OLG Frankfurt vom 19.09.2016 (6 WF 125/16)

Stichworte: Vergütung; Umgangspfleger; Verpflichtung; Wirksamkeit
Normenkette: FamFG 155; BGB 242; BGB 1684; BGB 1789, 1915
Orientierungssatz:
  • Die Tätigkeit eines durch eine wirksame gerichtliche Entscheidung „bestellten“ Umgangspflegers kann nach den Umständen des Einzelfalls trotz fehlender Verpflichtung (§ 1789 BGB) zu vergüten sein, wenn die Versagung einer Vergütung den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widerspräche.
  • Eine Vergütung ist jedenfalls zu gewähren, wenn ein Pfleger im Vertrauen auf die richterliche Anweisung aufgrund eines wirksamen Beschlusses in einer Eilsache, die keinen Aufschub duldete, tätig geworden ist.
  • 50 F 840/14 UG
    AG Dieburg

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang mit

    hier: wegen Vergütung und Auslagenerstattung für die Umgangspflegerin

    Beschwerdeführerin,

    weitere Beteiligte:

    Staatskasse des Landes Hessen

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Umgangspflegerin vom 27.06.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dieburg vom 23.06.2016 am 19. September 2016 beschlossen:

    Der Beschluss vom 23.06.2016 wird abgeändert.

    Die an die Umgangspflegerin und Beschwerdeführerin zu zahlende Vergütung wird auf 1.220,03 Euro festgesetzt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse zur Last gelegt.

    Beschwerdewert: 1.220,03 Euro.

    Gründe:

    Das Amtsgericht – Familiengericht – Dieburg hat in der das oben genannte Kind betreffenden Familiensache mit Beschluss vom 23.06.2015 die Beschwerdeführerin zur Umgangspflegerin bestellt.

    Dabei hat das Amtsgericht ganz offensichtlich ein sofortiges Tätigwerden für erforderlich erachtet und dies der Beschwerdeführerin auch durch Übersendung von Aktenauszügen und eine Befristung der Tätigkeit auf weniger als sechs Monate bis zum 22.12.2015 verdeutlicht. Dem verfahrensleitenden Richter war dabei während seines noch laufenden Verfahrens an einer Anbahnung und Begleitung der Umgänge gelegen; die erwarteten Erkenntnisse sollten zur Grundlage einer neuen Entscheidung werden.

    Das Amtsgericht hat die Festsetzung der von der Umgangspflegerin mit ihrem Antrag vom 10.01.2016 begehrten Vergütung über 1.220,03 Euro in der angefochtenen Entscheidung der Rechtspflegerin vom 23.06.2016 abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin vor Aufnahme ihrer Tätigkeit nicht förmlich auf das wahrzunehmende Amt verpflichtet worden ist.

    Dagegen richtet sich die Beschwerde der Umgangspflegerin.

    Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Darmstadt als Vertreterin der Staatskasse verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf eine ihre Auffassung vermeintlich stützende Entscheidung des 5. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt am Main vom 13.02.2012 (5 UF 407/11).

    Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung der Vergütung als eine Entscheidung im Sinne des § 38 FamFG ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig.

    Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

    Zwar ist grundsätzlich für das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs eines Pflegers aus § 1835 BGB die vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgte förmliche Bestellung in dessen persönlicher Anwesenheit erforderlich (§ 1915 BGB i. V. m. § 1789 BGB), an der es vorliegend fehlt.

    Allerdings ist, wie das OLG Frankfurt am Main gerade auch in dem von der Bezirksrevisorin zitierten Beschluss des 5. Senats für Familiensachen (Beschluss vom 13.02.2012, 5 UF 407/11 = FamRZ 2012, 1890 Ls.) entschieden hat, die Tätigkeit eines Pflegers nach den Umständen des Einzelfalls gleichwohl zu vergüten und Aufwendungsersatz zu leisten, wenn eine Versagung den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widerspräche (ebenso OLG Hamm FamRZ 2014, 672; OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 888; OLG Koblenz FamRZ 2010, 1173; LG Münster FamRZ 2010, 473; AG Gießen, Beschluss vom 16.08.2011, 244 F 310/11 PF; Menne, ZKJ 2010, 245 f.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 02.03.2016 (XII ZB 196/13), der eine Anwendung von § 242 BGB ebenfalls nicht ausschließt; der dort zur Entscheidung über eine Betreuervergütung zugrunde liegende Fall einer in einem vorläufigen Beschluss ausdrücklich befristeten und anschließend nicht nahtlos vom Gericht verlängerten oder erneut beschlossenen Betreuung mit der Folge, dass der ersichtlich entstandene Zwischenzeitraum nicht vergütet werden kann und auch kein diesbezüglicher Rechtsschein erzeugt worden war, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt bereits im Ansatz nicht vergleichbar.

    Vorliegend ist ein gemäß §§ 40, 41 FamFG grundsätzlich mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordener richterlicher Beschluss ergangen; die darin gesetzte Frist lief bis zum 22.12.2015. Auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vergütungsantrag. Schon insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt grundsätzlich von der Fall-konstellation des BGH aus dem Betreuungsrecht, in der es an einer Beschluss-fassung für den streitigen Zeitraum fehlte. Die vorliegende Angelegenheit, die als Umgangssache schon nach § 155 Abs. 1 FamFG einem besonders gesetzlich geregelten Beschleunigungsgebot unterliegt, war hier noch zusätzlich dadurch gekennzeichnet, dass eine Umgangsregelung bestand, deren weitere Umsetzung mit dem psychisch auffälligen Kindesvater dringend einer Beobachtung bedurfte, die die Umgangspflegerin leisten sollte, ehe eine zunächst angedachte Abänderungsentscheidung ergehen konnte. Der Richter hat deshalb die Umgangspflegerin unter Übersendung der maßgeblichen Aktenauszüge am 01.07.2015 ausdrücklich beauftragt, auf der Grundlage seines wirksamen Beschlusses tätig zu werden. Schon dies widerspricht der Auffassung des Bezirksrevisors, für die er sich auch nicht auf die oben zitierte Entscheidung des 5. Senats für Familiensachen berufen kann, die Umgangspflegerin hätte die Aufnahme der Tätigkeit bis zu einer etwaigen Verpflichtung verweigern müssen. Die Situation stimmt bereits von daher nicht mit der ansonsten für die Anwendung von § 1789 BGB typischen Ausgangslage überein, in der ein Vormund oder Pfleger vom Rechtspfleger ausgewählt und von diesem auch sogleich zur Bestellung vorgeladen wird. Es war vielmehr unwidersprochen die Umgangspflegerin selbst, die wegen ihrer Verpflichtung sogar nachgefragt hat, ohne dass ihr jedoch eine Vorladung zugekommen ist. Die Notwendigkeit einer solchen Verpflichtung wurde offenbar zunächst weder von der Rechtspflegerin noch von der eingeschalteten Bezirksrevisorin angenommen, wie der Umstand verdeutlicht, dass anfangs nur die vermeintlich zu hohe Ansetzung von Stunden für die erstatteten Berichte moniert worden ist. Vor diesem Hintergrund widerspräche es eklatant Treu und Glauben, wenn die im Vertrauen auf die richterliche Anweisung auf der Grundlage eines wirksamen Beschlusses in einer Eilsache, die keinen Aufschub duldete, tätig gewordene Beschwerdeführerin ihrer Ansprüche verlustig ginge, obwohl offenbar weder der entscheidende Richter noch die zuständige Rechtspflegerin damals von der Notwendigkeit einer Verpflichtung ausgegangen sind. Die Staatskasse ist deswegen vorliegend nach § 242 BGB verpflichtet, die Beschwerdeführerin zu vergüten und die entstandenen Kosten für ihre Tätigkeit zu erstatten.

    Der Senat kann nach der Aktenlage auch bereits über die Höhe der Vergütung in der Sache selbst entscheiden. Die Vergütung und die Auslagen sind antrags-gemäß festzusetzen. Die zunächst von der Rechtspflegerin und der angehörten Bezirksrevisorin erhobenen Einwände gegen die angesetzten Stunden für die Berichte an das Gericht greifen nicht durch. Es wurden tatsächlich sogar elf (nicht nur neun) Schreiben an das Gericht verfasst und versandt, wobei es sich zwar in fünf Fällen nur um kurze Sachstandsnachrichten handelte, in den weiteren sechs Berichten jedoch auch um fachliche Einschätzungen, die einer eingehenderen gedanklichen Vorbereitung vor der eigentlichen Abfassung bedurften. Dabei ist es unerheblich, dass der Umgangspflegerin bei der Datierung verschiedener Berichte der Fehler unterlaufen ist, das Datum früherer Berichte nochmals einzusetzen. Schon anhand der Zeitpunkte des Eingangs, aber auch nach den verschiedenen Inhalten dieser Berichte ist unschwer erkennbar, dass es sich insoweit nur um offensichtliche Schreibversehen handelte. In der Sache selbst sind die 12 Stunden im Ergebnis auch nicht nur für die elf Schreiben an das Gericht in Ansatz gebracht worden, sondern auch für die Beantwortung diverser SMS des Kindesvaters, deren Zeitaufwand von angeblich 3,75 Stunden aber nicht zusätzlich in Rechnung gestellt worden ist.

    Insgesamt wird der in Rechnung gestellte Zeitaufwand hiernach den gestellten Aufgaben gerecht und ist nicht überhöht, so dass nach allem die auch rechnerisch zutreffend ermittelten 1.220,03 Euro anzuweisen sind.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung folgt aus § 35 FamGKG.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen; der Senat weicht – wie ausgeführt – weder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch der anderer Oberlandesgerichte ab, sondern trifft eine Einzelfallentscheidung nach Billigkeit.

    Schwamb Dr. Ostermann Dr. von Pückler