OLG Frankfurt vom 20.07.2018 (6 WF 134/18)

Stichworte: Aussetzung; Aussetzung, Scheidungsverfahren; Heimatscheidung; Auslandsscheidung; Anerkennung, Auslandsscheidung
Normenkette: FamFG 107; FamFG 136; ZPO 148, EGBGB 5 Abs. 1 S. 2
Orientierungssatz:
  • Nach dem neben § 136 FamFG gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG anwendbaren § 148 ZPO ist es in das Ermessen des Familiengerichts gestellt, ob es ein inländisches Scheidungsverfahren aussetzt, wenn eine Auslandsscheidung, über deren Anerkennung im Inland (noch) nicht entschieden wurde, eingewendet wird.
  • Da die Einleitung eines Verfahrens auf Anerkennung der Auslandsscheidung nach § 107 FamFG nur von den Beteiligten beantragt werden kann, das hiesige Scheidungsverfahren aber nicht auf unbestimmte Zeit auszusetzen ist, ist die Aussetzung angemessen zu befristen, um die Anerkennung der Auslandsscheidung durch einen Beteiligten beantragen und betreiben zu können.
  • 72 F 475/16 S
    AG Bensheim

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 24. 4. 2018 am 20. Juli 2018 beschlossen:

    Die angefochtene Entscheidung wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen um folgenden Ausspruch ergänzt:

    Die Aussetzung endet, wenn nicht die Antragsgegnerin oder der Antragsteller bis zum 30. August 2018 bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt, Zeil 42, 60313 Frankfurt, einen Antrag auf Anerkennung des Scheidungsausspruchs der Friedenrichterin des Gerichtsbezirks …, vom … stellen bzw. die Feststellung beantragen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Entscheidung nicht vorliegen, wenn sie nicht die Antragstellung unter Mitteilung des Aktenzeichens des Anerkennungsverfahrens bis zum 28. 9. 2018 dem Amtsgericht Bensheim nachweisen und wenn sie nicht bis zum 30. August 2019 die Entscheidung im Anerkennungsverfahren beibringen.

    Gründe

    I.

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am … in Russland geheiratet. Sie sind beide deutsche und russische Staatsangehörige. Die Ehegatten übersiedelten … nach Deutschland und leben seit vielen Jahren getrennt. Die Ehefrau tritt dem im Jahr 2016 gestellten Scheidungsantrag des Ehemanns unter Hinweis auf einen Scheidungsausspruch eines russischen Gerichts vom … 2013 entgegen, den sie durch Vorlage des Originals nebst beglaubigter Übersetzung eines Ehescheidungsscheins vom … 2013 glaubhaft gemacht hat. Der Ehemann erklärt, er wisse nichts von einem Scheidungsverfahren in Russland. Ihm sei weder ein Scheidungsantrag noch ein Urteil zugestellt worden.

    Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht das Scheidungsverfahren gemäß § 113 Abs. 1 FamFG und § 148 ZPO ausgesetzt und die Ehegatten darauf verwiesen, das Verfahren zur Anerkennung der Auslandsscheidung zu betreiben. Die Aussetzung sei, so die Nichtabhilfeentscheidung, auch zulässig, um die vorgreifliche Anerkennungsentscheidung erst zu veranlassen.

    Mit der sofortigen Beschwerde wendet der Ehemann ein, dass er keine Unterlagen über ein Scheidungsverfahren in Russland besitze. Der Ehefrau müsse daher aufgegeben werden, einen Antrag auf Anerkennung russischen Scheidungsausspruchs zu stellen.

    II.

    Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 252 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig. In Ermangelung eines Nachweises der Zustellung der aus dem Protokoll des Termins vor dem Familiengericht vom 24. 4. 2017 ersichtlichen Aussetzungsentscheidung, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdefrist nach § 569 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Aussetzung des Scheidungsverfahrens im Hinblick auf den von der Ehefrau behaupteten russischen Scheidungsausspruch in Betracht kommt. Wie der Senat in seinem auch das vorliegende Verfahren betreffenden Beschluss vom 29. 8. 2017 (6 WF 132/17) ausgeführt hat, ist trotz der gemeinsamen russischen Staatsangehörigkeit der Ehegatten nicht von einer nach § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG ohne weiteres beachtlichen Heimatscheidung auszugehen, weil beide auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und diese der russischen nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB vorgeht. Die Aussetzungsmöglichkeiten im Scheidungsverfahren sind auch nicht auf die der Eheerhaltung dienende Aussetzung nach § 136 FamFG beschränkt. Parallel ist auch die Aussetzung zur Klärung vorgreiflicher Rechtsverhältnisse nach § 148 ZPO möglich (Keidel-Weber, 19. Aufl., Rn. 3 zu § 136 FamFG). Zutreffend betont das Amtsgericht, dass diese Aussetzung unbeschadet des Umstands in Betracht kommt, dass ein noch nicht anerkanntes ausländisches Scheidungserkenntnis im Inland keine Rechtswirkungen entfaltet. Die Anwendung des § 148 ZPO kann in Fällen einer im Ausland möglicherweise schon erfolgten Scheidung geboten sein, weil eine Anerkennungsentscheidung zur rückwirkenden Feststellung der Scheidung bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Auslandsscheidung führt (BGH, Urteil vom 6. 10. 1982, IVb ZR 729/80, Rn. 20). Dies kann hinsichtlich der Scheidungsfolgen, z.B. bei der Bestimmung des Ehezeitendes nach § 3 Abs. 1 VersAusglG, oder hinsichtlich der Abstammung von Kindern (§ 1592 Nr. 1 BGB) zu Rechtsunsicherheiten führen.

    Nach § 148 ZPO ist es in das - im Beschwerdeverfahren nach bisheriger Rechtsprechung nur begrenzt überprüfbare (BGH, Beschluss vom 12. 12. 2005, II ZB 30/04, Rn. 6) - Ermessen des Familiengerichts gestellt, ob es das inländische Scheidungsverfahren aussetzt, wenn eine ausländische Scheidungsentscheidung eingewandt wird. Der Rechtsauffassung, wonach das inländische Verfahren in solchen Fällen regelmäßig von Amts wegen auszusetzen sei, ist der BGH zu Recht unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass die Anerkennung der ausländischen Scheidung nach § 107 Abs. 4 S. 1 FamFG nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag herbeigeführt werden kann und das Familiengericht nicht antragsberechtigt ist (BGH, Urteil vom 6. 10. 1982, IVb ZR 729/80, Rn. 18 und 19). Das Anerkennungsverfahren stellt die Anerkennung der Auslandsentscheidung im Inland ausdrücklich der Entscheidung der Beteiligten anheim. Eine Pflicht zur amtswegigen Aussetzung solcher Verfahren, für die die Anerkennung der Scheidung eine Vorfrage darstellt, würde die Verfahrensbeteiligten einem indirekten Zwang zur Durchführung des Verfahrens aussetzen, der mit seiner dispositiven Ausgestaltung des Anerkennungsverfahrens nicht in Übereinstimmung stehen würde (OLG Hamburg, Beschluss vom 14. 4. 2014, 2 W 17/11, Rn. 12 - juris). Im Hinblick auf den Justizgewähranspruch der Beteiligten muss - und das hat das Amtsgericht ermessensfehlerhaft außer Betracht gelassen - berücksichtigt werden, dass das Scheidungsverfahren nicht auf unbestimmte Zeit ausgesetzt bleiben kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. 9. 1990, WF 54/89, Rn. 11 - juris). Auch muss dem praktischen Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass möglicherweise nur einer der Ehegatten die ausländische Scheidung betrieben hat und der andere nicht über die notwendigen Dokumente verfügt, um Anträge auf Prüfung der Anerkennungsfähigkeit stellen zu können. Der BGH hatte deshalb darauf hingewiesen, dass den Ehegatten im Fall der Aussetzung in entsprechender Anwendung auch des § 151 ZPO a.F. eine Frist gesetzt werden könnte, innerhalb derer sie das Anerkennungsverfahren betreiben sollten (BGH, Urteil vom 6. 10. 1982, IVb ZR 729/80, Rn. 20). Nachdem § 151 ZPO außer Kraft getreten ist und § 154 ZPO keine Rechtsgrundlage für entsprechende Fristsetzung bietet (Zöller-Greger, 32. Aufl., Rn. 2 zu § 154 ZPO), bietet sich die hier gefundene Lösung an, die Aussetzung von vorneherein zeitlich bis zur Einleitung sowie Erledigung des Anerkennungsverfahrens nach § 107 FamFG zu beschränken.

    Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegen eine Aussetzungsentscheidung Teil der Kosten des Rechtsstreits sind, über die im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden ist (BGH, Beschluss vom 17. 12. 2014, XII ZB 521/12, Rn. 2).

    Dr. Ostermann