OLG Frankfurt vom 12.02.1999 (6 UF 316/98)

Stichworte: Sorge, elterliche, gemeinsame Begründung, Aufhebung und Zurückverweisung
Normenkette: BGB 1671 Abs. 2 Nr. 2
Orientierungssatz: 1)Zu den Begründungserfordernissen für eine Sorgerechtsentscheidung. 2)Wenn das für die Ausübung der gemeinsamen Sorge erforderliche Mindestmaß an Einvernehmen nicht zu erzielen ist, so ist dem Kindeswohl mit der Alleinsorge eines Elternteils besser gedient als mit einer aufgezwungenen gemeinsamen Sorge (vgl. S. 11 der zusammenfassenden Darstellung des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts durch das Bundesministerium der Justiz vom 17.10.1997)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt am 12. Februar 1999 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das am 04.11.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Dieburg in seinem Ausspruch zur Regelung der elterlichen Sorge aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.500,00 DM.

G r ü n d e

Das Amtsgericht hat die am 03.05.1990 geschlossene Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung zur Regelung der elterlichen Sorge richtet sich die nach §§ 629a Abs. 2 Satz 1, 621e Abs. 1 und 3 ZPO zulässige Beschwerde der Mutter, mit der sie das alleinige Sorgerecht begehrt.

Die Beschwerde hat vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung der Entscheidung zum Sorgerecht und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Diese leidet an einem wesentlichen Mangel, weil sie keine Begründung enthält. Die Urteilsgründe erschöpfen sich in einer Wiedergabe der gesetzlichen Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dies stellt keine Begründung dar. Eine solche kann auch nicht durch die Bezugnahme auf den Bericht des Jugendamtes sowie auf die Anhörung des Kindes und der Eltern erschlossen werden. Der Jugendamtsbericht enthält sich leider jeder eigenen Stellungnahme zur Frage, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Rosa hat sich ebenfalls zu dieser Frage nicht unmittelbar erklärt. Weiterhin kann dem Protokoll nicht entnommen werden, welche Erklärungen die Eltern bei ihrer persönlichen Anhörung abgegeben haben und wie diese zu werten sind.

Angesichts des hinreichend substantiierten Vorbringens der Mutter war das Amtsgericht im Rahmen der bestehenden Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) gehalten, gegebenenfalls weitere Ermittlungen anzustellen und sich inhaltlich in nachvollziehbarer Form mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen.

Die Grundkonzeption der Neuregelung beruht nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 13/4899 S. 63) auf zweierlei Erwägungen: "Zum einen steht außer Frage, daß es für die betroffenen Kinder das Beste ist, wenn sich die Eltern auch nach der Scheidung einvernehmlich um deren Angelegenheiten kümmern. Für ein solches elterliches Einvernehmen bietet die gemeinsame Sorge einen geeigneten Rahmen. Bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge wird bei dem Kind am wenigsten das Gefühl aufkommen, einen Elternteil zu verlieren. Andererseits läßt sich jedoch Gemeinsamkeit nicht verordnen. Wenn Eltern sich bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge über das das Kind betreffenden Angelegenheiten fortwährend streiten, kann dies zu Belastungen führen, die dem Kindeswohl zum Nachteil gereichen. In diesen Fällen ist der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu geben." Wenn das für die Ausübung der gemeinsamen Sorge erforderliche Mindestmaß an Einvernehmen nicht zu erzielen ist, so ist dem Kindeswohl mit der Alleinsorge eines Elternteils besser gedient als mit einer aufgezwungenen gemeinsamen Sorge (vgl. S. 11 der zusammenfassenden Darstellung des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts durch das Bundesministerium der Justiz vom 17.10.1997). Es kommt mithin auf eine Abwägung des Für und Wider einer gemeinsamen Sorge beziehungsweise eines Alleinsorgerechts an, wobei die Belange des Kindes im Vordergrund stehen. Eine solche Abwägung ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen.

Der Mangel der Begründung einer Entscheidung stellt nach der Rechtsprechung des Senats auch in Sorgerechtssachen (z.B. Senatsbeschluß vom 25.06.1997; ferner OLG Thüringen, FamRZ 1997, 758) regelmäßig einen Grund dar, der die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht rechtfertigt, namentlich dann, wenn -wie hier - eine wertende Betrachtung der Ermittlungen zur Erziehungsfähigkeit und -eignung der Elternteile sowie der Willensäußerung eines Kindes nahe liegt. Vorliegend erscheint es dem Senat nicht sachdienlich, eine nicht mitgeteilte und damit ihm unbekannte oder gar fehlende Sachaufklärung selbst vorzunehmen.

Dr. Weychardt Dr. Bauermann Schmidt