OLG Frankfurt vom 09.04.2015 (6 UF 261/14)

Stichworte: Bewertungsreserven; Schlussüberschussanteil; Rückkaufswert; Lebensversicherung; Zinseszinsen; Aufzinsung; Verschlechterungsverbot;
Normenkette: VersAusglG 19; VersAusglG 46; VVG 153;
Orientierungssatz:
  • Bei der externen Teilung einer privaten Lebensversicherung besteht kein Grund, den Ausgleichswert ohne die Bewertungsreserven zu berechnen, denn auch für den Rückkauf regelt § 153 Abs. 2 VVG die Beteiligung an den Bewertungsreserven. Danach ist bei der einem Teilrückkauf gleichkommenden externen Teilung nicht anzunehmen, dass noch keine gesicherte Anwartschaft besteht (Anschluss an OLG Nürnberg FamRZ 2014, 394).
  • Wie bei den insoweit vergleichbaren fondsgebundenen Anrechten ist der Zeitwert der Bewertungsreserven (nicht der Verteilungsschlüssel) zum Ehezeitende unter Verzicht auf eine nachträgliche Korrektur von Dynamikunterschieden ohne Verzinsung bei der externen Teilung zugrunde zu legen.
  • Auf den Ausgleichswert (insoweit ohne die Bewertungsreserven) sind ab Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht nur Zinsen, sondern auch Zinseszinsen zu zahlen (Aufzinsung).
  • 53 F 2098/13 S
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. gegen Ziffer 5 der Versorgungsausgleichsentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 04.09.2014 durch Vorsitzenden Richter am OLG Schwamb und die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. von Pückler und Schuschke

    am 09. April 2015 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird zu II. 5. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    II. Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG, ..., zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 4.330,73 Euro zuzüglich 262,08 Euro aus den Bewertungsreserven auf dessen Versicherungskonto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.11.2013, begründet. Die Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG wird verpflichtet, den Betrag von 4.330,73 Euro nebst 4 % Zinsen und Zinseszinsen seit 01.12.2013 bis zur Rechtskraft der Entscheidung sowie weitere 262,08 Euro zu Gunsten des Antragstellers für dessen Versicherungskonto ... an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten sind wechselseitig nicht zu erstatten. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 Euro festgesetzt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    Mit der ausschließlich hinsichtlich Ziffer 5. des Versorgungsausgleichs angefochtenen Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die weitere Beteiligte zu 3. hat unter Hinweis darauf, dass das bei ihr bestehende Anrecht der Antragsgegnerin eine private Rentenversicherung zur Grundlage hat und deswegen keine Einzahlung bei der Versorgungsausgleichskasse in Frage kommt, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, der sich die Versorgungsausgleichskasse (weitere Beteiligte zu 7.) angeschlossen hat.

    Der Senat hat mit Schreiben vom 05.11.2014 darüber hinaus darauf hingewiesen, dass der Ausgleichsbetrag von 4.330,73 Euro mit dem Rechnungszins von 4 % wie aus dem Tenor ersichtlich zu verzinsen ist und die Bewertungsreserven, deren Ehezeitanteil zum Ehezeitende einen Zeitwert von 524,15 Euro hatte, bei unverändertem Fortbestehen mit 262,08 Euro zusätzlich auszugleichen sind. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin den unveränderten Fortbestand der Bewertungsreserven auf Anfrage des Senats vom 06.02.2015 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Der Antragsteller hat sein Einverständnis mit einer Einzahlung des Ausgleichsbetrags auf sein Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erklärt.

    Hiernach war die Entscheidung des Amtsgerichts auf die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 3. ist gemäß §§ 14, 15 VersAusglG extern zu teilen.

    Nach der im Beschwerdeverfahren nochmals bestätigten Auskunft der weiteren Beteiligten zu 3. beläuft sich der Ehezeitanteil der privaten Rentenversicherung der Antragsgegnerin auf 8.661,46 Euro Kapitalwert zuzüglich 524,15 Euro aus den Bewertungsreserven und der Ausgleichswert für die externe Teilung auf 4.330,73 Euro zuzüglich 262,08 Euro aus den Bewertungsreserven.

    Streitig ist, ob dieser Betrag aus den Bewertungsreserven dem Ausgleich bei der Scheidung zugrunde gelegt werden kann. Für die Bestimmung des Wertes eines Anrechts aus einem privaten Versicherungsvertrag verweist § 46 VersAusglG auf die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes über Rückkaufswerte. Danach erhält der Ausgleichsberechtigte neben dem hälftigen Ehezeitanteil des Deckungskapitals, des zugeteilten Überschussanteils sowie nach den jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Fall der Kündigung vorgesehenen Schlussüberschussanteils auch einen Anteil an den Bewertungsreserven (§ 153 Abs. 3 Satz 2 VVG). Bewertungsreserven, die auch als stille Reserven benannt werden, entstehen, wenn die Summe der Zeitwerte aller Kapitalanlagen der Versicherung, auch derjenigen mit stillen Lasten, die Summe der Anschaffungswerte dieser Kapitalanlagen übersteigt (vgl. Reiff in Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., § 153 VVG Rn. 22 ff.). Bewertungsreserven unterliegen damit ähnlich wie Fondsanteile den Schwankungen des Kapitalmarktes. Sie sind sehr volatil, können ansteigen, aber auch abschmelzen und sogar ganz entfallen (vgl. Reiff a.a.O.). Der Senat hat deshalb bei einer internen Teilung entschieden, dass die Bewertungsreserven nicht in den Ausgleich bei der Scheidung einbezogen werden (Beschluss vom 16.09.2014, 6 UF 316/13, im Anschluss an OLG München FamRZ 2011, 978; KG FamRZ 2011, 1733) und offen gelassen, ob bei externer Teilung in entsprechender Anwendung von § 19 VersAusglG mangels Ausgleichsreife der schuldrechtliche Ausgleich nach §§ 20 ff. VersAusglG vorzubehalten sei. Daran hält der Senat jedenfalls für die hier vorzunehmende externe Teilung nicht fest.

    Zu Recht weist nämlich das OLG Nürnberg (FamRZ 2014, 394) darauf hin, dass jedenfalls bei der externen Teilung kein überzeugender Grund besteht, den Ausgleichswert ohne die Bewertungsreserven zu berechnen, denn auch für den Rückkauf regelt § 153 Abs. 2 VVG die Beteiligung an den Bewertungsreserven. Danach ist bei der nach der gesetzlichen Regelung einem Teilrückkauf gleichkommenden externen Teilung nicht anzunehmen, dass noch keine gesicherte Anwartschaft besteht (OLG Nürnberg aaO). Soweit das OLG Celle (FamRZ 2012, 308) dagegen argumentiert, die Werte für den Schlussüberschuss und die Bewertungsreserven seien nur Verteilungsschlüssel für den Leistungsfall trifft dies in der Form nicht zu, denn die Beschwerdeführerin hat zwischen diesen Werten und den tatsächlichen Zeitwerten zum Ehezeitende unterschieden und mitgeteilt, dass sie diese letzteren Beträge zusätzlich zum Ausgleichswert "auszahlt". Daher ist wie bei den insoweit vergleichbaren fondsgebundenen Anrechten auch der Wert der Bewertungsreserven zum Zeitpunkt des Ehezeitendes unter Verzicht auf eine nachträgliche Korrektur von Dynamikunterschieden bei der externen Teilung zugrunde zu legen (ebenso OLG Nürnberg aaO unter Bezugnahme auf BGH FamRZ 2012, 694 Rn. 26).

    Dann ist allerdings auch nur insoweit, d. h. hier hinsichtlich der 262,08 Euro für die Bewertungsreserven, ebenso wie bei den fondsbasierten Anrechten von einer Verzinsung abzusehen (vgl. dazu BGH FamRZ 2013, 1635, offen gelassen OLG Nürnberg aaO), während im Übrigen die Verzinsung des Ausgleichsbetrags von 4.330,73 Euro mit dem Rechnungszins von 4 % ab dem Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung nachzuholen war (OLG Nürnberg aaO, BGH FamRZ 2011, 1785), und zwar auch mit Zinseszinsen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2015, 6 UF 343/13; Hauß/Bührer, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Auflage 2014, Rn. 465). Zu Recht weisen Hauß und Bührer darauf hin, dass es sich insoweit nicht um eine Verzinsung nach dem BGB ohne die Zinseszinsen handelt, sondern um das Gegenstück der Abzinsung beim Versorgungsträger, nämlich die Aufzinsung mit Zinseszinsen (Hauß/Bührer aaO).

    Das Verschlechterungsverbot besteht hinsichtlich des Ausgleichs der Bewertungsreserven schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin diesen Ausgleich selbst für richtig hält und mitteilt, dass sie die hälftige Bewertungsreserve zuzüglich zum Ausgleichswert auszahlt. Aber auch hinsichtlich der nachgeholten Aufzinsung besteht kein Verschlechterungsverbot, weil dieses für einen Beschwerde führenden Versorgungsträger, der auch im Allgemeininteresse für eine objektive Richtigkeit der ihn betreffenden Entscheidungen einzutreten hat, nicht gilt (so die neuere h. M.: OLG Nürnberg aaO; OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2012, 4 UF 161/12, OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2012, 3 UF 220/11, beide zitiert nach juris; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 69 Rn. 25; zum alten Recht differenzierend: BGH FamRZ 1990, 273 für den Fall, dass sich nicht absehen lässt, ob sich eine Abänderung nachteilig oder vorteilhaft auswirkt, anders aber wohl BGH NJW 1984, 2879).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 FamGKG, § 150 Abs. 1, 3 FamFG; die Wertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 FamFG, weil der Ausgleich von Bewertungsreserven, deren Verzinsung und die Frage des Verschlechterungsverbots bei Rechtsmitteln von Versorgungsträgern grundsätzliche Bedeutung haben und insoweit eine einheitliche obergerichtliche bzw. eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vorliegt.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    Schwamb Dr.v.Pückler Schuschke