OLG Frankfurt vom 20.07.1999 (6 UF 50/99)

Stichworte: Elterliche Sorge, Abänderung, Kooperationsbereitschaft, Zuständigkeitsregelung, Mitwirkungsrecht
Normenkette: BGB 1696, 1687 Abs. 1 S. 2
Orientierungssatz: Maßstab für die rechtliche Beurteilung der Beschwerde ist allein § 1696 BGB und nicht § 1671 BGB alter Fassung oder in der Fassung des am 01.07.1998 in Kraft getretenen Kindschaftsreformgesetzes, da der Senat bereits durch Beschluß vom 09.12.1996 - 6 UF 204/96 = F 267/96 AG Michelstadt - die elterliche sorge für N. dem Vater übertragen hat und damit eine (bestandskräftige) Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 1672 BGB in der bis 30.06.1998 geltenden Fassung getroffen worden ist, die weiterhin Geltung hat (vgl. Senatsbeschluß vom 30.12.1998 - 6 UF 124/98, FamRZ 1999, 612; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 804).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt am 20. Juli 1999 beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Ausspruch zur Regelung der elterlichen Sorge in dem am 14.01.1999 verkündeten Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Michelstadt wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin fallen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last.

Beschwerdewert: 1.500,00 DM.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

Dem Antragsgegner wird ratenfrei unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

G R Ü N D E

Das Familiengericht hat im angefochtenen Scheidungsverbundurteil die elterliche Sorge für das gemeinschaftliche Kind S., geboren am 09.06.1985, der Mutter (Antragstellerin) und die für das gemeinschaftliche Kind N., geboren am 05.09.1990, auf den Vater (Antragsgegner) übertragen. Mit der Beschwerde begehrt die Mutter die Übertragung der elterlichen Sorge für N. auf beide Eltern zur gemeinschaftlichen Ausübung.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 629a Abs. 2 Satz 1, 621e Abs. 1 und 3 ZPO zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch sachlich keinen Erfolg.

Maßstab für die rechtliche Beurteilung der Beschwerde ist allein § 1696 BGB und nicht § 1671 BGB alter Fassung oder in der Fassung des am 01.07.1998 in Kraft getretenen Kindschaftsreformgesetzes, da der Senat bereits durch Beschluß vom 09.12.1996 - 6 UF 204/96 = F 267/96 AG Michelstadt - die elterliche sorge für N. dem Vater übertragen hat und damit eine (bestandskräftige) Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 1672 BGB in der bis 30.06.1998 geltenden Fassung getroffen worden ist, die weiterhin Geltung hat (vgl. Senatsbeschluß vom 30.12.1998 - 6 UF 124/98, FamRZ 1999, 612; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 804).

Triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe, die eine Änderung der bereits bestehenden Sorgerechtsregelung gemäß § 1696 Abs. 1 BGB rechtfertigen, liegen nicht vor. Die Mutter ist damit einverstanden, daß N. entsprechend seiner bei der Anhörung abgegebenen Erklärung weiterhin in der Obhut des Vaters leben könne. Damit soll ohnehin die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB beim Vater verbleiben, so daß die Mutter aus den von ihr geäußerten Vorbehalten wegen der tatsächlichen Betreuung selbst keine Folgerungen ziehen will.

Es mag hier dahinstehen, ob im Rahmen eines Abänderungsverfahrens unter erleichterten Bedingungen Rechnung getragen werden kann, daß das Verhältnis von Einzelsorge und gemeinsamer Sorge inhaltlich neu geregelt worden ist, da vorliegend auch nach neuem Recht ein gemeinsames Sorgerecht nicht dem wohl des Kindes am besten entspricht. Die Grundkonzeption der Neuregelung beruht nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 13/4899 S. 63) auf zweierlei Erwägungen: "Zum einen steht außer Frage, daß es für die betroffenen Kinder das Beste ist, wenn sich die Eltern auch nach der Scheidung einvernehmlich um deren Angelegenheiten kümmern. Für ein solches Einvernehmen bietet die gemeinsame elterliche Sorge einen geeigneten Rahmen. Bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge wird bei dem Kind am wenigsten das Gefühl aufkommen, einen Elternteil zu verlieren. Andererseits läßt sich jedoch Gemeinsamkeit nicht verordnen. Wenn Eltern sich bei Fortbestehen der gemeinsamen sorge über die das Kind betreffenden Angelegenheiten fortwährend streiten, kann dies zu Belastungen führen, die dem Kindeswohl zum Nachteil gereichen. In diesen Fällen ist der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu geben." Danach ist für die gemeinsame Sorge ein Mindestmaß an Einvernehmen der Eltern erforderlich, das hier nicht festgestellt werden kann. Eine Kooperationsbereitschaft beider Eltern ist nicht ersichtlich. Ein Vertrauensverhältnis besteht erkennbar zwischen ihnen nicht. Unter diesen Umständen ist eine klare Zuständigkeitsregelung angezeigt, damit, worauf das Jugendamt hingewiesen hat, Ruhe einkehrt. Wenn N. ein ungestörtes Verhältnis zur Mutter wahren konnte, so zeigt dies, daß der Vater trotz der Alleinsorge seinen Elternpflichten nachgekommen ist. Das bestehende Gefüge sollte nicht durch weitergehende Mitwirkungsrecht der Mutter belastet und letztlich gefährdet werden.

Danach ist eine Abänderung der bestehenden Alleinsorge des Vaters nicht gerechtfertigt und die Beschwerde der Mutter zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Wert ergibt sich aus § 12 Abs. 2 Satz 3 GKG.

Der Mutter konnte mangels hinreichender Erfolgsaussicht keine Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde bewilligt werden (§§ 114, 119 ZPO).

Dr. Bauermann
Dr. WeychardtSchmidt