OLG Frankfurt vom 29.03.1999 (6 UF 86/99)

Stichworte: Anhörung, Kindeswohl, Erforderlichkeit, Ersetzung, Einbenennung, Eingriffsschwelle
Normenkette: FGG 50a, 50b
Orientierungssatz: Zu den Voraussetzung der Ersetzung der Einwilligung des nichtsorgeberechtigten Elternteils zur Einbenennung und zur Anhörungspflicht des Familiengerichts

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für das Kind

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 25.02.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Familiengericht (Rechtspflegerin) Michelstadt vom 08.02.1999 am 29.03.1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht (Rechtspflegerin) - Michelstadt zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens mitzuentscheiden haben wird.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM (§ 30 Abs. 2 KostO).

G r ü n d e

Die Eltern des am 19.05.1995 geborenen Kindes Alexander sind geschiedene Eheleute. Die Mutter ist alleinsorgeberechtigt. Sie hat wieder geheiratet und möchte dem Kind den neuen Ehenamen erteilen. Weil der leibliche Vater nicht eingewilligt hat, hat die Mutter das Familiengericht angerufen. Die Rechtspflegerin hat, da der Vater sich nicht rechtzeitig gemeldet halte, die fehlende Einwilligung mit Beschluß vom 08.02.1999 ersetzt, Mit an das Familiengericht gerichtetem Schriftsatz vom 25.02.1999, welchen dem Senat am 0303.1999 vorgelegt worden ist, begehrt der Vater die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Mutter bittet uni Zurückweisung des Rechtsmittels.

Die Beschwerde des Vaters ist zulässig. Seine Beschwerde ist nicht als einfache Beschwerde nach § 19 FGG, sondern als befristete Beschwerde im Sinne des § 621e ZPO in Verbindung mit § 11 Rechtspflegergesetz in der Fassung des Rechtspflegeränderungsgesetzes vom 06. August 1998 zu werten. Zwar ist das Fristerfordernis hier erfüllt, gleichwohl legt der Senat im Hinblick auf künftige Verfahren Wert auf die Feststellung, daß der Ersetzungsbeschluss des § 1618 Satz 4 BGB unter den Zuständigkeitskatalog des § 621 ZPO fällt und dem formalisierten Rechtsmittelverfahren des § 621e WO unterliegt, weswegen der Rechtspfleger auch die förmliche Zustellung seiner Beschlüsse zu veranlassen hat, um den für den Beteiligten so wichtigen Eintritt der formellen Rechtskraft des Ersetzungsbeschlusses herbeizuführen.

Die Beschwerde des Vaters hat in der Sache selbst vorläufig Erfolg und führt über die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht. Das von der Rechtspflegerin geführte Verfahren leidet nämlich an einem wesentlichen Verfahrensmangel, der nicht vom beschließenden Senat sondern von der ersten Instanz zu beheben ist (entsprechend §§ 539, 540 ZPO). Zwar ist für die Ersetzung der fehlenden Einwilligung des Vaters nicht der Famlienrichter, sondern der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr. 2a Rechtspflegergesetz; siehe auch Künkel in FamRZ 1998, 877), gleichwohl gelten auch für diesen Funktionsträger die besonderen Verfahrensvorschriften des § 50a FGG, d.h. die Eltern sind stets persönlich anzuhören (unter Umständen auch das Kind gern. § 50b FGG). Die Rechtspflegerin hätte also die Eltern zu einem Anhörungstermin laden und mit diesen die beabsichtigte Einbenennung des Kindes persönlich erörtern müssen. Gründe für ein Absehen von diesem Erfordernis sind nicht ersichtlich. Im Hinblick darauf, daß ein Richtervorbehalt nicht (mehr) besteht, sind an die Verfahrensweise des Rechtspflegers erhöhte Anforderungen zu stellen, bevor das Verfahren unmittelbar an den Familiensenat des Oberlandesgerichts gelangt. Die Rechtspflegerin wird also das Versäumte nachzuholen haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
BR Für eine Namensänderung kommt es nicht darauf an, daß diese dem Wohl des Kindes dient oder förderlich ist, das Wohl des Kindes muß die Namensänderung vielmehr erfordern. "Mit der 'Erforderlichkeit1 ist die Eingriffsschwelle hoch gesteckt . . .', wie Wagenitz in FamRZ 1998, 1546/1550ff. näher ausführt. Dabei ist zu bedenken, daß die Namensänderung auch etwas mit Identität bzw. Identitätsverlust sowie mit den Bindungen an den leiblichen Vater zu tun hat. Dessen Interessen sind gleichwertig denen der übrigen Beteiligten. Die Rechtspflegerin wird auch zu erwägen haben, ob statt einer vollständigen "substituierenden Einbenennung" vielmehr entsprechend dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die mildere Möglichkeit einer nur "additiven Einbenennung' ausreicht, um den Interessen der Stieffamilie, in der Alexander nun lebt, gerecht zu werden. Schließlich wird die Rechtspflegerin das Beschwerdevorbringen des Vaters im übrigen bei ihrer erneuten Beschlußfassung mitzuberbücksichtigen haben.

Dr. Weychardt Dr. Bauermann Kleinle