OLG Frankfurt vom 24.08.2000 (6 WF 144/00)

Stichworte: Scheidungsrecht, kroatisches Sühneversuch, Notwendigkeit
Normenkette: EGBGB 4 Abs. 1 S. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 14 Abs. 1 Nr. 1, 1 ZPO 606a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Kroatischen Gesetz Nr. 31, Pos. 1168 vom 27.10.1989 über die Ehe und über die Familienbeziehungen,Artikel 59 Abs. 1, 64.
Orientierungssatz: Zur Notwendigkeit eines Sühneversuchs im Scheidungsverfahren nach kroatischem Recht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 11.07.2000 gegen den prozeßkostenhilfeversagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 16.06.2000 / Nichtabhilfebeschluß vom 13.07.2000 am 24.08.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Darmstadt, das die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat, zur erneuten Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch zurückverwiesen.

G r ü n d e

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde führt in der Sache zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, das bei seiner neuen Entscheidung (noch) die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen auf Seiten der Antragstellerin zu prüfen hat (§ 575 ZPO).

Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann hinreichende Erfolgsaussicht des Scheidungsbegehrens der Antragstellerin nicht verneint werden.

Beide Parteien sind kroatische Staatsangehörige. Sie leben beide in der Bundesrepublik Deutschland. Das noch minderjährige Kind C. befindet sich in Obhut der Antragstellerin. Bei diesen Gegebenheiten ist das deutsche Familiengericht für den beabsichtigten Scheidungsrechtsstreit international zuständig (§ 606a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

Kollisionsrechtlich zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß Artikel 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative EGBGB das Scheidungsrecht der Republik Kroatien beruft, deren ebenfalls berufenes internationales Privatrecht (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB) die Rechtsverweisung auch annimmt.

Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des Amtsgerichts, wonach die begehrte Ehescheidung daran scheitere, daß von den Ehegatten vor dem zuständigen kroatischen Vormundschaftsorgan bisher kein Versöhnungsversuch durchgeführt worden ist.

Artikel 59 Abs. 1 des kroatischen Gesetzes Nr. 31, Pos. 1168 vom 27.10.1989 über die Ehe und über die Familienbeziehungen (Abgedruckt bei Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien, Stand: 30.07.1997, S. 33 ff.) sieht vor, daß ein Ehegatte, der eine auf Artikel 54 gestützte Scheidungsklage einreichen will, bzw. beide Ehegatten - im Fall eines gemeinsamen nach Artikel 56 unterbreiteten Vorschlags der Ehescheidung (gemäß Artikel 54) - verpflichtet sind, sich wegen des Versuchs der Versöhnung vorher an das zuständige Vormundschaftsorgan zu wenden. Wird der Scheidungsantrag bzw. der gemeinsame Vorschlag zur Ehescheidung dem Gericht vorgelegt "bevor gemäß Artikel 59 dieses Gesetzes verfahren wurde", so setzt das Gericht nach Artikel 60 Abs. 1 eine Frist zur Einleitung des Sühneverfahrens. Im nicht Befolgungsfall ist nach Artikel 60 Abs. 2 das Scheidungsbegehren abzuweisen.

Leben indessen - wie hier - die Ehegatten im Ausland, so findet - bei Kinderlosigkeit - kein vorgeschaltetes Sühneverfahren statt (Artikel 61 Abs. 1 Nr. 3). Haben die Ehegatten jedoch gemeinsame minderjährige Kinder, "so führt das Vormundschaftsorgan das Verfahren wegen des Versuchs der Versöhnung der Ehegatten durch, wenn es findet, daß die Ehegatten .... im Verfahren .... persönlich auftreten und mitwirken können" (Artikel 61 Abs. 1 in Wiedergabe der Übersetzung bei Bergmann-Ferid, a.O.O.).

Das Amtsgericht hat in diesem Regelungswerk ein Hindernis für die begehrte Ehescheidung nach kroatischem Recht gesehen, solange die Ehegatten nicht das Verfahren wegen des Versuchs der Versöhnung durchgeführt oder nur deshalb nicht zu Ende geführt haben, weil die zuständige kroatische Vormundschaftsbehörde ein solches Verfahren für nicht notwendig gehalten hat.

Im Ergebnis führt diese Auffassung dazu, daß die Parteien zur Schaffung eines (verfahrensrechtlichen) Teils der Voraussetzungen der Ehescheidung auf die Inanspruchnahme ihrer Heimatbehörden verwiesen werden, bevor sie wegen des restlichen sachrechtlichen Teils im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts die Ehescheidung erreichen können, sofern es nicht ratsam ist, trotz hiesiger internationaler Zuständigkeit sogleich das gesamte Scheidungsverfahren im Heimatstaat durchzuführen.

In Fällen der vorliegenden Art wird in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend die nach anzuwendendem Heimatrecht der Ehegatten vorgesehene Notwendigkeit eines Sühneversuchs prozeßrechtlich qualifiziert, d.h. sie ist nach der lex fori zu beurteilen (vgl. OLG München, IPRax 1989, 238, 241 zum Sühneversuch nach iranisch-islamischen Recht; OLG Hamm, IPRax 1995, 174, 176 zum marokkanisch-islamischen Recht; OLG Düsseldorf, FamRZ 1974, 132; OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 168, 169 zum portugiesischen Recht, hier bei tatsächlicher Durchführung des Sühneversuchs durch das deutsche Familiengericht; sowie Palandt- Heldrich, BGB, 59. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rn. 16; Winkler von Mohrenfels in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rn. 108; Staudinger/von Bar/Mankowski (1996), BGB, Art. 17 EGBGB, Rn. 233; Erman-Hohloch, BGB, 9. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rn. 35).

Soweit die Auffassung vertreten wird, der im anzuwendenden ausländischen Recht vorgesehene Sühneversuch könne auch eine sachliche Voraussetzung der Scheidbarkeit sein (vgl. Soergel-Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 17, Rn. 57), ist jedenfalls dieser Schluß bei den vorliegenden Gegebenheiten aus der Regelung des kroatischen Rechts nicht zu ziehen. Anders als Artikel 60 des genannten kroatischen Gesetzes über die Ehe und über die Familienbeziehungen, der in seinem Absatz 1 auf das vorrangig abzuwickelnde Sühneverfahren gemäß Art. 59 verweist und in Absatz 2 bei nicht Einhaltung dieser Vorgabe die Abweisung des gleichwohl gestellten Scheidungsantrags vorsieht und damit eine enge Verknüpfung zwischen Sühneversuch und Ehescheidung herstellt, räumt Artikel 61 Abs. 2 für den Fall, daß die scheidungsbegehrenden Ehegatten zwar im Ausland leben, aber gemeinsame minderjährige Kinder haben, dem zuständigen Vormundschaftsorgan ein gewisses Ermessen dahingehend ein, ob es das Sühneverfahren durchführen will oder nicht. Diese flexible Regelung spricht kollisionsrechtlich für eine prozeßrechtliche Zuordnung.

Das deutsche Familiengericht ist nicht daran gehindert, und es ist ihm im Hinblick auf die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung im Heimatstaat der Parteien sogar anzuraten, im Hauptverfahren in autonomer rechtsvergleichender Qualifikation die kroatischen Scheidungsvoraussetzungen, die nicht unmittelbar mit Hilfe des deutschen Verfahrensrechts herzustellen sind, mit dem gegebenen Rechtsinstrumentarium funktional zu ersetzen (vgl. Palandt-Heldrich, BGB, a.a.O., Einl. v. Art. 3 EGBGB, Rn. 27 mit Literatur- und Rechtsprechungshinweisen). So ermöglicht das deutsche Verfahrensrecht, das bis zum Inkrafttreten des ersten Eherechtsreformgesetzes am 01.07.1977 den obligatorischen gerichtlichen Sühneversuch kannte, auch jetzt noch die Durchführung eines Versöhnungsversuchs. Beispielsweise sieht § 614 Abs. 2 ZPO (sogar) die amtswegige Aussetzung des Scheidungsverfahrens vor, wenn nach der freien Überzeugung des Familiengerichts Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht. Eine solche Folgerung wird in der Regel nur aus einem auf Versöhnung angelegten Gespräch mit den Ehegatten zu ziehen sein (zur Möglichkeit einer Sühneverhandlung nach deutschem Recht, siehe OLG Karlsruhe, a.a.O., 168, 169 sowie Staudinger/von Bar/Mankowski, a.a.O., Art. 17, Rn. 233). Auch ist der Gedanke, daß die Interessen minderjähriger Kinder am Fortbestand der Ehe ihrer Eltern Berücksichtigung finden können, dem deutschen Recht nicht fremd (vgl. § 1568 BGB).

Im Hinblick auf die übrigen Voraussetzungen des kroatischen Scheidungsrechts kann hinreichende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Scheidungsantrags nicht verneint werden. Das auf Artikel 54 des kroatischen Gesetzes über die Ehe und über die Familienbeziehungen gestützte Scheidungsbegehren, dem der Antragsgegner zustimmt, verlangt eine schwere und dauerhafte Störung der Ehebeziehungen, die nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Antragstellerin aller Voraussicht nach darin liegen dürfte, daß sich der Antragsgegner einer anderen Partnerin zugewandt hat.

Der Beschwerde war daher jedenfalls im Hinblick auf die objektiven Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfebewilligung der Erfolg nicht zu versagen.

Kleinle Schmidt Dr. Bauermann