OLG Frankfurt vom 18.09.2017 (6 WF 133/17)

Stichworte: Sachverständigenvergütung; Ablehnung; Befangenheit
Normenkette: JVEG 4; JVEG 8 a; ZPO 406 Abs. 1; ZPO 42 Abs. 2; FamGKG 3 Abs. 2; FamGKG 57
Orientierungssatz:
  • Wenn der Kostenschuldner im Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz geltend macht, er dürfe nicht mit Kosten eines Sachverständigen belastet werden, weil dieser schuldhaft Ablehnungsgründe herbeigeführt hat, ist über die Begründetheit der Ablehnung ohne Bindung an die im Hauptverfahren bzw. im Verfahren auf Festsetzung der Sachverständigenvergütung ergangenen Entscheidungen zu befinden.
  • Erweist sich der Grund, der im Hauptverfahren zu erfolgreichen Ablehnung geführt hat, nicht als stichhaltig, ist im Erinnerungsverfahren ergänzend zu prüfen, ob die Ablehnung aufgrund anderer im Hauptverfahren geltend gemachter Ablehnungsgründe begründet war.
  • 58 F 2228/12 UG
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang

    pp.

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Einzelrichter auf die Beschwerden gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 6. 6. 2017 am 18. September 2017 beschlossen:

    Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert. Die in den Gerichtskostenrechnungen vom 27. 7. 2015, Kassenzeichen 055077501036 und 055077501038, abgerechnete Vergütung für die Tätigkeit des Sachverständigen Dr. D in Höhe von jeweils 8.145,43 € wird nicht erhoben.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Inanspruchnahme für Kosten, die in einem Umgangsverfahren durch ein Sachverständigengutachten entstanden sind.

    Die Beschwerdeführer sind die Eltern des betroffenen Kindes. Es lebt bei dem Antragsgegner. Der Umgang der Antragstellerin war durch gerichtliche Entscheidung eingeschränkt worden, weil eine in einem früheren Verfahren tätige Sachverständige die Besorgnis eines Mitnahmesuizids vor dem Hintergrund einer vermuteten Persönlichkeitsstörung geäußert hatte. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin Anordnung unbegleiteten Umgangs erstrebt. Das Amtsgericht hat mit Beweisbeschluss vom 14. 12. 2012 ein Gutachten des Sachverständigen Dr. D eingeholt, das dieser am 23. 7. 2013 erstattet hat. Der Antragsgegner hat den Sachverständigen danach wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er beanstandete u.a., dass der Sachverständige den Vater des Antragsgegners in die Begutachtung einbezogen hat, obwohl das Amtsgericht seinen Auftrag auf seine entsprechende Anfrage hin nicht dahingehend erweitert hatte. Außerdem hatte der Sachverständige, der beauftragt war, das Verhältnis des Kindes zu beiden Elternteilen zu beUrteilen, nur eine Beobachtung der Interaktion zwischen Mutter und Kind in einem Spielzimmertermin durchgeführt und hierauf bei dem Vater unter Hinweis darauf verzichtet, dass dieser ihn zuvor schon einmal wegen Befangenheit abgelehnt hatte. Schließlich hat der Sachverständige, der nur zu Fragen des Umgangs Stellung nehmen sollte, in seinem Gutachten ausgeführt, dass „... die Erziehungseignung des Vaters mit allen Konsequenzen verneint werden ...“ müsse, wenn er sich weiter gegen Umgangskontakte zwischen der Mutter und dem Kind ausspreche. Das Amtsgericht hat die Ablehnung mit Beschluss vom 22. 11. 2013 für begründet erklärt und sich dabei allein auf die Überschreitung des Auftrags durch Einbeziehung des Großvaters väterlicherseits in die Exploration bezogen. Mit Beschluss vom 29. 1. 2014 hat es die Vergütung des Sachverständigen auf Null festgesetzt, weil er durch die Exploration grob fahrlässig einen Ablehnungsgrund geschaffen habe. Auf die Beschwerde des Sachverständigen hat das Landgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 9.7.2014 aufgehoben und das Amtsgericht angewesen, die Vergütung neu festzusetzen, weil das Überschreiten des Gutachtenauftrags nicht die Besorgnis der Befangenheit und jedenfalls nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründe. Mit den weiteren von dem Antragsgegner angeführten Ablehnungsgründen hat es sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Das Amtsgericht hat die Vergütung des Sachverständigen daraufhin auf 16.290,86 € festgesetzt.

    Die Gerichtskosten des Umgangsverfahrens wurden gegeneinander aufgehoben und der Kostenbeamte hat den beteiligten Eltern u.a. je 8.145,43 € für das Gutachten des Sachverständigen … in Rechnung gestellt. Die Antragstellerin hat hiergegen Erinnerung eingelegt. Aus ihrer Sicht hätten die Kosten niedergeschlagen werden müssen, weil das Amtsgericht die Ablehnung des Sachverständigen zu Unrecht für begründet erklärt hatte und dadurch das ihr günstige Gutachten unverwertbar geworden sei. Der Antragsgegner hat Erinnerung eingelegt und zur Begründung u.a. aufgeführt, dass der Sachverständige grob fahrlässig Ablehnungsgründe geschaffen habe. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Erinnerungen zurückgewiesen, weil die Gerichtskosten den beteiligten Eltern je zur Hälfte auferlegt und die Sachverständigenvergütung auf 16.290,68 € festgesetzt worden sei, obwohl ihre Einwendungen bereits bekannt waren. Die Beteiligten haben hiergegen aus den bereits mit ihren Erinnerungen vorgebrachten Gründe:n Beschwerde eingelegt.

    II.

    Die gemäß § 57 Abs. 2 FamGKG statthaften Beschwerden sind zulässig und begründet. Die Beschwerdeführer sind nicht verpflichtet, Kosten des Gutachtens des Sachverständigen Dr.… zu erstatten, weil dieser im Rahmen der Begutachtung grob fahrlässig Gründe:geschaffen hat, die zu seiner Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit berechtigten.

    Gemäß § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 FamGKG i. V. m. Nr. 2005 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG haben die Verfahrensbeteiligten als Kostenschuldner Sachverständigenvergütung nur dann zu erstatten, wenn sie nach dem JVEG zu zahlen war. Es kommt also nicht darauf an, ob das Gericht Beträge gezahlt hat, sondern ob es zur Zahlung verpflichtet war (Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., Rn. 1 zu Nr.9005 des KV-GKG). Das Amtsgericht hat übersehen, dass dies im Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz selbständig zu prüfen ist. Eine gerichtliche Entscheidung über Vergütungsansprüche eines Sachverständigen ergeht immer nur in seinem Verhältnis zur Staatskasse. Die Verfahrensbeteiligten sind im dem Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG nicht zu beteiligen und nicht beschwerdeberechtigt (§ 4 Abs. 3 JVEG). Dementsprechend hat die gerichtliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 9 JVEG keine Wirkungen zu ihren Lasten, wenn sie als Kostenschuldner herangezogen werden (BGH, Beschluss vom 7. 9. 2011, VIII ZB 22/10, Rn. 8 - juris).

    Nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG erhält ein Sachverständiger, der im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig Gründe:geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen, eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Die Vorschrift ist erst zum 1. 8. 2013 in Kraft getreten und gemäß § 24 JVEG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Sachverständige schon vorher beauftrag worden ist. § 8a JVEG normiert allerdings nur Regelungen zu den Vergütungsfolgen einer fehlerhaften Tätigkeit, die zuvor schon in der Rechtsprechung entwickelt worden waren (Hartmann, a.a.O., Rn. 1 zu § 8a JVEG). Auch vor seinem Inkrafttreten wurden Vergütungsansprüche als verwirkt angesehen, wenn ein Sachverständiger aufgrund grob fahrlässig herbeigeführter Umstände erfolgreich als befangen abgelehnt wurde (OLG Stuttgart, B. v. 30. 7. 2014, 8 W 388/13, Rn. 4 - juris; OLG Rostock, B. v. 3. 9. 2013, 7 W 6/13, Rn. 6 - juris; OLG Koblenz, B. v. 8. 7. 2013, 14 W 372/13, Rn. 2 - juris; OLG Karlsruhe, B v 3. 8. 2011, 14 W 18/ 11, Rn. 5 - juris; OLG Naumburg, B. v. 25. 6. 2009, 12 W 50/09, Rn. 5 - juris; OLG Zweibrücken, B. v. 11. 4. 2007, 6 W 34/06, Rn. 12 - juris; OLG Nürnberg, B. v. 6. 2. 2007, 2 W 192/07, Rn. 6 - juris).

    Die Verwirkung der Vergütung wegen vorwerfbarer Schaffung von Ablehnungsgründen setzt die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen in dem Verfahren voraus, in dem er beauftragt wurde. Die Entscheidung im Hauptverfahren hat aber im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG keine bindende Wirkung. Das festsetzende Gericht hat vielmehr selbständig zu prüfen, ob Ablehnungsgründe gegeben waren (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.4.2007, 6 W 34/06, Rn. 13 - juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 8.9.2011, 8 U 2204/08, Rn. 41 - juris; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.4.2015, 10 W 57/14, Rn. 11; Binz/Dörnhöfer, 3. Aufl., Rn. 10 zu § 8a JVEG). Das versteht sich aus dem Umstand, dass der Sachverständige im Hauptverfahren keine Möglichkeit hat, gegen den Beschluss, durch den seine Ablehnung für begründet erklärt wird, Rechtsmittel einzulegen (§ 406 Abs. 5 ZPO). Auch den Verfahrensbeteiligten steht gegen eine solche Entscheidung keine Beschwerde zu. Deshalb darf die Prüfung der Ablehnungsgründe im Verfahren über ihre Erinnerung gegen den Kostenansatz auch nicht auf die Gründe:beschränkt werden, die im Hauptverfahren zum Erfolg der Ablehnung geführt haben. Erweisen sich diese Gründe:im Erinnerungsverfahren nicht als stichhaltig, ist auch zu prüfen, ob andere zur Begründung der Ablehnung angeführte, aber im Hauptverfahren mit Blick auf den nicht stichhaltigen Grund nicht mehr berücksichtigte Gründe:die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen konnten.

    Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob die Einbeziehung des Großvaters väterlicherseits die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt hat, denn die Ablehnung des Sachverständigen durch den Antragsgegner wäre auch aus anderen Gründe:n für begründet zu erklären gewesen.

    Gemäß § 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 406 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der es rechtfertigt, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe:in Betracht, die solches Misstrauen vom Standpunkt eines nüchtern urteilenden Verfahrensbeteiligten aus betrachtet rechtfertigen können. Es ist nicht erforderlich, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Vielmehr genügten objektive Gründe:, die aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu Zweifeln geben (BGH, Beschluss vom 11.4.2013, VII ZB 32/112, Rn. 10 - juris). Solche Gründe:hat der Sachverständige vorliegend geschaffen. Zum einen hat er sorgerechtliche Maßnahmen zum Nachteil des Antragsgegners mit der Folge eines Obhutswechsels gefordert, was das Kind zum Objekt eines von ihm gesehenen Bedürfnisses nach Sanktionierung einer aus nicht ganz unverständlichem Anlass im Umgangsverfahren eingenommenen Haltung gemacht hätte. Zum anderen hat der Sachverständige eine ihm zunächst geboten erscheinende Exploration nicht aus sachlichen Gründe:n, sondern unter Verweis auf ein Ablehnungsgesuch unterlassen und sich damit dem Verdacht, ausgesetzt, er sei gegen den Antragsgegner voreingenommen, weil dieser an seiner Neutralität gezweifelt hat.

    Zumindest den ersten angeführten Ablehnungsgrund hat der Sachverständige auch grob fahrlässig geschaffen. Grob fahrlässiges Handeln liegt dann vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Auflage, Rn. 5 zu § 277 BGB). Es ist sich eine sich aufdrängende Überlegung, dass der Sachverständige sich während der Gutachtenerstattung neutral verhalten und verdachtsbegründende Formulierungen vermeiden muss. Ein Sachverständiger handelt nicht ohne weiteres grob fahrlässig, wenn ihm im Gutachten - vor allem bei der mündlichen Erörterung - ungeschickte Formulierungen unterlaufen, die ein subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit rechtfertigen können. Zu den naheliegenden Überlegungen zählt es aber, dass der Entwurf eines schriftlichen Gutachtens auch in dieser Hinsicht noch einmal kritisch durchgesehen werden muss. Wäre das mit der notwendigen Sorgfalt geschehen, hätte sich dem Sachverständigen aufdrängen müssen, dass eine Änderung der Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Folge einer bloßen Meinungsäußerung völlig unverhältnismäßig ist, ihm dazu kein Urteil zusteht und seine Forderung nach einem Obhutswechsel als Sanktion für eine Meinungsäußerung zum Umgang dem Antragsgegner Veranlassung geben musste, an seiner Neutralität zu zweifeln.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist gebührenfrei und eine Erstattung von Kosten findet nicht statt (§ 57 Abs. 8 FamGKG).

    Dr. Ostermann