OLG Frankfurt vom 09.03.2015 (6 UF 343/13)

Stichworte: Rechnungszins; RückabzinsVO; externe Teilung; Aufzinsung; Rententrend; Halbteilungsgrundsatz
Normenkette: VersAusglG 17; HGB 253 Abs. 2
Orientierungssatz:
  • Bei der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts ist der gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB zugrunde gelegte Zinssatz zur Vermeidung einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Berechnung des Barwerts ohne den Aufschlag nach § 1 Satz 2 und § 6 RückAbzinsVO heranzuziehen.
  • Die bei externer Teilung im Regelfall auszusprechende Verzinsung des Ausgleichsbetrags ab Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung ist eine Aufzinsung mit Zinseszinsen.
  • 73 F 326/09 S
    AG Bensheim

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Schlussbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 07.11.2013, hier Ziffern 2.2 und 2.3, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schuschke und Gottschalk am 09.03.2015 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird in Ziffer 2.2 und Ziffer 2.3 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    2.2

    Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Wella ... (Wella VO 76 Übergang Wella VO I 2002 Übergang P&G 2004) … zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht von 33.814,73 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse, bezogen auf den 30.06.2009, begründet.

    Die Wella ... wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 4,49 % Zinsen und Zinseszinsen seit 30.06.2009 bis zur Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.

    2.3

    Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Wella ... (Wella VO II Übergang P&G 2004 Entgeltumwandlung) … zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht von 8.072,46 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse, bezogen auf den 30.06.2009, begründet.

    Die Wella ... wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 4,49 % Zinsen und Zinseszinsen seit 30.06.2009 bis zur Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.264,56 EUR festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht hat mit Schlussbeschluss vom 07.11.2013 die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden sowie den Versorgungsausgleich durchgeführt. Unter den Ziffern 2.2 und 2.3 hat es vom Antragsteller bei der Wella … erworbene betriebliche Anrechte im Wege der externen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin bei der Versorgungsausgleichskasse begründet. Dabei hat das Amtsgericht die von der Wella mit Schreiben vom 01.02.2012 überreichten Auskünfte der Tower Watson über Anrechte aus einer betrieblichen Altersvorsorge zugrunde gelegt, in denen hinsichtlich des vom Antragsteller erworbenen Anrechts Wella VO 76 Übergang Wella VO I 2002 Übergang P&G 2004 (Kapitalzusage) ein Ausgleichswert in Höhe von 30.778,72 € und für das Anrecht des Antragstellers Wella VO II 2002 Übergang P&G 2004 (Entgeltumwandlung) (Kapitalzusage) ein Ausgleichswert in Höhe von 7.362,14 € errechnet wurde. Der Barwert wurde unter Zugrundelegung der Richttafeln 2005 G von Klaus Heubeck mit einem Rechnungszins in Höhe von 6 % ermittelt.

    Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragsgegnerin die Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes zu ihren Lasten bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage der von der Wella … vorgeschlagenen Ausgleichswerte, deren Ermittlung auf einem zu hohen Rechnungszins und ohne Berücksichtigung eines Rententrends erfolgt sei. Sie begehrt in erster Linie eine interne Teilung des Anrechts, ansonsten aber eine Abänderung nach Maßgabe des Beschlusses des OLG Hamm, FamRZ 2012, 1306, sowie eine Verzinsung des Ausgleichsbetrages.

    Die Antragsgegnerin beantragt,

    den Beschluss des Amtsgerichts Bensheim vom 07.11.2013 in Ziffer 2.2 und 2.3 aufzuheben und die Anrechte zugunsten der Antragsgegnerin bei der Wella … unter Berücksichtigung von Billigkeitsgrundsätzen zu ermitteln und im Wege der internen Teilung auszugleichen.

    Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.

    Die Wella … hat im Beschwerdeverfahren zunächst die Ausgleichswerte unter Berücksichtigung eines Rechnungszinses in Höhe von jeweils 5,29 % neu berechnet, stimmt einer Verzinsung der Ausgleichsbeträge bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu und verteidigt im Übrigen den angefochtenen Beschluss. Ergänzend hat die Wella … auf Anforderung des Senats zwar auch die Ausgleichswerte berechnet, die sich unter Berücksichtigung eines Rechnungszinses von 4,49 % ergeben, insoweit aber an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Rechnungszins nach § 253 Abs. 2 HGB i. V. m. der Rückstellungsabzinsungs-VO, mithin die zuvor mitgeteilten 5,29 % für das Ehezeitende maßgeblich seien.

    II.

    Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

    Sie ist in der Sache insoweit erfolgreich, als die Ausgleichsbeträge der Höhe nach in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern sind. Zudem ist die fehlende Verzinsung der beiden Ausgleichswerte bis zur Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung nachzuholen.

    Die Ermittlung der Kapitalwerte unter Berücksichtigung einer Abzinsung von 6 % bzw. 5,29 % (neuere Berechnung der Ausgleichswerte im Beschwerdeverfahren nach § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB – BilMoG) führt bei einem Ehezeitende nach dem 30.11.2008 im Hinblick auf die erstmalige Veröffentlichung eines Rechnungszinses nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz für den Monat Dezember 2008 zur Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes und ist deshalb noch weiter nach unten zu korrigieren. Insoweit ändert der Senat die seinem Beschluss vom 16.10.2013 (6 UF 214/12) zugrunde gelegte Rechtsprechung, wonach eine möglicherweise bestehende Regelungslücke des Gesetzgebers, die dazu führen kann, dass der nach § 4 Abs. 5 BetrAVG ermittelte Kapitalwert bei externer Teilung, insbesondere bei Anwendung von § 17 VersAusglG, zu einer nicht unerheblichen Unterbewertung führen kann (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2012, 1306), dennoch nur vom Gesetzgeber geschlossen werden könne (so aber weiterhin OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.12.2014, 4 UF 244/12 bei www.hefam.de m. w. N. zur bisher h. M.). Der Senat schließt sich nun der überzeugenden Auffassung der Senate des OLG Nürnberg an (Beschluss vom 31.01.2014, 11 UF 1498/13, FamRZ 2014, 1023; Beschluss vom 15.04.2014, 7 UF 1115/13, FamRZ 2014, 1703), wonach in diesen Fällen der gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB zugrunde gelegte Zinssatz zur Vermeidung einer Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes insofern noch der Korrektur bedarf, als bei der Berechnung des Barwerts der sogenannte BilMoG-Zinssatz ohne den Aufschlag nach § 1 Satz 2 und § 6 RückAbzinsVO heranzuziehen ist.

    Die Senate des Oberlandesgerichts Nürnberg haben mit ausführlicher und überzeugender Begründung in den beiden bereits zitierten Entscheidungen vom 31.01.2014 und 15.04.2014 herausgearbeitet, dass der Zinssatz ohne den Aufschlag nach § 1 S. 2 und § 6 RückAbzinsVO eher dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Im Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG, BT-Drucks. 16/10144 vom 20.08.2008, S. 85) ist nämlich die Wahl des Rechnungszinses für die Diskontierung zwar grundsätzlich dem Versorgungsträger überlassen worden, jedoch als Maßstab auf die bilanzierte Bewertung der entsprechenden Pensionsverpflichtungen und hier auf das Bilanzrechtmodernisierungsgesetz (BilMoG), § 253 Abs. 2 S. 1 und 2 HGB-E, verwiesen worden. Dabei hatte man jedoch noch nicht die Rückstellungsabzinsungsordnung im Blick, die erst am 10.09.2009 durch das BMJ veröffentlicht wurde und die einen Aufschlag in § 1 S. 2 zu der Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve vorsieht, um die geringeren Sicherheiten von Euro-Staatsanleihen auszugleichen bzw. abzufangen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2014, 11 UF 1493/13, FamRZ 2014, 1023, Rn. 51, 52).

    Der Zinssatz ohne diesen Aufschlag wird aus der Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve ermittelt, und zwar auf der Grundlage der Datenreihe WX 0087 der Deutschen Bundesbank (www.Bundesbank.de unter dem Stichpunkt Statistiken/Zeitreihen-Datenbanken/Makro ökonomische Zeitreihen) durch Ansatz eines Mittelwerts der vor dem Stichtag (hier der 30.06.2009) liegenden 84 Monate, mithin aus den Zinssätzen für den Zeitraum 07/2002 bis 06/2009. Dies ergibt hier einen Zinssatz in Höhe von 4,49 %. Unter Berücksichtigung dieses Zinssatzes ergeben sich dann nach den ergänzenden Auskünften die Ausgleichswerte von 33.814,73 € und 8.072,46 €.

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist bei diesen Ausgleichswerten vorliegend keine weitere Erhöhung wegen Berücksichtigung eines Rententrends mehr vorzunehmen. Zwar ist der Senat grundsätzlich auch der Auffassung, dass ein Rententrend zu berücksichtigen ist (OLG Frankfurt, Beschl. vom 16.10.2013, 6 UF 214/12 m.w.N.; a. A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.12.2014, 4 UF 244/12 bei www.hefam.de m. w. N. zum Streitstand) und deshalb im Einzelfall zu prüfen ist, ob der mitgeteilte Kapitalwert diesen bereits beinhaltet. Jedoch ist vorliegend zu beachten, dass die Anrechte auf eine Auszahlung als Einmalkapital ausgerichtet sind und damit eine Anpassung nach § 3.6 der Betriebsvereinbarung von Vornherein nicht zugesagt ist. Sofern von der Verrentungsoption Gebrauch gemacht wird, wird der Kapitalbetrag nicht sofort vollständig verrentet, sondern die dann zugesagte 1 %-Anpassung ebenfalls aus dem feststehenden Kapitalwert geschöpft.

    Zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes im Versorgungsausgleich ist der Ausgleichswert der anlässlich der Scheidung extern geteilten Anwartschaften für den Zeitraum ab dem Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu verzinsen (BGH FamRZ 2011, 1785; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – XII ZB 204/11, Rn. 21, Beschluss vom 13. Februar 2013 – XII ZB 631/12, Rn. 7 und Rn. 21 f. m. w. N.). Maßgeblicher Zinssatz ist der Rechnungszins, der auch für die Abzinsung zugrunde gelegt worden ist (BGH aaO), d. h. hier die oben zugrunde gelegten 4,49 %.

    Zu Recht weisen in diesem Zusammenhang Hauß und Bührer allerdings darauf hin, dass es sich insoweit nicht um eine Verzinsung nach dem BGB ohne die Zinseszinsen handelt, sondern um das Gegenstück der Abzinsung beim Versorgungsträger, nämlich die Aufzinsung mit den Zinseszinsen (Hauß/Bührer, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Auflage 2014, Rn. 465).

    Danach sind die o. g. Ausgleichswerte in Höhe des zugrunde gelegten Rechnungszinses von 4,49 % wie aus dem Tenor ersichtlich aufzuzinsen.

    Diese Aufzinsung mit dem aus aktueller Sicht hohen Zinssatz über den relativ langen Zeitraum von jetzt bereits annähernd sechs Jahren bildet im Übrigen auch ein Gegengewicht zu der von der Beschwerdeführerin immer noch als zu hoch gerügten Abzinsung und mildert diese weiter ab.

    Keinen Erfolg hat die Beschwerde, soweit eine interne Teilung der Anrechte bei der Wella … begehrt wird. Gemäß § 17 VersAusglG kann der Träger der Direktzusage vorliegend die externe Teilung verlangen. Zwar widerspricht § 17 VersAusglG dem Geist des neuen VAStrRefG, das die interne Teilung präferiert; die Vorschrift ist aber noch einer verfassungsgemäßen Auslegung, wie sie der Senat hier durch Anpassung des Rechnungszinses bei der externen Teilung vorgenommen hat, zugänglich (vgl. hierzu auch Siede FamRB 2015, 70 ff.).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 FamFG.

    Die Entscheidung über die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.

    Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zugelassen, weil die Fragen, welcher Rechnungszins zugrunde zu legen ist, sowie ob eine ggf. vorzunehmende Verzinsung bei externer Teilung mit Zinseszinsen zu erfolgen hat (sog. Aufzinsung), nicht höchstrichterlich geklärt sind.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    Schwamb Schuschke Gottschalk