OLG Frankfurt vom 11.04.2000 (6 UF 318/99)

Stichworte: Rechtsmitteleinlegung, Fax, Sorgfaltspflichten Wiedereinsetzung.
Normenkette: ZPO 621e Abs. 3 i.V.m. 519 Abs. 2 Satz 2
Orientierungssatz: Ein Rechtsmittel, das der Bevollmächtigte einer Partei gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung im Sinne des § 621e Abs. 1 ZPO mit Hilfe einer Telekopie der Rechtsmittelschrift einlegen will, ist nur zulässig, wenn die Kopie seine Unterschrift wiedergibt (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 519, Rn. 7, § 518, Rn. 18a mit Angabe höchstrichterlicher Rechtsprechung). Zu den Sorgfaltspflichten bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mittels Fax.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragstellers vom 09.12.1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bensheim vom 12.10.1999 am 11. April 2000 beschlossen:

Die Beschwerde wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 15.000,00 DM.

G r ü n d e

Das Amtsgericht hat zwischen den getrenntlebenden Ehegatten durch Beschluss vom 12.10.1999 die Hausratsteilung durchgeführt. Gegen diesen ihm am 09.11.1999 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller (Ehemann) durch seine erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten mit als Telekopie übersandtem Schriftsatz vom 09.12.1999, der am selben Tag vom Empfangsgerät der hiesigen Zivilsenate des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erfasst und ausgegeben worden ist, Beschwerde eingelegt.

Das Fax besteht aus der zwei Blätter umfassenden (unvollständigen) Beschwerdeschrift und aus 11 weiteren Anlageblättern, insgesamt also aus 13 Blättern. Das Original der Beschwerdeschrift, die (erst) am 10.12.1999 beim hiesigen Gericht eingegangen ist, umfasst 14 Seiten. Hiervon sind zwei Seiten mit der telekopierten Beschwerdeschrift und sämtliche übrigen Anlagen mit dem Rest des Telefaxes deckungsgleich. Die Seite 3 der Originalbeschwerdeschrift, die den Schriftsatz abschließt und die Unterschrift des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers trägt, ist nicht als Bestandteil des Faxes mitübermittelt worden. Die Blätter der Telekopie sind durch entsprechenden Ausdruck des Empfangsgerätes fortlaufend bis zu Blatt 13 numeriert. Das letzte Blatt enthält den Aufdruck: "Gesamtseiten 13". Bei einer dem Originalschriftsatz entsprechenden vollständigen Übermittlung der Telekopie hätte die Schlussseite der Beschwerdeschrift die Blattnummer 3 und die letzte Seite der Anlagen die Blattnummer 14 tragen müssen.

Auf den ihm am 08.02.2000 zugegangenen Hinweis des Senatsvorsitzenden auf die Unzulässigkeit der Beschwerde hat der Antragsteller mit am 21.02.2000 eingegangenem Gesuch vom 18.02.2000 wegen der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dieses im wesentlichen damit begründet, dass die mit der Absendung betraute Fachanwaltsgehilfin X. sich am gleichen Tag, also am 09.12.1999, telefonisch darüber vergewissert habe, dass die Beschwerdeschrift eingegangen sei. Ihr sei von dem Beamten der Eingangsgeschäftsstelle des Gerichts der Eingang der vollständigen Beschwerdeschrift bestätigt worden. Es sei "daher vorweg davon auszugehen, dass die Seite 3 des Schriftsatzes auf nicht mehr nachvollziehbarem Wege" nach der Kontrolle durch den Beamten der Empfangsstelle "innerhalb des Hauses verlorengegangen" sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten X. vom 18.02.2000 sowie auf die Stellungnahme des Gerichtswachtmeisters Y. vom 15.03.2000 Bezug genommen.

Die gemäß § 621e Abs. 1 und 3 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ansich statthafte Beschwerde ist unzulässig.

Die Originalbeschwerdeschrift vom 09.12.1999 ist erst am 10.12.1999, also nach der mit dem Ablauf des 09.12.1999 verstrichenen Monatsfrist, deren Lauf mit der am 09.11.1999 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses begann, beim hiesigen Gericht eingegangen. Sie ist damit verspätet (§ 621e Abs. 3 i.V.m. § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die vorab übermittelte Telekopie der Beschwerde ist zwar rechtzeitig, nämlich am letzten Tag der Rechtsmittelfrist bei Gericht eingegangen. Sie ermangelt jedoch der zur Zulässigkeit vorausgesetzten Form. Sie ist unvollständig. Es fehlt die letzte Seite mit der Unterschrift des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Ein Rechtsmittel, das der Bevollmächtigte einer Partei gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung im Sinne des § 621e Abs. 1 ZPO mit Hilfe einer Telekopie der Rechtsmittelschrift einlegen will, ist nur zulässig, wenn die Kopie seine Unterschrift wiedergibt (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 519, Rn. 7, § 518, Rn. 18a mit Angabe höchstrichterlicher Rechtsprechung).

Zur Nachholung der nicht rechtzeitig eingelegten vollständigen (formgerechten) Beschwerde kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil nicht glaubhaft gemacht ist, dass der Antragsteller, der sich das Verhalten seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), ohne Verschulden an der rechtzeitigen (formgerechten) Einlegung der Beschwerde verhindert war. Dass die fehlende Seite 3 der Beschwerdeschrift zum hiesigen Empfangsgerät übermittelt und im gerichtlichen Verantwortungsbereich abhanden gekommen wäre - so im Wiedereinsetzungsgesuch vom 18.02.2000 vermutet - wird durch den Geräteaufdruck auf den übermittelten Seiten widerlegt. Der gesamte Beschwerdeschriftsatz (einschließlich Anlagen) beträgt 14 Seiten. Vom Sendegerät wurden nur 13 Seiten übermittelt, die sämtlich beim Empfangsgerät angekommen sind. Der Übermittlungsvorgang als solcher ist also fehlerlos verlaufen. Die Fehlerquelle kann daher nur im Verantwortungsbereich des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers liegen. Ein Abgleich der auf dem Sendebericht angegebenen Seitenzahl mit der Seitenzahl des Originalschreibwerks hätte die fehlende Übereinstimmung erkennen lassen und Anlass geboten, die Übermittlungslücke noch rechtzeitig zu schließen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt es dem Rechtsanwalt, bei der Behandlung von Fristsachen Fehlerquellen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Hierzu gehört auch eine wirksame Ausgangskontrolle. Für die Ermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies - so der Bundesgerichtshof (FamRZ 1998, 907) -, dass die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Wörtlich heißt es weiter:

"Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen."

(Zu den Sorgfaltspflichten bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mittels Fax vgl. auch Y., NJW 2000, 322, 334; Henneke, NJW 1998, 2194, 2195; Pape-Nothoff, NJW 1996, 417, 424).

Aus dem im Wiedereinsetzungsgesuch und in der eidesstattlichen Versicherung der Anwaltsfachangestellten X. enthaltenen Tatsachenangaben ergibt sich nicht, dass in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eine solche Anweisung bestand. Insbesondere ist - wie im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 10.03.2000 ausdrücklich eingeräumt - ein Abgleich der Zahl der übermittelten mit der Zahl der zu übermittelnden Seiten nicht erfolgt. Ein solcher Abgleich ist mit dem Hinweis für entbehrlich gehalten worden, dass sich die Angestellte X. nach Übermittlung des Schriftsatzes bei dem Beamten der Empfangsstelle des Gerichts telefonisch vergewissert habe, dass der Schriftsatz auch tatsächlich und vollständig eingegangen ist. Indessen entbindet eine solche Nachfrage nicht von der Kontrolle, ob auch alle Seiten des zu übermittelnden Schriftstückes vom Telefaxgerät erfasst und an das Empfangsgerät weitergesendet worden sind. Denn der Gerichtsbeamte kann bei Eintreffen eines Telefaxes nicht wissen, ob das Fax allen Schriftstücken entspricht, die der Absender übermitteln will. Im konkreten Fall hat sich die Überprüfung des Gerichtswachtmeisters Y. auf die Seitenzahl und die Leserlichkeit des Faxes sowie auf das Aktenzeichen und die Parteienbezeichnung beschränkt, wie sich aus seiner vom Senatsvorsitzenden eingeholten Stellungnahme vom 15.03.2000 ergibt.

Wegen der Gefahr, dass zwar der Faxübermittlungsvorgang als solcher fehlerfrei verläuft, die Übermittlung einzelner für die Übersendung vorgesehener Schriftstücke aus Gründen, die für die Empfangsstelle nicht ersichtlich sind, unterbleibt, befreit ein unterlassener Abgleich der übermittelten mit den zu übermittelnden Seiten von Verschulden im Sinne des § 233 ZPO jedenfalls dann nicht, wenn es hierüber - wie aus dem Vorbringen zur Wiedereinsetzung ersichtlich - eine generelle Anweisung in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers offenbar nicht gegeben hat. Bei diesen Gegebenheiten durfte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers nicht auf eine fehlerfreie Übermittlung des Beschwerdeschriftsatzes vertrauen, auch wenn es sich bei der ausführenden Angestellten um eine zuverlässige Fachkraft handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht dem erstinstanzlichen Wert, von dem abzuweichen es keine Gesichtspunkte gibt.

Dr. Weychardt Kleinle Dr. Bauermann