OLG Frankfurt vom 19.11.1998 (6 UF 262/98)

Stichworte: Anlage, Kindesvermögen, mündelsicher, neue Rechtslage
Normenkette: BGB 1643 Abs. 1, 1822 Abs. 1 Nr. 3, 1806, 1807
Orientierungssatz: Nach § 1642 BGB in der Fassung des SorgeRG ist den Eltern.... eine freiere Stellung bei der Anlegung von Geld des Kindes eingeräumt worden; bei der Genehmigung ist zwischen Sicherheits- und Gewinninteressen - unterschiedlich nach der Größe des Vermögens - ein behutsamer Mittelweg zu gehen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffen die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind

hier: familiengerichtliche Genehmigung der Beteiligung an zwei geschlossenen Immobilienfonds

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Eltern gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Bensheim vom 05.08.1998 am 19. Nov. 1998 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Den sorgeberechtigten Eltern des Kindes J., geb. am 24.09.1990, wird die familiengerichtliche Genehmigung für eine Beteiligung an der XXX.- Grundbesitzanlage Nr. 30, gemäß den Beitrittserklärungen vom 09.07.1998 erteilt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO).

G R Ü N D E

Aufgrund des Schenkungsvertrages vom 16.10.1990 hat J. von ihrer Großmutter H. D. Anteile im Nominalwert von 132.000,00 DM DIV 1 (Deutsche Immobilienfonds-Verwaltungsgesellschaft mbH + Co), von 3.000,00 DM DIV 7 und von 54.000,00 DM Depfa 5 erhalten. Ihr Großvater E. D. hat ihr weiterhin durch Vertrag vom 04.06.1991 DIV 1 - Anteile im Nominalwert von 100.000,00 DM schenkweise zugewendet. Diese Anteile wurden zum 01.06.1998 von der Deutsche Grundbesitz Management GmbH zum Kaufpreis von insgesamt 3.480.000,00 DM übernommen. Der Vater will diesen Erlös teilweise wieder in zwei geschlossenen Immobilienfonds anlegen (es folgt die genaue Bezeichnung der Fonds). Den Antrag auf Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung dieser Anlage hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 05.08.1998 zurückgewiesen. Der Erinnerung des Vaters haben Rechtspflegerin und Richterin nicht abgeholfen. Durch Erklärung vom 06.11.1998 ist die Mutter dem Antrags- und Beschwerdeverfahren beigetreten.

Für die Anfechtung der Entscheidung der Rechtspflegerin gilt § 11 RpflG in der vor dem 01.10.1998 geltenden Fassung, da die angefochtene Entscheidung vor diesem Datum der Geschäftsstelle übergeben worden ist (§ 39 RpflG in der Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 06.08.1998). Danach ist die als Beschwerde zu behandelnde Erinnerung zulässig. Es begegnet auch keinen grundsätzlichen Bedenken, daß die ebenfalls sorgeberechtigte Mutter dem Verfahren erst in zweiter Instanz beigetreten ist und das Rechtsmittel unterstützt.

Die Beschwerde ist begründet.

Die Rechtspflegerin hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, daß Eltern das ihrer Verwaltung unterliegende Geld des Kindes gemäß §§ 1806, 1807 BGB mündelsicher anzulegen hätten, worunter die hier beabsichtigte Anlage nicht falle, und daß diese auch nicht als andere Anlegung genehmigungsfähig sei. Die Entscheidung war ersichtlich auf § 1642 BGB in der bis 31.12.1979 geltenden Fassung gestützt. Nach § 1642 BGB in der Fassung des SorgeRG ist den Eltern indessen eine freiere Stellung bei der Anlegung von Geld des Kindes eingeräumt worden. Sie haben danach das ihrer Verwaltung unterliegende Geld des Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist. Einer allgemeinen Genehmigungspflicht unterliegt diese Anlage nicht, vielmehr besteht einerseits lediglich die Haftung der Eltern nach § 1664 BGB beziehungsweise gegebenenfalls Veranlassung für Maßnahmen nach § 1667 BGB. Rechtsgeschäfte, die der Genehmigung des Familiengerichts (früher Vormundschaftsgericht) bedürfen, sind in § 1643 BGB im einzelnen aufgeführt. Das Amtsgericht hat zwar im Erinnerungsverfahren die Änderung des § 1643 BGB bemerkt, hat dem jedoch nicht erkennbar Rechnung getragen. Es hat sich insbesondere nicht im einzelnen mit dem Vorbringen in der Erinnerungsschrift unter den geänderten rechtlichen Voraussetzungen auseinandergesetzt. Wegen der Eilbedürftigkeit hat der Senat ausnahmsweise davon abgesehen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) zurückzuverweisen, hat vielmehr nach weiterer Aufklärung und Anhörung des mit der Vermögensverwaltung betrauten Vaters und eines Geschäftsführers der Deutsche Immobilienfonds Verwaltungsgesellschaft für Grundbesitzanlagen mbH (DIV) durch den Berichterstatter in der Sache selbst entschieden.

Die sorgeberechtigten Eltern bedürfen für die Beteiligung an den beiden Immobilienfonds nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Abs. 1 Nr. 3 BGB der Genehmigung des Familiengerichts. Die Fondsgesellschaft besteht in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Das Kind erhält eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen über die Landesbank Hessen-Thüringen, Girozentrale, die ihre Gesellschaftsbeteiligung als Kommanditist (Treuhandkommanditist) treuhänderische für die Anleger (Treugeber) erwirbt, hält und verwaltet (§ 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Die Treugeber sind zwar regelmäßig keine Gesellschafter, obwohl sie im Innenverhältnis wie unmittelbar Beteiligte behandelt werden (§ 7 Abs. 4). Da der Treugeber auch das Recht hat, vom Treuhänder zudem jederzeit nach Maßgabe der Kündigungsregelung des Treuhändervertrages die Einräumung der handelsrechtlichen Kommanditistenstellung zu verlangen (§ 7 Abs. 3), unterliegt die Beteiligung dem Genehmigungserfordernis nach § 1822 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Insoweit spielt es keine Rolle, ob sich im Einzelfall die Beteiligung als bloße Geldanlage darstellt (vgl. BGHZ 17, 160).

Nach dem Vorbringen der Eltern und dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen des Senats ist der Beitritt zu den Immobilienfonds unter Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile und Risiken des minderjährigen Kindes nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. BayOBLG Rpfleger 1979, 455, 456, 1989, 455, 456). Nach dem Inhalt und Zweck der Anlage und nach den gesamten Umständen ist nicht die Sorge begründet, daß diese nicht dem Wohl des Kindes dient. Das Gericht hat den Eltern eine gewisse Spannweite freier Vermögensverwaltung einzuräumen. Zu genehmigen sind Geschäfte, die nach Art und Umfang des vorhandenen Vermögens den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprechen. Zwischen Sicherheits- und Gewinninteressen ist - unterschiedlich nach der Größe des Vermögens - ein behutsamer Mittelweg zu gehen. Nicht ist es aber Sinn des Genehmigungsvorbehalts, von dem Minderjährigen jegliches etwa mit der Beteiligung an einem Erwerbsgeschäft verbundenes Risiko fernzuhalten (BayOBLG Rpfleger 1979, 455, 457; MünchKomm/Schwab, BGB, 3. Aufl., § 1828 Rdnr. 19). Erträge, Risiken und steuerliche Folgen sind gegeneinander abzuwägen; bei größeren Vermögen ist eine Streuung der Anlagearten erforderlich (MünchKomm/Hinz, a.a.O., § 1642 Rdnr. 7).

Zur Beurteilung des vorliegenden Genehmigungsvertrags ist von besonderer Bedeutung, daß das minderjährige Kind ein Vermögen von über vier Millionen Deutsche Mark besitzt. Das für die Anlage zur Disposition stehende Geld stammt aus dem Erlös von 3.480.000,00 DM durch die Veräußerung von Fondsanteilen, die ihrerseits den wesentlichen Teil der Schenkung der Großeltern ausgemacht haben. Es handelt sich gewissermaßen um die Wiederanlage eines Teils des Geldes in eine Anlageform, die insbesondere durch die günstige Entwicklung zur Mehrung des Vermögens beigetragen hat. Die Eltern stehen in der Tradition der Schenker, von denen die Großmutter noch lebt. Sie bleiben damit zugleich bei einem Emittenten und Prospektherausgeber, der auch durch verbundene Unternehmen auf eine langjährige Erfahrung zurückgreifen kann und in besonderem Maße auch das Vertrauen der Eltern gewonnen hat. Da es sich insoweit zudem um eine Tochtergesellschaft der Landesbank Hessen-Thüringen, einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, handelt, ist durch die Verflechtung ein besonderer Schutz für Anleger bei Auflegung und Durchführung der Fonds gegeben. Die Landesbank steht zudem als Vertreiberin der Fondsanteile und als Treuhänderin in besonderer Verantwortung gegenüber der Minderjährigen.

Bei einem Vermögen der vorliegenden Größenordnung bekommt die Risikostreuung ein besonderes Gewicht. Insoweit ist die Anlage in einem geschlossenen Immobilienfonds, die zwar höhere Gewinnchancen eröffnet, aber auch erhöhten Risiken unterliegt, nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang kommt auch eine Anlage in einem anderen Wirtschaftsraum in Betracht. Weiterhin sind in verstärktem Maß auch steuerliche Gesichtspunkte zu beachten. Nach den vorgelegten Steuerbescheiden für die Jahre 1995 bis 1997 betrug das zu versteuernde Einkommen 119.195,00 DM, 94.816,00 DM beziehungsweise 101.293,00 DM. Wegen der hohen steuerlichen Progression sind Anlagen der vorliegenden Art im Vergleich etwa zur Anlage in festverzinslichen Papieren auch unter steuerlichen Gesichtspunkten interessant, wie sich letztlich auch aufgrund der bisherigen Anlage erwiesen hat. Zwar beruhen die steuerlichen Aussagen hinsichtlich der steuerlichen Behandlung auf der geltenden Rechtsgrundlage, so daß sich Änderungen ergeben können. Die steuerlichen Grundlagen sind jedoch, wie durch das vorgelegte steuerliche Gutachten und die gutachterliche Stellungnahme beziehungsweise die gutachterliche Stellungnahme unter Einschluß der steuerlichen Beurteilung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften / Steuerberatungsgesellschaft, belegt wird, sorgfältig behandelt sind und sich bei Auflegung der Fonds abzeichnende Entwicklungen bereits berücksichtigt. Ein Abwarten mit der Entscheidung wegen der aktuellen steuerlichen Änderungspläne der Bundesregierung erscheint nicht vertretbar, da die Fonds geschlossen werden müssen und möglicherweise besondere Chancen vertan werden.

Bei der Frage der Genehmigung konnte auch einfließen, daß der Vater als ausgebildeter Steuerfachgehilfe über besondere Fachkenntnisse verfügt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Eltern in Vergangenheit nicht die Interessen des Kindes gewahrt hätten. Der Vater war erkennbar auskunftsbereit, und die auch kurzfristig vorgelegten Unterlagen zeigen, daß das Vermögen ordnungsgemäß verwaltet worden ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Schenker ersichtlich vollstes Vertrauen in ihn gesetzt haben, indem in den Schenkungsverträgen vereinbart worden ist, daß er die Verwaltung des schenkweise vermachten Vermögens J., nach Angaben des Vater auch hinsichtlich entsprechender Schenkungen an die anderen Enkelkinder, auch deren Vermögen übernehmen sollte.

Demgegenüber fallen die Bedenken des Amtsgerichts, die gestützt waren auf die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 13.09.1978 (NJW 1979, 274) nicht ins Gewicht. Diese Entscheidung ist noch zur früheren Rechtslage ergangen und läßt die näheren tatsächlichen Umstände nicht erkennen. Der Grundsatz, daß Erhaltung und Rückzahlung des angelegten Geldes sichergestellt sein soll, gilt nicht ausnahmsweise, würde letztlich zum Beispiele auch jede Anlage in Aktien ausschließen. Angesichts der Größe des Vermögens wäre es wirtschaftlich auch nicht vertretbar, freiwerdende Gelder so anzulegen, daß das Kind bei Eintritt der Volljährigkeit über alle Beträge verfügen kann. Vorliegend ist sichergestellt, daß ausreichende Erträge zur Deckung eines angemessenen Lebensbedarfs vorhanden sind. Durch die Streuung der Anlagen ist es zudem auch möglich, bei einem erhöhten Kapitalbedarf andere Anlagen aufzulösen. Der Auslandsfonds ist zudem auf eine begrenzte Lebensdauer von nur vier bis sieben Jahre ausgelegt. Unabhängig davon gibt es auch einen, wenngleich eingeschränkten, Zweitmarkt. Im übrigen sehen die Schenkungsverträge unter anderem vor, daß J. ohnehin erst ab ihrem 30. beziehungsweise 40. Lebensjahr über die Substanz frei verfügen kann. Soweit das Amtsgericht noch darauf abgestellt hat, daß die Entwicklung der Gesellschaften heute nicht absehbar ist, so betrifft diese Überlegung den größten Teil aller Anlagenformen. Nach eingehender Prüfung der Unterlagen, vermag der Senat jedoch kein erhöhtes Risiko, das unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse dem begrenzte Engagement in die beiden Fonds entgegensteht, zu erkennen.

Die beantragte Genehmigung konnte danach nicht verweigert werden.

Dr. Weychardt Dr. Bauermann Schmidt