OLG Frankfurt vom 31.10.2014 (6 UF 32/14)

Stichworte: Anspruchsübergang; Bedarfsgemeinschaft; Kindergeld;
Normenkette: SGB II 33 Abs. 1 Satz 2
Orientierungssatz:
  • Ein Anspruchsübergang nach § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II tritt ein, soweit ein Kind als Anspruchsinhaber aufgrund der Anrechnung des von ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten Kindergeldes nicht hilfebedürftig ist, das Kindergeld zu seiner Bedarfsdeckung bei rechtzeitiger Leistung des Unterhalts jedoch nicht mehr benötigt hätte und es daher zur Bedarfsdeckung eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft hätte herangezogen werden können.
  • Dagegen besteht nach den Vorgaben des § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II keine gesetzliche Grundlage für einen darüber hinausgehenden Forderungsübergang in Höhe des tatsächlich geschuldeten Unterhalts.
  • 4 F 221/13 UK
    AG Fürth

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache ... hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt am 31. Oktober 2014 beschlossen:

    Es wird gemäß § 117 Abs. 3 FamFG darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der erneuten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen. ...

    Gründe: I.

    Der Antragsteller (Landkreis) macht gegen den Antragsgegner aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Kindesunterhalt für November 2011 sowie für die Zeit von Juni 2012 bis März 2013 geltend. Der Antragsgegner ist der Vater des am 10. April 1999 geborenen Kindes ..., das zusammen mit seiner volljährigen Schwester bei seiner Mutter lebt. Die Bedarfsgemeinschaft erhielt von dem Antragsteller in der verfahrensgegenständlichen Zeit Leistungen nach dem SGB II. Wegen der einzelnen Leistungen wird auf die mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2013 zur Akte gereichten Bedarfsberechnungen Bezug genommen.

    Das Amtsgericht hat dem Antrag im Wege eines Teilanerkenntnis- und Endbeschlusses stattgegeben, soweit der Antragsteller Leistungen an ... erbracht hat. Zudem hat es dem Antrag stattgegeben, soweit das dem Kind anlässlich der Bedarfsbestimmung angerechnete Kindergeld bei rechtzeitiger Unterhaltszahlung durch den Antragsgegner der Kindesmutter als Einkommen hätte angerechnet werden können.

    Hiergegen wendet sich der Antragsteller. Er ist der Auffassung, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II in voller - zwischen den Beteiligten mit 323 EUR im Monat außer Streit stehender - Höhe auf ihn übergegangen sei, da er bei rechtzeitiger Unterhaltsgewährung durch den Antragsgegner ... entsprechend weniger Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft hätte erbringen müssen. ... Der Antragsgegner ist dieser Argumentation entgegen getreten.

    II.

    Der Senat weist darauf hin, dass er der Beschwerde nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine Erfolgsaussicht beimisst. Dem Antragsteller stehen über die vom Amtsgericht zugesprochenen Beträge weitere Beträge nicht zu.

    Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, so geht der Anspruch bis zur Höhe der an sie geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem SGB II über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären, § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Forderungsübergang, welcher der Höhe nach auf die erbrachten Leistungen beschränkt ist (BGH, NJW-RR 2011, 145 (146); Klinkhammer, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage 2011, § 8 Rn. 239). Diese - vom Antragsgegner anerkannten - Beträge hat das Amtsgericht dem Antragsteller bereits zugesprochen.

    Gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II greift der Forderungsübergang auch dann, wenn durch die Anrechnung von Kindergeld weniger oder keine Leistungen an ein Kind in einer Bedarfsgemeinschaft erbracht wurden, bei rechtzeitiger Zahlung des Kindesunterhalts jedoch keine oder geringere Zahlungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hätten erbracht werden müssen, weil das Kindergeld dann zur Verrechnung auf den Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung gestanden hätte.

    Ein Anspruchsübergang tritt also auch ein, soweit ein Kind als Anspruchsinhaber aufgrund der Anrechnung des von ihm zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten Kindergeldes nicht hilfebedürftig ist, das Kindergeld zu seiner Bedarfsdeckung bei rechtzeitiger Leistung des Unterhalts jedoch nicht mehr benötigt hätte und es daher zur Bedarfsdeckung eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft hätte herangezogen werden können. In diesen Fällen wäre bei rechtzeitiger Leistung eine Ersparnis beim Leistungsträger eingetreten; diese bemisst und begrenzt sich nach den Vorgaben des § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II auf die Höhe des nicht für das Kind verbrauchten Kindergeldes (BGH, NJW-RR 2012, 898 (901); Diehl, in: Gerhardt/ v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage 2013, Kapitel 14, Rn. 88g; Grote-Seifert, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 15, Rn. 44).

    Voraussetzung für diesen "atypischen" Anspruchsübergang ist mithin zunächst, dass das Kindergeld ganz oder in Teilen ausnahmsweise nicht gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II bei dem Kindergeldberechtigten als Einkommen berücksichtigt werden konnte, sondern gemäß § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen war, weil es zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt wurde. Hinzukommen muss, dass das Kind Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft ist und bei rechtzeitiger Leistung des Dritten wegen der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten keine oder geringere Leistungen an die anderen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären (BGH, NJW-RR 2012, 898 (901)).

    Diesen - vom Antragsgegner anerkannten - Anteil hat das Amtsgericht dem Antragsteller ebenfalls bereits zugesprochen. Wie sich aus seiner von keinem der Beteiligten im Beschwerdeverfahren angefochtenen Berechnung ergibt, hat es dem Antragsteller in den verfahrensgegenständlichen Monaten zusätzlich jeweils den Betrag (an Kindergeld) zuerkannt, welcher nicht für den Bedarf des Kindes hätte eingesetzt werden müssen, hätte es vom Antragsgegner laufenden Unterhalt erhalten.

    Eine gesetzliche Grundlage für einen darüber hinausgehenden Forderungsübergang in Höhe des tatsächlich geschuldeten Unterhalts besteht nach den Vorgaben des § 33 SGB II dagegen entgegen dem Vorbringen der Beschwerde nicht. § 33 Abs. 1 S. 2 SGB II eröffnet nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut sowie seiner Einbettung in den Normenkontext lediglich einen vom Grundsatz der Personenidentität zwischen dem ursprünglichem Anspruchsberechtigten und dem Hilfeempfänger abweichenden gesetzlichen Forderungsübergang, soweit es um die fiktive Anrechnung von Kindergeld anlässlich der Bedarfsbestimmung des Anspruchsinhabers, nicht aber soweit es um eine fiktive Anrechnung weiterer (Unterhalts-) Einkünfte geht. Eine entsprechende Intention lässt sich auch dem Willen des Gesetzgebers nicht entnehmen (BT-Drucks. 16/10810 S. 49 f.).

    [Anmerkung: Die Beschwerde des Antragstellers wurde mit Beschluss vom 27.11.2014 aus den Gründen dieses Hinweisbeschlusses, gegen die nichts mehr vorgebracht wurde, zurückgewiesen.]

    Schwamb Gottschalk Dr. von Pückler