OLG Frankfurt vom 20.04.2004 (6 UF 78/01)

Stichworte: Zusatzversorgung, Deutsche Post, Dynamik Dynamik, Zusatzversorgung, Deutsche Post Deutsche Post, Zusatzversorgung
Normenkette: BGB 1587a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3
Orientierungssatz: Die Versorgungsrente aus der Zusatzversorgung bei der Deutschen Post AG ist im Leistungsteil dynamisch, da sie nach Maßgabe der Steigerung der Lebenshaltungskosten jährlich angepasst wird.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 06. März 2001 am 20. April 2004 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch zum Versorgungsaus-gleich abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst: Von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Bundesver-sicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, VSNR: 52 260921 P 002 werden auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, VSNR: 52 120726 F 522 in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwart-schaften in Höhe von monatlich 615,36 EUR, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.07.2000, übertragen. Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Post (jetzt Rentenservice der Deutschen Post AG), Geschäftszeichen: B 2450 VA 1159/00, werden auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundes-versicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, VSNR: 52 120726 F 522, in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwart-schaften in Höhe von monatlich 496,98 EUR begründet, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.07.2000. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander auf-gehoben.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

Beschwerdewert: 2.374,00 EUR.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Es hat in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Höhe von 1.203,54 DM übertragen.

Zusätzlich hat es zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Post Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 585,06 DM begründet.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragsgegnerin, dass die Berechnung der Versorgungsanstalt der Deutschen Post über die während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften des Antragstellers unrichtig sei. Es müsse ein höherer Betrag zugrunde gelegt werden.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie ist so auszulegen, dass nur die Höhe der gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG begründeten Rentenanwartschaften angegriffen ist, nicht jedoch die Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 1.203,54 DM gemäß § 1587b Abs. 1 BGB. Zwar enthält die Beschwerdebegründung keine ausdrückliche Beschränkung. Die Antragsgegnerin hat jedoch während des gesamten Beschwerdeverfahrens auch nicht ansatzweise dargelegt, wieso die von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erteilten Auskünfte, die der Übertragung von Rentenanwartschaften nach § 1587b Abs. 1 BGB zugrunde liegen, unrichtig sein sollen. Der Vorsitzende hat diese Auslegung des Beschwerdebegehrens der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 15.03.2004 mitgeteilt, ohne dass sie widersprochen hätte. Damit ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerde auf die Begründung von Anwartschaften zu Lasten der Versorgungsanwartschaften bei der Versorgungsanstalt der Post beschränkt. Im übrigen müsste die Beschwerde erfolglos bleiben, wenn sie sich auch auf die Übertragung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erstrecken würde, da dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung ausweislich der eingeholten Auskünfte der Bundesversicherungsanstalt offensichtlich richtig ist.

Die Beschwerde ist begründet, da der Begründung von Rentenanwartschaften zu Lasten der Versorgungsanwartschaften bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Post eine höhere Anwartschaft zugrunde zu legen ist, als im angefochtenen Urteil.

Die Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost wurde bis zum Jahre 1999 nach einem Gesamtversorgungssystem aus gesetzlicher Rentenversicherung und Zusatzversorgung berechnet. Dies entsprach der Regelung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und bei den kommunalen Zusatzversorgungskassen. Die Versorgungsanstalt der Deutschen Post hat dieses System ab dem Jahr 2000 umgestellt. Seit dem werden die Renten jährlich, entsprechend den Veränderungen der Lebenshaltungskosten angepasst. Die Anpassungssätze betrugen zum 01.07.2000 1,3 %, zum 01.07.2001 1,9 %, zum 01.07.2002 2,5 % und zum 01.07.2003 1,3 %. Die Versorgungsanstalt der Post hat die Versorgungsanwartschaft zum Ende der Ehezeit (31.07.2000) in der Weise errechnet, dass sie zunächst den Ehezeitanteil der Zusatzversorgung nach der letzten im Gesamtversorgungssystem erfolgten Rentenanpassung zum 01.07.1999 errechnet hat und diesen Betrag dann um den Steigerungssatz von 1,3 % zum 01. Juli 2000 erhöht hat.

Sie hat zunächst mit Auskunft vom 08.01.2001 einen Ehezeitanteil der Versorgungsrente von 942,92 DM mitgeteilt, zu diesem kommt noch ein statischer Ausgleichsbetrag von 736,61 DM. Den Ehezeitanteil der Versorgungsrente hat sie in der Weise berechnet, dass sie eine ehezeitbezogene Gesamtversorgung errechnet und hiervon den Ehezeitanteil der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgezogen hat. Bei der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts hat sie vom gesamtversorgungsfähigen Bruttoentgelt neben den Sozialversicherungsbeiträgen einen Lohnsteuerbetrag nach der Steuerklasse 1 abgezogen. Tatsächlich liegt der zum Ende der Ehezeit und auch weiterhin gezahlten Rente eine - niedrigere - fiktive Steuerbelastung nach der Steuerklasse 3/0 zugrunde. Dies kommt daher, dass zum Eintritt des Versorgungsfalls im Jahr 1984 der Antragsteller verheiratet war und nicht dauernd getrennt lebte. In diesem Fall wird der Berechnung des gesamtversorgungsfähigen Nettoentgelts die Steuerklasse 3 zugrunde gelegt. Spätere Änderungen der Steuerklasse ändern hieran nichts. Die Versorgungsanstalt der Post hat die Auffassung vertreten, dass für den Versorgungsausgleich von der Steuerklasse 1 auszugehen sei, weil diese am Ende der Ehezeit maßgebend gewesen sei.

Auf Anforderung durch den Senat hat die Deutsche Post - Rentenservice - die die Rentenberechnung und Abwicklung inzwischen von der Versorgungsanstalt der Post übernommen hat, eine neue Berechnung vorgelegt, in der sie das fiktive Nettoarbeitsentgelt, ausgehend vom gesamtversorgungsfähigen Bruttoentgelt unter Berücksichtigung der Steuerklasse 3 ermittelt hat. Hiernach beläuft sich der Ehezeitanteil der Versorgungsrente zum Ende der Ehezeit auf 862,48 EUR, wobei der für das Jahr 1999 ermittelte Ehezeitanteil von 851,41 EUR um die Anpassung zum 01.07.2000 von 1,3 % erhöht ist.

Von dieser Berechnung, welche die für die Rentenzahlung an den Antragsteller tatsächlich zugrunde gelegten Eckwerte berücksichtigt, ist auszugehen. Die Höhe der Versorgungsanwartschaft bestimmt sich nach den Bemessungsgrundlagen zum Ende der Ehezeit. Diese sind davon bestimmt, dass das fiktive Nettoentgelt unter Ansatz der Steuerklasse 3 ermittelt ist. Da die Steuerklasse 3 zu niedrigeren Steuern führt als die Steuerklasse 1, ist dieser Betrag zwangsläufig höher, als er es wäre wenn Steuerklasse 1 zugrunde gelegt würde. Der Mehrbetrag bei Ansatz von Steuerklasse 3 gegenüber Steuerklasse 1 stellt keinen familienbezogenen Bestandteil der Versorgung dar, welcher gemäß § 1587a Abs. 8 BGB unberücksichtigt bleiben müsste. Familienbezogene Zuschläge, die für die Bemessung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts eine Rolle spielen, sind für die Ermittlung der Versorgungsrente aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu berücksichtigen (BGH FamRZ 1985, S. 797). Denn diese Zuschläge, die sich bei der Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts niederschlagen, sind nicht in der gezahlten Rente enthalten, sondern lediglich Bestandteil der für die Ermittlung der Gesamtversorgung maßgeblichen Bemessungsgrundlagen. Nichts anderes kann gelten für den Ansatz einer günstigeren Steuerklasse bei der Ermittlung der Gesamtversorgung. Hinzu kommt folgendes: § 1587a Abs. 8 BGB hat den Zweck Versorgungsbestandteile auszuschalten, die nur während eines vorübergehenden Zeitraums gezahlt werden und wegfallen wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Hier ist es aufgrund der Satzung der Versorgungsanstalt der Post so, dass dem Antragsteller die günstigere Berechnung nach Steuerklasse 3 endgültig verblieben ist und nicht mehr entfallen kann.

Nicht zu beanstanden ist auch die grundsätzliche Berechnungsweise der Deutschen Post, welche den Ehezeitanteil bezogen auf das Jahr 1999 nach dem bis dahin geltenden Gesamtversorgungssystem ermittelt hat und der Erhöhung zum Ende der Ehezeit dadurch Rechnung getragen hat, dass sie den Erhöhungsbetrag von 1,3 % hinzugerechnet hat. Denn die Berechnung nach dem Gesamtversorgungssystem schlägt insoweit auf das Ende der Ehezeit und die Folgezeit durch, als keine Neuberechnung der Renten von Grund auf erfolgt, sondern die nach dem Gesamtversorgungssystem errechnete Rente seit dem Jahr 2000 jährlich angepasst wird.

Die Versorgungsrente bei der Versorgungsanstalt der Post ist vom Amtsgericht zutreffend als volldynamisch behandelt worden. Die jährliche Anpassung errechnet sich nach dem vom statistischen Bundesamt ermittelten Lebenshaltungskostenindex. Hierin unterscheidet sich die Rente von den Renten der VBL und der Kommunalen Zusatzversorgungskassen, die derzeit nur um 1 % angepasst werden, und das auch nur befristet. Allerdings ist in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Literatur angenommen worden, eine Anpassung lediglich an die Lebenshaltungskostensteigerung, rechtfertige noch nicht die Annahme einer Dynamik (BGH, FamRZ 1995, S. 88, 91 m.w.N.). Dies war damals und in der Zeit davor richtig, ist es aber heute nicht mehr. In den letzten Jahren sind die Steigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung nicht über die Steigerungssätze hinausgegangen. In den Jahren 1995 bis 2002 betrugen die Steigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durchschnittlich 1,19 %, in der Beamtenversorgung durchschnittlich 1,56 % (siehe die Tabelle von Gutdeutsch, FamRZ 2003, S. 737). Der Verbraucherpreisindex ist im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 1,4 % gestiegen. Die einzelnen Jahreswerte erhält man, wenn man die bei Palandt-Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1376, Rn. 30 wiedergegebenen Verbraucherpreisindizes jeweils zum Index aus dem Vorjahr in Bezug setzt. Eine Änderung dieser Entwicklung dahin, dass die Altersversorgungssysteme wieder stärker steigen würden als die Lebenshaltungskosten, ist auf lange Sicht nicht zu erwarten. Die Entwicklung ist derzeit eher gegenläufig.

Statisch ist dagegen der an den Antragsteller zusätzlich gezahlte Ausgleichsbetrag, dessen Ehezeitanteil 376,62 EUR beträgt und der unverändert gezahlt wird und weder steigt noch abgebaut wird. Dieser ist nach Maßgabe der Barwertverordnung wie folgt umzurechnen:

Nach Tabelle 7 der Barwertverordnung ergibt sich für den am Ende der Ehezeit 78jährigen Antragsteller ein Barwertfaktor von 6,3 was zu folgender Umrechnung führt:

736,61 DM x 12 x 6,3 = 55.687,72 DM.

Multipliziert mit 0,0000950479 ergeben sich 5,2930 Entgeltpunkte.

Multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 48,58 ergibt sich eine entsprechende dynamische Rente von 257,13 DM oder 131,47 EUR.

Der vom Amtsgericht angesetzte Aktuelle Rentenwert von 48,29 gilt nur bis 30.06.2000.

Der Ehezeitanteil der Anwartschaft des Antragstellers gegenüber der Versorgungsanstalt der Post errechnet sich daher wie folgt:

Versorgungsrente862,48 EUR

Dynamisierter Ausgleichsbetrag131,47 EUR

993,95 EUR.

In Höhe der Hälfte dieses Betrages, also in Höhe von 496,98 EUR waren Rentenanwartschaften zugunsten der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen (§ 1 Abs. 3 VAHRG). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Bewertung der Anwartschaften bei der Versorgungsanstalt der Post hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 621e Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung folgen aus §§ 93a ZPO, 17a GKG.

Noll Kleine Dr. Bauermann