OLG Frankfurt vom 05.01.2010 (6 UFH 4/09)

Stichworte: FamFG, Übergangsrecht; sonstige Familiensachen; Übergangsrecht, sonstige Familiensachen, FamFG, Übergangsrecht;
Normenkette: FamRefG 111, FamFG 266; FamFG 266, FamRefG 111; FamRefG 111, FamFG 266; FamFG 266, FamRefG 111;
Orientierungssatz:
  • Ist vor dem 01.09.2009 VKH für einen noch nicht eingereichten Antrag beantragt und wird über den VKH-Antrag nach dem 31.08.2009 entschieden, gilt auch für das VKH-Verfahren das FamFG
  • Schadensersatzklagen des Betreuten gegen den Betreuer, die im Betreuungsverhältnis wurzeln, sind auch dann keine Familiensachen nach § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, wenn der Betreuer ein Elternteil des Betreuten ist
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In dem Zuständigkeitsbestimmungsverfahren

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Vorlage des Landgerichts Darmstadt vom 11. Dezember 2009 am 05.01.2010 beschlossen:

    Das Landgericht Darmstadt ist für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zuständig.

    Gründe:

    Der Antragsteller beantragt mit einem am 12. Juni 2009 beim Landgericht Darmstadt eingegangen Antrag Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage gegen seine Eltern, die Antragsgegner, welche darauf gestützt ist, dass diese als gerichtlich bestellte Betreuer des Antragstellers Gelder, die dem Antragsteller zustünden, zu Unrecht vereinnahmt hätten. Beigefügt ist dem Antrag der Entwurf einer Klageschrift.

    Der mit dem Klageentwurf erlangte Betrag beträgt 12.929,91 EUR.

    Das Landgericht hat nach Anhörung der Parteien auf Antrag des Antragstellers die Sache an das Amtsgericht Pirmasens als Familiengericht verwiesen, mit der Begründung, es handele sich um eine Betreuungssache im Sinne des § 271 Ziffer 3 FamFG für die das Amtsgericht Pirmasens als Familiengericht gemäß § 272 FamFG zuständig sei. Das Amtsgericht - Familiengericht - Pirmasens hat nach Anhörung der Parteien die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt mit der Begründung, dass das FamFG wegen des Klageeingangs vor dem 01.09.2009 keine Anwendung finde, im Übrigen auch nach dem FamFG eine Zuständigkeit des Familiengerichts nicht gegeben sei.

    Das Landgericht Darmstadt hat daraufhin dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Sache zur Entscheidung vorgelegt.

    Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist zur Entscheidung berufen, da das zuerst angerufene Landgericht Darmstadt zu seinem Bezirk gehört (§§ 36 Abs. 2 ZPO, 5 Abs. 2 FamFG).

    Das Landgericht Darmstadt war als das zuständige Gericht zu bestimmen, da es sich um eine allgemeine Zivilsache handelt und der unrichtige Verweisungsbeschluss das Amtsgericht Pirmasens deshalb nicht bindend ist, weil er willkürlich ist (§§ 281 Abs. 2 ZPO, 3 Abs. 1 und 3 FamFG).

    Allerdings geht das Landgericht Darmstadt zu Recht davon aus, dass die Vorschriften des FamFG für die Frage der Zuständigkeit Anwendung finden. Zwar geltend diese Vorschriften nach Art. 111 Abs. 1 FamRefG nicht wenn ein Verfahren vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden ist. Hier ist das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vor diesem Stichtag eingeleitet worden. Der Antragsteller hat jedoch nicht gleichzeitig eine Klage anhängig gemacht, sondern eine Klage nur im Entwurf eingereicht. Im Fall einer Prozesskostenhilfebewilligung würde das Hauptsacheverfahren erst nach der daraufhin erfolgten Einreichung einer Klageschrift eingeleitet. Bei dieser Fallkonstellation muss, wenn die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch erst nach dem 31. August 2009 ergeht, für die Frage der Zuständigkeit das neue Verfahrensrecht Anwendung finden. Denn die Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren kann sich nicht mehr nach altem Recht richten, weil es an einer vor dem 01.09.2009 eingereichten Klage fehlt.

    Das Landgericht Darmstadt hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass das Familiengericht beim Amtsgericht Pirmasens zuständig sei. Eine Betreuungssache liegt offensichtlich nicht vor. Es handelt sich weder um ein Verfahren zur Bestellung eines Betreuers, noch um ein Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, noch um ein Verfahren, das die rechtliche Betreuung eines Volljährigen nach §§ 1896 bis 1908i des bürgerlichen Gesetzbuches betreffen würde (§ 271 FamFG). § 1908i Abs. 1 i.V.m. § 1833 BGB regelt materiellrechtlich die Schadensersatzverpflichtung des Vormunds. Hieraus folgt aber keine sachliche Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts für die Entscheidung über solche Schadensersatzansprüche. Die Entscheidung über Schadensersatzansprüche ist eine typische Aufgabe der streitigen Gerichtsbarkeit. Während das FamFG den Familiengerichten sowohl Verfahren aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit als auch Streitverfahren zuweist (§§ 111, 112 FamFG), wobei für Streitsachen besondere auf sie zugeschnittene Verfahrensvorschriften gelten (§§ 113 ff. FamFG), ist das Verfahren in Betreuungssachen ausschließlich als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet (§§ 271 ff. FamFG). Eine Möglichkeit in Streitverfahren zu entscheiden haben die Betreuungsgerichte nicht.

    Hinzu kommt, dass der Verweisungsbeschluss auch dann nicht gerechtfertigt wäre, wenn es sich um eine Betreuungssache handeln würde. Denn das Landgericht hat ausdrücklich an das Amtsgericht als Familiengericht verwiesen. Für Betreuungssachen sind indessen nicht die Familiengerichte sondern die Betreuungsgerichte zuständig (§ 23c GVG).

    Das Familiengericht ist auch nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zuständig. Es handelt sich nicht um eine sonstige Familiensache nach § 111 Nr. 10 FamFG. Das Landgericht hatte seinen Hinweis vom 25.09.2009 vor Erlass des Verweisungsbeschlusses darauf gestützt, es handele sich um eine sonstige Familiensache im Sinne der §§ 111 Ziffer 10, 266 Abs. 1 Ziffer 4 FamFG bzw. um eine Betreuungssache. Eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Ziffer 4 liegt ebenfalls nicht vor. Denn es handelt sich ersichtlich nicht um ein aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührenden Anspruch. Zwar ist der Antragsteller der Vater der Antragsgegner, die vorgeworfene Pflichtverletzung rührt jedoch nicht aus deren Stellung als Kinder des Antragstellers her sondern aus ihrer Stellung als Betreuer. Ansprüche nach § 266 Abs. 1 Nr. 4 setzen jedoch voraus, dass die Streitigkeit im Eltern-Kind-Verhältnis ihre Grundlage hat (Zöller- Lorenz, ZPO, 28. Aufl., § 266 FamFG Rdnr. 19; Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 266 Rdnr. 17). Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist jedoch die Stellung der Antragsgegner als gerichtlicher Betreuer des Antragstellers. Das hat nichts mit dem Verwandtschaftsverhältnis zu tun.

    Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Ausführungen im Vorlagebeschluss vom 11. Dezember 2009, das Amtsgericht Pirmasens sei der Ansicht, es liege eine Familiensache nach § 111 Nr. 10 ZPO vor, dessen die Übernahme der Sache ablehnenden Beschluss vom 25.11.2009 grob verzerrt. Das Amtsgericht Pirmasens hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, das es sich auch nicht um eine Familiensache nach § 111 Nr. 10 FamFG handelt.

    Der Verweisungsbeschluss ist ausnahmsweise nicht bindend, da er willkürlich ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es hierfür nicht auf subjektiv willkürliches Handeln des verweisenden Gerichts ankommt. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr dann willkürlich, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt. Dies ist auch dann der Fall, wenn er aufgrund eindeutiger Gesetzeslage unhaltbar ist (BGH NJW 2003, S. 3201; NJW 1993, S. 1273). Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt hier offensichtlich. Eine Auslegung, dass das Familiengericht Pirmasens zuständig sein könnte, wenn es sich um eine Betreuungssache handelt, ist ebenso unhaltbar wie eine Auslegung, dass der geltend gemachte Anspruch in einem Eltern-Kind-Verhältnis seine Grundlage hätte.

    Noll Kleinle Schuschke