OLG Frankfurt vom 30.03.1999 (6 UFH 3/99)

Stichworte: Pflegschaft, Zuständigkeit, Abgabe, Anhörung
Normenkette: FGG 46 Abs. 2, Abs. 3
Orientierungssatz: Zur Zuständigkeitsbestimmung bei Abgabe zur Übernahme an ein anderes Gericht im Pflegschaftsverfahren

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache betreffend das minderjährige Kind

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Vorlage des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 05.03.1999 zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 46 Abs. 2 FG am 30.März 1999 beschlossen

Eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat ist mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht veranlaßt.

Die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main zurückgegeben, weil eine ordnungsgemäße Abgabe an das Amtsgericht - Familiengericht - Groß-Gerau nicht vorliegt.

Gründe

Die Amtsgerichte - Famliengerichte - Frankfurt am Main und Groß-Gerau streiten um die Frage ihrer Zuständigkeit für das vorliegende Pflegschaftsverfahren. Das Amtsgericht - Familiengericht - Groß-Gerau hat die Sache dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Der Senat wäre auch zur Entscheidung hierüber gemäß § 46 Abs. 2, Abs. 3 FGG befugt, weil das Amtsgericht als das Gericht, an das die Sache abgegeben werden soll, dem Zuständigkeitsbereich des Darmstädter Familiensenats angehört. Indessen ist eine obergerichtliche Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zweier Familiengerichte nur veranlaßt, wenn eine ordnungsgemäße Abgabe des einen Gerichts an das andere vorliegt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das hierfür zunächst zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main hat durch Beschluß vom 13.08.1998 fürdas am 09.08.1998 auf dem Rhein-Main-Flughafen ohne elterliche Begleitung eingetroffene Kind xxx. zwei vorläufige Pflegschaften eingeleitet und zugleich zwei Pfleger bestellt, und zwar das Stadtjugendamt Frankfurt am Main mit dem Wirkungskreis der Versorgung mit Unterkunft und Aufenthaltsbestimmung, der Herbeiführung der Vormundschaft am Aufenthaltsort, der medizinischen Versorgung, und der Vertretung gegenüber Behörden sowie die Rechtsanwältin R.-K. in Frankfurt am Main mit dem Wirkungskreis asylrechtlicher und ausländerrechtlicher Betreuung. Nachdem das Kind "mit dem Ziel der Endplazierung" in eine Jugendhilfeeinrichtung im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Groß-Gerau "verlegt" worden ist, hat das Stadtjugendamt Frankfurt am Main mit Schreiben vom 27.01.1999 um Entlassung aus dem Amt des vorläufigen Pflegers gebeten. Das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main hat sodann durch Beschluß vom 08.02.1999 "die vorläufige Pflegschaftsbestellung des Jugendamts Frankfurt am Main aufgehoben" und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Groß-Gerau mit der Bitte um Übernahme abgegeben. Das Amtsgericht Groß-Gerau verweigert die Übernahme. Es ist der Auffassung, daß ein wichtiger Grund über eine Abgabe nicht vorliege.

Unabhängig von der Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 46 Abs. 2 (i.V.m. Abs. 3) FGG vorliegt, ist der weiteren Regelung dieser Bestimmung zu entnehmen, daß eine ordnungsgemäße Abgabe an ein anderes Gericht das Einverständnis des Pflegers, und wenn mehrere Pfleger bestellt sind, die Zustimmung aller Pfleger voraussetzt. Daß die Zustimmung der Rechtsanwältin R.-K. als Pflegerin mit dem Wirkungskreis der asylrechtlichen und ausländerrechtlichen Betreuung des Kindes eingeholt worden wäre, ist den Akten nicht zu entnehmen. Es fehlt daher bereits an einer ordnungsgemäßen Abgabe an das Amtsgericht Groß-Gerau, welche Voraussetzung für einen obergerichtlich zu entscheidenden Zuständigkeitsstreit darstellt (vgl. hierzu auch Keidel-Kuntze, FGG, Teil A, 13. Aufl., § 46 Rn, 9 mit Rechtsprechungsnachweisen sowie Bumiller-WInkler, FGG, 5. Aufl., § 46 Anm. 3e).

Der Senat gibt daher die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main zurück, das gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine mit dem Amtsgericht Groß-Gerau "verhandlungsfähige" Abgabe zu schaffen hat.

Der Senat weist darauf hin, daß im Fall der Zustimmung der als Pflegerin bestellten Rechtsanwältin R.-K. zur Abgabe der Sache an das Amtsgericht Groß-Gerau wegen der Vorläufigkeit der Pflegschaftsanordnung und des voraussichtlichen Erfordernisses weiterer Maßnahmen für das Kind, dessen Unterbringung im Bezirk des Amtsgerichts Groß-Gerau auf Dauer angelegt ist, ein wichtiger Grund im Sinne des § 46 Abs. 2 FGG zu bejahen sein dürfte.

Dr. Weychardt Kleinle Dr. Bauermann