OLG Frankfurt vom 13.11.2003 (6 UF 272/02)

Stichworte: türk. Recht, Schadensersatzanspruch, Scheidungsstatut, Unterhaltsstatut
Normenkette: EGBGB 14, 15, 18 Türk. ZGB 174
Orientierungssatz: Der imaterielle Schadensersatzanspruch nach Art. 174 Abs. 2 türk. ZGB ist nach dem Scheidungsstatut zu beurteilen. Ob der materielle Schadensersatzanspruch nach § 174 Abs. 1 türk. ZGB dem Scheidungs- oder dem Unterhaltsstatut folgt, bleibt offen. Jedenfalls ist nicht das Güterrechtsstatut maßgeblich.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt am 13. November 2003 beschlossen:

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Einlegung einer Berufung gegen das am 05.11.2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Michelstadt wird zurückgewiesen

Gründe:

Der Antragsgegnerin kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da die Beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 119 ZPO).

Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch gegen den Antragsteller auf Auskunft über dessen Endvermögen zum 27.11.2001, dem Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, nicht dargetan.

Ein solcher Anspruch, der sich nach Inhalt und Vorbringen insbesondere in erster Instanz auf § 1379 BGB stützt, ist nicht gegeben. Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht unterliegen. Dies ist vorliegend nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das türkische Recht.

Auch nach türkischen Güterrecht ist ein Auskunftsanspruch nicht ersichtlich. Das türkische Recht kennt keinen Zugewinnausgleich. Nach Art. 170 türk.ZGB galt der Güterstand der Gütertrennung. Das ab 01.01.2002 geltende türkische Ehegüterrecht übernimmt zwar als ordentliches Güterrecht weitgehend die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung. Nach der Übergangsregelung in Art. 10 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum türkischen Zivilgesetzbuch vom 03.12.2001 gilt jedoch der bisherige Güterstand fort. Ein Auskunftsanspruch nach altem Recht ist nicht geregelt und auch nicht zur Durchsetzung etwaiger güterrechtlicher Ansprüche nach dem (früheren) türkischen Recht der Gütertrennung geboten.

Ob der Antragsgegnerin im Umkehrschluss zu Art. 186 Abs. 2 ZGB a.F. einen Rechenschaftsanspruch zusteht, weil sie dem Antragsteller während der Ehe Vermögen zur Verwaltung überlassen habe, mag dahinstehen. Ein solcher ist jedenfalls in erster Instanz nicht geltend gemacht worden und kann nunmehr nicht mit der Berufung eingeführt werden. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob es sich insoweit um eine Familiensache oder gar eine Folgesache handelt.

Die Antragsgegnerin hat weiterhin auch keinen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Entschädigungsanspruchs nach Art. 143 Abs. 1 und 2 türk.ZGB a.F., nunmehr Art. 174 Abs. 1 und 2 ZGB n.F., denn ihr steht ein solcher Anspruch nicht zu, wie noch ausgeführt wird.

Schließlich kann die Antragsgegnerin mit der Berufung auch keinen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Ausgleichsanspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) geltend machen. Dieser Anspruch war nicht Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens und bei diesem handelt es sich auch nicht um eine Familiensache. Der Ausgleichsanspruch war vielmehr Gegenstand des Rechtsstreits 4 O 255/01 Landgericht Darmstadt (27 U 37/02 OLG Frankfurt a.M.).

Die Antragsgegnerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Dieser Anspruch ist auf Art. 143 Abs. 1 und 2 türk.ZGB a.F. gestützt. Diese Regelung ist in geänderter Form in Art. 174 des am 01.01.2002 in Kraft getretenen türkischen Zivilgesetzbuch übernommen worden. Insoweit bestimmt Art. 9 Abs. 4 des Einführungsgesetzes, dass Regelungen des Türkischen Zivilgesetzbuches im Zusammenhang mit den allgemeinen Wirkungen der Ehe auch für Ehen gelten, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen worden sind.

Für den immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 143 Abs. 2 türk.ZGB a.F. ist, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Schrifttum unbestritten das Scheidungsstatut (vgl. z.B. Palandt/Heldrich, BGB, 62.Aufl., Art. 17 EGBGB, Rdnr. 17; OLG Frankfurt a.M., 3.Familiensenat; OLG Stuttgart FamRZ 1993, 974; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 725) maßgeblich. Der Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung auch für Art. 174 Abs. 2 türk.ZGB n.F. an. Danach findet das deutsche Recht Anwendung, das einen solchen Genugtuungsanspruch nicht kennt.

Der materielle Schadensersatzanspruch nach Art. 143 Abs. 1 türk.ZGB a.F. ist nach OLG Stuttgart (FamRZ 1993, 975) nach dem Unterhaltsstatut zu beurteilen, das hier nach Art. 18 Abs. 4 EGBGB auf das Scheidungsstatut und damit auf das deutsche Recht verweist. Danach kann letztlich dahin stehen, ob der Schadensersatzanspruch nach Art. 174 Abs. 1 türk.ZGB n.F. ebenfalls unmittelbar dem Scheidungsstatut oder dem Unterhaltsstatut unterliegt.

Für die Anknüpfung an das Güterrechtsstatut ist nach dem Gesetzeszweck und der systematischen Stellung im Gesetz im 2. Buch (Familienrecht), erster Teil (Das Eherecht), 2. Abschnitt (Scheidung), B. (Klage) und V. (Schadensersatz und Unterhalt bei der Scheidung) kein Raum. Eine nicht gewollte Rechtslücke, die durch eine entsprechende Anknüpfung auszufüllen wäre, besteht nicht. Den wichtigsten zum Ersatz anstehenden Positionen wie der verlorene Unterhaltsanspruch, die verlorene Nutzungsmöglichkeit am Vermögen des anderen Ehegatten und Verluste der Altersversorgung (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Landesteil Türkei, Stand 153.Lieferung, S.40) kann vielmehr durch Scheidungsfolgenregelungen, auf die deutsches Recht Anwendung findet (Unterhalt, Versorgungsausgleich), hinreichend Rechnung getragen werden.

Danach ist der Prozesskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin als unbegründet zurückzuweisen.

Noll Kleinle Schmidt