sinne von § 54 FamFG. Denn nur im EA-Abänderungsverfahren kann die Abänderung einer einstweiligen Anordnung angestrebt ... werden." Die Antragsgegner tragen sodann zu den ihres Erachtens fehlenden Voraussetzungen nach § 54 FamFG vor. Weiter wird von den Antragsgegnern aber noch ausgeführt, nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller "eine Entscheidung in der Hauptsache herbeiführen möchte, zumal der Sachvortrag nicht glaubhaft gemacht wird, sondern Zeugenbeweis angeboten wird." Die Antragsgegner resümieren: "Ein solcher negativer Feststellungsantrag - nur ein solcher käme als Hauptsacheverfahrensantrag in Betracht - wäre unzulässig", denn es fehle an einem Feststellungsinteresse, weil dem Antragsteller der Weg des § 52 FamFG eröffnet sei, wonach er beim Gericht den Antrag stellen könne, dass der Gegenseite eine Frist zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens gesetzt wird.

    Im Protokoll der anschließenden mündlichen Verhandlung finden sich zu dieser gesamten Problematik keine rechtlichen Hinweise oder weitere Erklärungen der Beteiligten. Der Antragstellervertreter stellt lediglich den o. a. Antrag aus der Antragsschrift, dessen Zurückweisung die Antragsgegnervertreterin beantragt.

    Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, legte dem Antragsteller "die Kosten des Verfahrens" auf und setzte zunächst den Verfahrenswert mit 5.964 Euro für den vollen Unterhalt in 12 Monaten fest. In den Gründen heißt es, der Antragsteller "begehrt die Abänderung der einstweiligen Anordnung zum Kindesunterhalt." Der Antrag sei "nach § 54 I FamFG zulässig, aber nicht begründet." Der Antragsteller habe eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die auch im Abänderungsverfahren einer einstweiligen Anordnung erforderlich sei, vorgetragen. Es folgen Ausführungen, weshalb der Antrag nicht begründet ist, und das Fazit, "genauere Feststellungen" könnten "in dem einstweiligen Anordnungsverfahren nicht getroffen werden." Auf Beschwerde des Antragstellers, der Gegenstandswert betrage nach § 41 FamFG nur die Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Werts, änderte das Amtsgericht den Verfahrenswert entsprechend ab und setzte ihn nun auf 2.982 Euro fest.

    Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner, den diese dem herabgesetzten - von der Antragsgegnervertreterin allerdings mit gesonderter Beschwerde (6 WF 156/14) ebenfalls noch angefochtenen - Verfahrenswert angepasst haben, setzte die Rechtspflegerin beim Amtsgericht am 17.03.2014 die geltend gemachten Kosten in Höhe von 627,67 Euro nebst Zinsen zur Erstattung durch den Antragsteller an die Antragsgegner fest.

    Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers, der auf § 16 RVG verweist, wonach das Verfahren auf Abänderung einer einstweiligen Anordnung gegenüber dem ursprünglichen EA-Verfahren keine neue Angelegenheit bildet.

    Die Antragsgegner wenden sich nun gegen die eigene frühere Annahme, es habe sich um ein Verfahren der einstweiligen Anordnung gehandelt, sondern vertreten jetzt die Auffassung, es habe sich um ein Hauptsacheverfahren gehandelt.

    Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gem. §§ 113 FamFG, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig; sie ist auch begründet, denn letztlich hat der Antragsteller doch nur ein Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG betrieben. Insoweit gilt § 16 Nr. 5 RVG, wonach Abänderungsverfahren gemäß § 54 FamFG mit dem Ausgangsverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dieselbe Angelegenheit bilden und neue Anwaltsgebühren nicht entstehen; entsprechend hat die Staatskasse auch den Gerichtskostenvorschuss inzwischen wieder zurückgezahlt, weil nach Vorbemerkung 1.4 des KV-FamGKG Gerichtsgebühren ebenfalls nur einmal erhoben werden. Da seit der Erledigung des ursprünglichen EA-Verfahrens durch Beschluss vom 05.12.2012 bis zur erneuten Beauftragung beider Verfahrensbevollmächtigten keine zwei Kalenderjahre vergangen sind, kann auch dahingestellt bleiben, ob die in der allgemeinen Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG enthaltene Fiktion, dass eine weitere Tätigkeit mehr als zwei Kalenderjahre nach Erledigung eines Auftrags ausnahmsweise doch als neue Angelegenheit gilt, die spezielle Vorschrift des § 16 Nr. 5 RVG insoweit außer Kraft zu setzen vermag.

    Allerdings zeigt der vorliegende Fall exemplarisch, welche Verkomplizierung statt Vereinfachung der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Verfahrensrechts in diesem Bereich mit der Einführung des FamFG, insbesondere auch durch die zusätzliche Abschaffung der Begrifflichkeiten wie Klage bzw. Urteil herbeigeführt hat. Die Abgrenzung zwischen einstweiliger Anordnung und Hauptsacheverfahren verschwimmt; sie ist vielfach ohne Nachfrage oder rechtlichen Hinweis kaum möglich. Den Antragsgegnern ist vorliegend zuzugeben, dass nach der äußeren Form der ursprünglichen Antragsschrift, nicht zuletzt auch der Bezeichnung der Beteiligten im neuen Rubrum, alles außer der Formulierung des Antrags selbst für ein Hauptsacheverfahren sprach, das mit einem sogenannten negativen Feststellungsantrag auch zulässig gewesen wäre. Insoweit teilt der Senat nicht die Auffassung der Antragsgegner, dass sich der Antragsteller zwingend auf das umständliche Verfahren nach § 52 Abs. 2 FamFG hätte einlassen müssen, wonach ein Hauptsacheverfahren von ihm nur initiiert werden könnte, wenn er beantragt, das Gericht möge den damaligen Antragstellern eine Frist zur Einleitung eines Hauptsacheverfahrens setzen, denn diese Möglichkeit ist keine einfachere Alternative gegenüber dem negativen Feststellungsantrag (OLG Jena FamRZ 2012, 54; OLG Hamm FuR 2013, 52; Keidel/Giers, FamFG, zu § 246 Rn. 8; Horndasch/Viefhues/Roßmann, zu § 246 Rn. 9; aA Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, zu § 246 FamFG Rn. 9). Offenbar ist auch das Amtsgericht, wie seine oben wiedergegebene Verfahrensweise belegt, jedenfalls bis zur Terminierung von einem Hauptsacheverfahren ausgegangen. Allerdings ist die äußere Form letztlich nicht ausschlaggebend, wenn die Auslegung ergibt, dass der ermittelbare wahre Wille der Beteiligten zu einem davon abweichenden Ergebnis führt, das jedenfalls vertretbar ist. Wie ausgeführt, lässt erstmals die Replik auf die Antragserwiderung erkennen, dass der Antragsteller tatsächlich ein Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG führen wollte. Die Antragsgegner haben sich mit den Worten "Es handelt sich demzufolge um einen Abänderungsantrag im Sinne von § 54 FamFG" dieser Sichtweise letztlich angeschlossen und lediglich hilfsweise ausgeführt, ein negativer Feststellungsantrag sei "nicht auszuschließen." Da der Antragsteller hierzu nicht noch einmal Stellung genommen hat und das Gericht, wenn auch ohne rechtlichen Hinweis, mit seiner Entscheidung auf diese Linie umgeschwenkt ist, hat es dabei nun auch für die Frage der Kosten mit der Folge einer Anwendung von § 16 Nr. 5 RVG zu verbleiben. Danach sind neue Gebühren nicht entstanden. Ob sich der Gesetzgeber der Folge bewusst war, dass gerade in den Unterhaltsverfahren nach § 246 FamFG mangels Notwendigkeit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens praktisch endlos kostenlose EA-Verfahren nach § 54 FamFG durchgeführt werden können, jedenfalls sofern keine mehr als zwei Kalenderjahre zwischen zwei Abänderungsverfahren vergehen, mag bezweifelt werden, ist aber nach der gesetzlichen Regelung hinzunehmen.

    Die Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 1, 3 FamGKG iVm Nr. 1912 KV-FamGKG, § 91 ZPO.

    Schwamb