OLG Frankfurt vom 13.04.2015 (6 UF 310/13)

Stichworte: Zugangsfaktor; persönliche Entgeltpunkte; unbillige Härte;
Normenkette: VersAusglG 27; VersAusglG 39, 41 Abs.1; SGB VI 77; SGB VI 109 Abs. 6;
Orientierungssatz:
  • Das neue Versorgungsausgleichsrecht schließt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus. § 109 Abs. 6 SGB VI bestimmt, dass die von der gesetzlichen Rentenversicherung mitzuteilenden Entgeltpunkte aus einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze zu berechnen sind.
  • Der Halbteilungsgrundsatz wird durch die Außerachtlassung des Zugangsfaktors nicht verletzt. Seit der Reform des Versorgungsausgleichsrechts besteht das zu teilende Stammrecht nicht mehr in einem Rentenbetrag, sondern in Entgeltpunkten; dieses Stammrecht wird bei Außerachtlassung des Zugangsfaktors dem Halbteilungsgrundsatz entsprechend geteilt.
  • Wird dem Ausgleichspflichtigen infolge vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell längeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden niedrigeren Zugangsfaktors eine geringere Rente gewährt oder aber infolge späterer Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell kürzeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden höheren Zugangsfaktors eine höhere Rente, so handelt es sich um personenbezogene, nicht aber um anrechtsbezogene Umstände, die im Versorgungsausgleich zu beachten wären (a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2014 - 5 UF 61/13, juris Rn. 24 ff.).
  • 57 F 1039/11 S
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 30. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb, die Richterin am Oberlandesgericht Schuschke sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dr. v. Pückler am 13. April 2015

    beschlossen:

    ...

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.022,64 € festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit es um die Frage geht, ob dem Ausgleich der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen die vom Antragsgegner in der Ehezeit erwirtschafteten Entgeltpunkte und nicht lediglich seine infolge des vorzeitigen Rentenbezugs wegen des verminderten Zugangsfaktors gekürzten, sogenannten persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen sind.

    Gründe:

    I.

    Die 1950 geborene Antragstellerin und der 1945 geborene Antragsgegner haben 1968 miteinander die Ehe geschlossen, aus der ein mittlerweile volljähriger Sohn hervorgegangen ist. Die Eheleute leben seit 2005 voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner im August 2011 zugestellt.

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es zulasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,3272 Entgeltpunkten und zulasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 27,8607 Entgeltpunkten übertragen. Zusätzlich hat es zulasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Voith Industrial Services GmbH ein Anrecht mit einem Kapitalwert von 9.379,00 € übertragen. Für den vom Antragsgegner angeregten Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG hat es keinen Anlass gesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die vom Amtsgericht eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger verwiesen.

    Der Antragsgegner begehrt im Beschwerdeverfahren weiterhin den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG. Die lange Trennungszeit gebiete ein Absehen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs. Zudem sei ein Ausgleich grob unbillig, da er für erhebliche geschäftliche Verbindlichkeiten seiner Ehefrau eingestanden sei. Schließlich sei es unbillig, dass das Amtsgericht dem Versorgungsausgleich seine tatsächlichen Entgeltpunkte bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen zugrunde gelegt habe. Da er vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen habe und dementsprechend sein Zugangsfaktor gekürzt worden sei, hätten dem Ausgleich lediglich seine persönlichen, unter Berücksichtigung des gekürzten Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden dürfen. Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in erster und zweiter Instanz eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    II.

    Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, insbesondere gemäß §§ 59 ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.

    Die Voraussetzungen für einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG sind nicht erfüllt.

    Der Versorgungsausgleich dient der Abwicklung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts, nämlich der in der Ehezeit von den Eheleuten erworbenen Rentenanwartschaften. Er folgt gemäß § 1 VersAusglG dem formalen Prinzip der Halbteilung und entspricht damit dem aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG folgenden Grundsatz, dass Eheleute Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen ist (BT-Drucksache 16/10144 S. 68; BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 1 BvR 105/95 u.a., juris Rn. 34; Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10, juris Rn. 46). Die eheliche Lebensgemeinschaft als solche stellt regelmäßig eine hinreichende Rechtfertigung für den Beteiligungsanspruch in Bezug auf das ehezeitlich erlangte Versorgungsvermögen dar.

    Vor diesem Hintergrund hat die Härtefallklausel des § 27 VersAusglG die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung ermöglichen, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen würde. Nicht jegliches eheliche Fehlverhalten ist durch einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs zu sanktionieren. Soll eine gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen verwirklicht werden und der Ehegatte eine eigene Versorgung erhalten, der - beispielsweise wegen der Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit in der Familie - keine eigenen Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, muss sich die grobe Unbilligkeit vielmehr aus den beiderseitigen Verhältnissen der Eheleute ergeben. Es bedarf daher einer Würdigung aller Umstände, welche die Verhältnisse der Eheleute in Ansehung des Versorgungsausgleichs geprägt haben; bei dieser ist die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Situation der Eheleute in Blick zu nehmen (BT-Drucksache 16/10144 S. 68). Da mit der sprachlichen Neufassung des Ausschlusses des Wertausgleichs aus Härtegründen in § 27 VersAusglG keine Änderung des materiellen Rechts beabsichtigt war (BT-Drucksache 16/10144 S. 68), ist zu seiner Auslegung die zu § 1587c BGB a.F. ergangene Rechtsprechung ergänzend heranzuziehen.

    Danach ermöglicht § 27 VersAusglG nur dann ein Gerechtigkeitskorrektiv, wenn die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, der Ausdruck der nachehelich geschuldeten Solidarität in Bezug auf die während der Ehe gemeinsam geschaffene Altersversorgung ist, in unerträglicher Weise widersprechen würde (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a., juris Rn. 161; Beschluss vom 20. Mai 2003 - 1 BvR 237/97, juris Rn. 18; BGH, Beschluss vom 28. September 2005 - XII ZB 177/00, juris Rn. 15; Beschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11, juris Rn. 19).

    Nach diesem Maßstab ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, soweit das Amtsgericht aus der Dauer der Trennungszeit keine Gründe für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs hergeleitet hat.

    Zwar kann die Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Ehepartners unbillig sein, wenn die Ehegatten vor dem Ende der Ehezeit lange Zeit getrennt leben und es daher in einem wesentlichen Teil der Ehe an einer den Versorgungsausgleich rechtfertigenden Versorgungsausgleichgemeinschaft gefehlt hat (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a., juris Rn. 161; BGH, Beschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11, juris Rn. 20).

    Hiervon kann vorliegend allerdings nicht ausgegangen werden. Die Eheleute haben, bezogen auf die gesamte Ehezeit, nicht über einen besonders langen Zeitraum getrennt gelebt. Sie haben 1968 geheiratet und nach ihren übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2013 ab 2005 getrennt gelebt. Die Zustellung des Scheidungsantrags der Antragstellerin erfolgte 2011. Sie haben also von insgesamt 37 Ehejahren bis zur Zustellung des Scheidungsantrags lediglich 6 Jahre und damit nicht einen wesentlichen Teil der Ehe getrennt gelebt. Zudem hat der Antragsgegner nach der Trennung nur noch über einen kurzen Zeitraum Anwartschaften erworben. Ausweislich der Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 6. November 2007 bezieht er seit August 2007 vorgezogene Altersrente. Seit diesem Zeitpunkt hat er keine weiteren, dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anwartschaften mehr erworben. Dies bedeutet, dass dem Versorgungsausgleich auf seiner Seite lediglich solche Anwartschaften unterfallen, die er in den ersten beiden Jahren nach der Trennung erwirtschaftet hat. Der Ausgleich von Anwartschaften, die bei 37 Ehejahren in den ersten beiden Jahren nach der Trennung erworben wurden, stellt sich allerdings nicht als unbillig im Sinne des § 27 VersAusglG dar.

    Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Amtsgericht aus der vom Antragsgegner behaupteten Übernahme von Verbindlichkeiten der Antragstellerin keine den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG gebietenden Gründe hergeleitet hat.

    Zwar ist nach § 27 VersAusglG zu prüfen, ob die Inanspruchnahme des Ausgleichspflichtigen unbillig ist, weil er für seinen Ehepartner bzw. für dessen Verbindlichkeiten bereits Bestandteile seiner eigenen Altersvorsorge aufgewendet hat und demzufolge durch den Ausgleich weiterer Anwartschaften unbillig belastet würde. Doch hat der Antragsgegner nicht dargetan, in einem Maße für Verbindlichkeiten seiner Ehefrau eingestanden zu sein, welches die Durchführung des Versorgungsausgleichs als unbillig erscheinen lässt.

    Trotz wiederholter gerichtlicher Hinweise hat der Antragsgegner sein Vorbringen, er habe anlässlich des Konkurses seiner Ehefrau 250.000,00 € zur Rückführung ihrer Verbindlichkeiten aufgewendet, nicht substantiiert.

    Es ist bereits nicht ersichtlich, weshalb ein Betrag in Höhe von 250.000,00 € zur Deckung der Schulden der Antragstellerin vonnöten war, nachdem sich ihre Schulden ausweislich ihres Konkursantrags vom 24. Juni 1995 lediglich auf umgerechnet rund 150.000,00 € beliefen.

    Der Antragsgegner hat zudem nicht schlüssig dargetan, dass er Verbindlichkeiten seiner Ehefrau bei der Nassauischen Sparkasse in Höhe von knapp 50.000,00 € zurückgeführt hat. Die Antragstellerin ist seinem entsprechendem Vorbringen entgegen getreten. Sie hat darauf verwiesen, dass es sich bei diesen Schulden um eigene Verbindlichkeiten ihres Ehemanns gehandelt habe. Eine nähere Darlegung, dass es sich bei diesen Schulden um solche seiner Ehefrau handelte, ist auf den Einwand der Antragstellerin nicht erfolgt. Dies wäre allerdings erforderlich gewesen. Aus den von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen geht nicht hervor, dass es sich bei diesen Verbindlichkeiten um solche seiner Ehefrau handelte. Hieran bestehen zudem erhebliche Zweifel, nachdem die Antragstellerin zutreffend darauf hingewiesen hat, aus ihrem Konkursantrag gehe hervor, dass sie bei der Nassauischen Sparkasse keine Verbindlichkeiten gehabt habe. Ohne nähere Erläuterung bleibt auch seine Behauptung, er habe für die Schulden seiner Ehefrau eine Lebensversicherung im Wert von 25.000,00 € sowie zwei Bausparverträge eingesetzt. Mangels schlüssigen Vorbringens erübrigt sich danach die Vernehmung der vom Antragsgegner benannten Zeugin.

    Belegt ist lediglich sein Vorbringen, er sei für die Schulden seiner Ehefrau bei der Frankfurter Volksbank eingetreten. Aus dem von ihm vorgelegten Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 8. April 2004 ergibt sich, dass er als Bürge seiner Ehefrau zur Zahlung von 24.548,13 € verurteilt wurde. Aus dem Schreiben seines Rechtsanwalts vom 19. Dezember 2005 geht allerdings hervor, dass dieser Betrag nachgerichtlich auf 10.000,00 € reduziert wurde. Die Übernahme einer einzelnen Verbindlichkeit in dieser Höhe stellt allerdings keinen Grund dar, die Durchführung des Versorgungsausgleichs als unbillig anzusehen.

    Zuletzt erscheint eine Korrektur des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG nicht geboten, soweit der Antragsgegner begehrt, dem Ausgleich seiner Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen lediglich seine infolge des in der Ehezeit erfolgten vorzeitigen Rentenbezugs wegen des verminderten Zugangsfaktors gekürzten persönlichen Entgeltpunkte, nicht aber seine tatsächlich in der Ehezeit erwirtschafteten Entgeltpunkte zugrunde zu legen.

    Nach § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F. war dem Versorgungsausgleich bei Renten oder Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Rentenbetrag zu Grunde zu legen, der sich am Ende der Ehezeit aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors als Vollrente wegen Alters ergab. Diese Regelung hat der Bundesgerichtshof allerdings verfassungskonform ausgelegt. Zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes hat er bei der Berechnung des Ehezeitanteils der auszugleichenden Rente lediglich den (verminderten) Zugangsfaktor berücksichtigt, wenn die zu Abschlägen führenden Zeiten eines vorzeitigen Rentenbezugs des Ausgleichspflichtigen in die Ehezeit fielen. Damit war eine entsprechende Reduzierung der auszugleichenden Anwartschaften verbunden. Dagegen sollte der (verminderte) Zugangsfaktor bei der Berechnung des Ehezeitanteils der Versorgung im Falle eines vorgezogenen Rentenbezugs bei der Ermittlung der auszugleichenden Anwartschaften außer Betracht bleiben, wenn die zu Abschlägen führenden Zeiten des vorzeitigen Rentenbezugs nicht mehr in die Ehezeit fielen (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2005 - XII ZB 117/13, juris Rn. 21; Beschluss vom 9. Mai 2007 - XII ZB 77/06, juris Rn. 8; Beschluss vom 1. Oktober 2008 - XII ZB 34/08, juris Rn. 11; Beschluss vom 18. Mai 2011 - XII ZB 127/08, juris Rn. 13 ff; Beschluss vom 14. Dezember 2011 - XII ZB 23/08, juris Rn. 14 f.).

    Das neue Recht schließt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus. Nach dem Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich für die Auskunft der Versorgungsträger an das Familiengericht gemäß § 220 Abs. 4 FamFG die nach § 41 Abs. 1, § 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG i.V.m. § 109 Abs. 6 SGB VI zu ermittelnden Entgeltpunkte ausdrücklich aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze. § 109 Abs. 6 SGB VI bestimmt, dass die von der gesetzlichen Rentenversicherung mitzuteilenden Entgeltpunkte aus einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze zu berechnen sind. Entsprechend hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI bei der Bewertung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anwartschaften unberücksichtigt zu bleiben habe. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass für die Teilung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr (fiktive oder tatsächliche) Rentenbeträge, sondern die für das Versorgungssystem maßgebliche Bezugsgröße ausschlaggebend sei, nämlich Entgeltpunkte (Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) S. 25; BT-Drucksache 16/10144 S. 80).

    Eine vom Wortlaut der einschlägigen Regelungen abweichende Auslegung dieser den Willen und die legislative Zielsetzung des Gesetzgebers eindeutig widerspiegelnden Bestimmungen in Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige - wie vorliegend - die vorgezogene Rente innerhalb der Ehezeit beantragt und in Anspruch genommen hat, erscheint nicht geboten. Der Halbteilungsgrundsatz wird durch die Außerachtlassung des Zugangsfaktors nicht verletzt. Seit der Reform des Versorgungsausgleichsrechts besteht das zu teilende Stammrecht nicht mehr in einem Rentenbetrag, sondern in Entgeltpunkten. Dieses Stammrecht wird bei Außerachtlassung des Zugangsfaktors dem Halbteilungsgrundsatz entsprechend geteilt. Wie sich diese Teilung für die Beteiligten im Weiteren auswirkt, ist unbeachtlich. Ob der Ausgangspflichtige im Ergebnis aus dem geteilten Anrecht dieselbe Rente bezieht wie der Ausgleichsberechtigte, hängt von seiner eigenen Entscheidung und seinen individuellen Umständen ab. Wird ihm infolge einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell längeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden niedrigeren Zugangsfaktors eine geringere Rente gewährt oder aber infolge der späteren Inanspruchnahme der Altersrente wegen der individuell kürzeren Rentenbezugsdauer und des daraus resultierenden höheren Zugangsfaktors eine höhere Rente, so handelt es sich um personenbezogene, nicht aber um anrechtsbezogene Umstände, die im Versorgungsausgleich zu beachten wären (Norpoth, in Erman, Kommentar zum BGB, 14. Auflage 2014, § 41 VersAusglG, Rn. 4 ff.; Brudermüller, in: Palandt, BGB, 74. Auflage 2014, § 43 VersAusglG, Rn. 8; Hauß/Bührer; Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Auflage 2014, Rn. 800; Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Auflage 2013, Rn. 177; Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Auflage 2011, Rn. 360 ff.; a.A. unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 1587a BGB: OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2014 - II-5 UF 61/13, juris Rn. 24 ff.).

    Danach hat die Deutsche Rentenversicherung Hessen ihrer Auskunft über die Anrechte des Antragsgegners zu Recht die von ihm in der Ehezeit tatsächlich erworbenen Entgeltpunkte zu Grunde gelegt.

    Es besteht kein Anlass für eine wertende Korrektur des vom Amtsgericht auf der Grundlage der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Hessen vorgenommenen Ausgleichs. Durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente hat sich die Bruttorente des Antragsgegners lediglich geringfügig reduziert, was die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht als unbillig erscheinen lässt. Der Antragsgegner hat ausweislich der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 4. Januar 2012 insgesamt 55,7213 Entgeltpunkte erwirtschaftet; diese wurden sämtlich in der Ehezeit erworben. Dem entspricht unter Zugrundelegung des 2015 aktuellen Rentenwerts von 28,61 € eine monatliche Rente von brutto 1.594,18 €. Da der Antragsgegner seine Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen hat, nämlich bereits seit August 2007, hat die Deutsche Rentenversicherung Hessen seinen Zugangsfaktor ausweislich ihrer Auskunft vom 21. Mai 2013 für einen Minderungszeitraum von 13 Kalendermonaten gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI von 1,0 auf 0,961 gemindert. Entsprechend hat sie seine 55,7213 Entgeltpunkte auf 53,5482 sogenannte persönliche Entgeltpunkte im Sinne des § 66 SGB VI umgerechnet, wonach sich unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwerts eine Rente in Höhe von brutto 1.532,01 € errechnet.

    Eine Korrektur erscheint zuletzt nicht deshalb geboten, weil die vorgezogene Altersrente auf einer einverständlichen Entscheidung der Eheleute beruhte (BT-Drucksache 16/10144 S. 80; Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Auflage 2013, Rn. 177). Dies hat der Antragsgegner weder vorgetragen, noch ist hiervon im Hinblick auf die bereits 2005 erfolgte Trennung auszugehen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 3 und Abs. 4 FamFG. Die Wertfestsetzung für drei in die Entscheidung einbezogene Anrechte folgt aus § 40, § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Sie orientiert sich an den vom Amtsgericht angenommenen, von keinem der Beteiligten im Beschwerdeverfahren beanstandeten Werten.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    Schwamb Schuschke Dr.v.Pückler