OLG Frankfurt vom 30.06.2015 (6 UF 68/15)

Stichworte: Abänderung; Tod des Ausgleichsberechtigten; Wiedereinsetzung; Zustellung
Normenkette: VersAusglG 31; VersAusglG 51; FamFG 17; FamFG 59; FamFG 63; FamFG 225, 226
Orientierungssatz:
  • Verstirbt ein Ehegatte nach einem rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleich und kommt es erst später zu einem Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG, so hat das Familiengericht den Wertausgleich nach §§ 9 bis 19 VersAusglG vorzunehmen und dabei auch § 31 VersAusglG zu beachten (Anschluss an BGH FamRZ 2013, 1287; OLG Stuttgart FamRZ 2015, 759; Schwamb FamFR 2011, 349).
  • Die Beschwerdefrist begann für die weitere Beteiligte, der die Entscheidung nicht zugestellt worden ist, gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG mit Ablauf von fünf Monaten nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses zu laufen (Anschluss an BGH FamRZ 2015, 839 m. Anm. Schwamb FamRB 2015, 215, 217).
  • 52 F 1039/12 VA
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    In der Familiensache

    pp.

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 sowie die Anschlussbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 21. August 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Gottschalk und Dr. von Pückler

    am 30. Juni 2015 beschlossen:

    Der weiteren Beteiligten zu 3 wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 21. August 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

    Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 21.08.2014 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 06.10.1989 wird mit Wirkung ab 01.06.2012 dahingehend abgeändert, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

    Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.005,- € festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Der 1935 geborene Antragsteller war mit der am … 2000 verstorbenen Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens verheiratet. Anlässlich der Scheidung ihrer Ehe hat das Amtsgericht Darmstadt mit Urteil vom … 1989, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, unter anderem den Versorgungsausgleich zwischen den Eheleuten durchgeführt. Dabei hat es bezogen auf die Ehezeit vom 1. November 1974 bis zum 31. Mai 1988 unter Berücksichtigung von Anwartschaften der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (damals: BfA) sowie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und der Anwartschaften des Ehemanns bei dem Land Hessen … im Saldo zulasten der Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei dem Land Hessen … auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften in Höhe von 511,44 DM im Monat begründet.

    Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller mit seiner am 18. Mai 2012 eingegangenen Antragsschrift gegenüber den Erben seiner ehemaligen Ehefrau beantragt, den Versorgungsausgleich gemäß § 51 VersAusglG abzuändern.

    Das Amtsgericht hat daraufhin die ursprüngliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit dem angegriffenen Beschluss vom 21. August 2014 abgeändert. Es hat angeordnet, dass der Antragsteller ein Anrecht bei dem Land Hessen … in Höhe von [mtl.] 322,68 € (korrespondierender Kapitalwert: 64.871,20 €) auszugleichen habe. Vom Versicherungskonto seiner ehemaligen Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sei ein Anrecht in Höhe von 5,2290 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 19.446,17 €) und von ihrem Versorgungskonto bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ein Anrecht in Höhe von 9,27 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: 3.037,60 €) auszugleichen. Wegen der in die Entscheidung einbezogenen Ausgleichswerte wird auf die zur Akte gereichten Auskünfte der beteiligten Versorgungsträger Bezug genommen.

    Der Beschluss wurde der weiteren Beteiligten zu 3 [VBL] nicht zugestellt.

    Mit bei Gericht am selben Tage eingegangenem Schriftsatz vom 23. März 2015 hat die weitere Beteiligte zu 3 nach Kenntniserlangung über den Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Beschwerde gegen den amtsrichterlichen Beschluss erhoben. Zur Begründung hat sie insbesondere darauf verwiesen, dass gemäß § 31 VersAusglG kein Versorgungsausgleich stattfinden dürfe, da der Antragsteller die höheren Anrechte erworben habe. Der Antragsteller hat im Wege der Anschlussbeschwerde ebenfalls beantragt, anzuordnen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die weiteren beteiligten Versorgungsträger haben sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Die Antragsgegner haben sich im Beschwerdeverfahren nicht mehr geäußert.

    II.

    Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig.

    Die weitere Beteiligte zu 3 hat die einmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG zur Erhebung der Beschwerde versäumt. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde ihr zwar nicht zugestellt. Doch begann gleichwohl die Beschwerdefrist gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG mit Ablauf von fünf Monaten nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am 21. August 2014 zu laufen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015, XII ZB 571/13 = FamRZ 2015, 839, Anm. Schwamb FamRB 2015, 217; Beschluss vom 10. Juli 2013, XII ZB 411/12 = FamRZ 2013, 1566, Rn. 16 ff.). Sie war bei Eingang der Beschwerde am 23. März 2015 abgelaufen.

    Der weiteren Beteiligten zu 3 ist allerdings antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat die unterbliebene Zustellung des amtsrichterlichen Beschlusses an sich nicht zu verantworten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, XII ZB 411/12 = FamRZ 2013, 1566, Rn. 22). Mangels Zustellung hat sie erst durch die Mitteilung des Antragstellers Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung erlangt. Darauf hat sie nicht nur Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, sondern innerhalb der Frist auch die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt.

    Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt. Ein am Verfahren beteiligter oder zu beteiligender Versorgungsträger wird durch eine gerichtliche Entscheidung in seinem Recht beeinträchtigt, wenn der in der angegriffenen Entscheidung angeordnete Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist. Auf eine wirtschaftliche Mehrbelastung des Versorgungsträgers kommt es dabei nicht an. Es genügt, dass ein bei ihm bestehendes Anrecht nicht oder zu Unrecht in den Wertausgleich bei der Scheidung einbezogen worden ist (BGH NJW-RR 2012, 577 (578); NJW-RR 2013, 385 (385 f.)). Gleiches gilt, wenn ein bei ihm bestehendes Anrecht auf unzutreffende Weise ausgeglichen wurde (BGH FamRZ 2011, 547 (547)). Die weitere Beteiligte zu 3 rügt, dass ein Ausgleich der bei ihr bestehenden Anrechte der Antragsgegnerin nicht habe angeordnet werden dürfen, da der Versorgungsausgleich insgesamt zu unterbleiben habe, und damit einen Eingriff in ihre Rechtsstellung. …

    In der Sache sind die Beschwerde wie die Anschlussbeschwerde begründet.

    Auf Antrag ändert das Gericht gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, bei einer wesentlichen Wertänderung ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt.

    Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abänderung der Ausgangsentscheidung vom 6. Oktober 1989 liegen vor. Der Antragsteller ist gemäß § 52 Abs. 1 VersAusglG iVm § 226 Abs. 1 FamFG berechtigt, Abänderungsantrag zu stellen, denn die Abänderung wirkt sich zu seinen Gunsten aus, § 225 Abs. 5 FamFG. Die Voraussetzung des § 226 Abs. 2 FamFG, wonach der Antrag frühestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt zulässig ist, ab dem ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Anrecht bezieht oder dies auf Grund der Abänderung zu erwarten ist, ist in der Person des Antragstellers erfüllt, da er bereits eine laufende Altersrente bezieht.

    Wie das Amtsgericht bereits festgestellt hat, übersteigt die eingetretene Wertänderung die in § 51 Abs. 2 VersAusglG iVm § 225 Abs. 3 FamFG vorausgesetzten Wesentlichkeitsgrenzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts Bezug genommen.

    Der Senat teilt die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin, dass ein Ausgleich des Versorgungsausgleichs gemäß § 51 VersAusglG iVm § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG insgesamt zu unterbleiben hat.

    § 51 Abs. 1 VersAusglG sieht nicht nur die Abänderung desjenigen Anrechts vor, dessen Wertänderung die Abänderungsmöglichkeit nach § 51 Abs. 2 VersAusglG gewährt, sondern eröffnet eine Totalrevision sämtlicher "in den Ausgleich einbezogenen Anrechte" (BT-Drucks. 16/10144 S. 89). Das schließt auch diejenigen in die Erstentscheidung einbezogenen Anrechte ein, die in der Zwischenzeit keine erhebliche Wertänderung erfahren haben (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013, XII ZB 635/12 = FamRZ 2013, 1287 Rn. 19, 24). Verstirbt ein Ehegatte nach einem rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleich und kommt es erst später zu einem Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG, so hat das Familiengericht den Wertausgleich nach §§ 9 bis 19 VersAusglG vorzunehmen und dabei auch § 31 VersAusglG zu beachten (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013, XII ZB 635/12 = FamRZ 2013, 1287, Rn. 25, 26; OLG Stuttgart FamRZ 2015, 759; Schwamb

    FamFR 2011, 349).

    Nach § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG haben die Erben kein Recht auf einen Wertausgleich. Dies bedeutet, dass ein Wertausgleich auch im Abänderungsverfahren zu unterbleiben hat, wenn dieser sich ausschließlich zu Gunsten der Erben des verstorbenen ehemaligen Ehepartners auswirken würde.

    Eben dies ist nach den in der ersten Instanz eingeholten aktuellen Auskünften der beteiligten Versorgungsträger der Fall. Würde der Versorgungsausgleich durchgeführt, wären zulasten der Altersversorgung des Antragstellers Anwartschaften bei dem Land Hessen, Regierungspräsidium Darmstadt, mit einem korrespondierenden Kapitalwert von insgesamt 64.871,20 € zu übertragen. Umgekehrt wären zulasten der Altersversorgung der verstorbenen Antragsgegnerin lediglich Anwartschaften mit einem Kapitalwert von insgesamt 22.483,77 € zu übertragen, nämlich Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 19.446,17 € sowie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 3.037,60 €. Der Versorgungsausgleich hat daher gemäß § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG insgesamt zu unterbleiben.

    Diese Folge tritt allerdings gem. § 226 Abs. 4 FamFG nur für die Zeit ab Antragstellung ein (BGH a. a. O., Rn. 27); das ist vorliegend der 01.06.2012.

    Der Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen.

    Schwamb Gottschalk Dr. von Pückler