OLG Frankfurt vom 01.07.1999 (6 UF 64/99)

Stichworte: Notbedarf, Einsatz der Arbeitskraft, italienisches Unterhaltsrecht
Normenkette: HaagUPflG Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 vom 02.10.1973 - gleichlautend mit Art. 18 Abs. 4 Satz 2 EGBGB Cc Art. 156 Abs. 3 nach Art. 433 ff, Art. 438
Orientierungssatz: Ehegattenunterhalt nach italienischem Recht nach gerichtlicher Trennung; Notlage im Sinne des Art 138 (stato di bisogno)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt 01. Juli 1999 beschlossen:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für die Berufung gegen das am 28.01.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Michelstadt wird zurückgewiesen.

G R Ü N D E

Dem Kläger kann keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, da seine Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 119 ZPO).

Für die Unterhaltspflichten der Parteien, die nach italienischem Recht gerichtlich getrennt leben, ist das italienische Recht maßgebend (Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 02.10.1973 - gleichlautend mit Art. 18 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hat nämlich das Familiengericht Michelstadt durch Urteil vom 10.07.1997 (F 497/96) unter Anwendung italienischen Rechtes die gerichtliche Trennung der Parteien von Tisch und Bett für die Zeit ab dem 10.07.1997 ausgesprochen.

Da nach den Feststellungen des Amtsgerichts in dem Urteil vom 10.07.1997 auch ausgesprochen worden ist, daß die Trennung dem Kläger angelastet wird, richtet sich die Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt (alimenti) an den Kläger gemäß Art. 156 Abs. 3 Cc nach Art. 433 ff Cc., Art. 438 Cc lautet (zitiert nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Italien Seite 86): Unterhalt kann nur von dem verlangt werden, der dessen bedarf und nicht in der Lage ist, seinen eigenen Unterhalt zu beschaffen. Der Unterhalt ist zuzusprechen gemäß dem Bedarf dessen, der ihn verlangt und gemäß den wirtschaftlichen Umständen desjenigen, der ihn zu leisten hat. Er darf den Betrag nicht übersteigen, der für das Leben des Unterhaltsempfängers erforderlich ist, wobei jedoch seine soziale Stellung zu beachten ist. ...

Eine Notlage im Sinne des Art 138 (stato di bisogno) liegt nur vor, wenn der Unterhalt begehrende Ehegatte nicht über das für seine Existenz Notwendige verfügt und auch nicht durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern vermag (vgl. Funke, Trennung und Scheidung im italienischen Recht - vermögensrechtliche Folgen, 1997, Seite 104 ff mit Nachweisen). Eine solche Notlage ist nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 29.10.1998 selbst vorgetragen, daß er am unteren Rand des Existenzminimums lebt. Angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse auch der Beklagten kann er ohnehin keine Besserstellung verlangen. Ab Beginn des streitigen Unterhaltszeitraums (15.05.1998) erhielt der Kläger folgende Lohnersatzleistungen:

* vom 10.05. bis 11.10.1998 Krankengeld von 4.314,60 DM, monatlich also etwa 863,00 DM, * ab 12.10.1998 Arbeitslosenhilfe von 197,40 DM Arbeitslosenhilfe von 197,40 DM wöchentliche (x 52/12 = 855,40 DM monatlich * seit 01.01.1999 Arbeitslosenhilfe von 197,89 DM wöchentlich (x 52/12 = 857,52 DM monatlich).

Aufgrund des Einkommensteuerbescheids für 1997 vom 16.06.1998 hat der Kläger weiterhin eine Erstattung von 1.646,59 DM erhalten (ohne Aufrechnung mit fälligen Beträgen zur Kraftfahrzeugsteuer!), durchschnittlich also weitere 137,22 DM monatlich. Im übrigen ist der Wohnbedarf mit 315,52 DM gedeckt.

Darüber hinaus hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, weshalb er nicht bei gesteigertem Einsatz seiner Arbeitskraft seinen Notbedarf decken kann. Nach eigenen Angaben hat er keine Bemühungen unternommen, eine Arbeit zu finden. Aus den ärztlichen Bescheinigungen ergibt sich, wie bereits das Amtsgericht ausgeführt hat, keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Insbesondere zeigt die fachärztliche Bescheinigung des Herrn Dr. B. vom 24.03.1998 zwar gesundheitliche Einschränkungen auf, nicht jedoch daß der Kläger arbeitsunfähig ist. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie H. hat ebenfalls lediglich bescheinigt, daß der Kläger sich wegen Depressionen und Spielsucht in ambulanter Behandlung befindet. Der Kläger hat im übrigen selbst angegeben, daß seine Spielsucht seit 1997 geheilt sei. Trotz der Ausführungen im angefochtenen Urteil, hat er keine (weiteren) detaillierten Ausführungen zur Erwerbsfähigkeit gemacht. Da der Kläger zudem auf Antrag Arbeitslosenhilfe erhält, kann auch hieraus geschlossen werden, daß er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Bei einem Lebensalter von 53 Jahren kann eine reale Chance, daß der Kläger eine Erwerbstätigkeit auch einfachster Art, die zumindest seinen Notbedarf deckt, finden kann, nicht ausgeschlossen werden.

Als weitere Voraussetzung für die Gewährung des eingeschränkten Unterhalts muß die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gegeben sein, die aufgrund seiner gesamten wirtschaftlichen Lebensverhältnisse zu beurteilen ist. Für die konkrete Bemessung des Unterhalts sind die Positionen beider Ehegatten unter Berücksichtigung ihrer sozialen Stellung gegeneinander abzuwägen (vgl. Funke a.a.O., Seite 107). Nach der Lohnsteuerbescheinigung für 1998 und der Krankengeldbescheinigung vom 30.04.1999 ergibt sich unter Abzug der vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers für 1998 ein durchschnittliches Nettoeinkommen der Beklagten von etwa 2.154,00 DM. Unter Berücksichtigung von gegebenenfalls noch geltend zu machenden berufsbedingten und sonstigen Kosten kann danach nicht von einer uneingeschränkten Leistungsfähigkeit der Beklagten ausgegangen werden, jedenfalls nicht annähernd in Höhe des begehrten Unterhalts von 558,00 DM.

Dr. Weychardt Dr. Bauermann Schmidt