OLG Frankfurt vom 09.02.2004 (6 UF 256/03)

Stichworte: Dynamik, Zusatzversorgung Zusatzversorgung öffentlicher Dienst, Dynamik Zusatzversorgung BarwertVO
Normenkette: BGB 1587a Abs. 2 Nr. 3, 4
Orientierungssatz: 1) Der Senat verbleibt (nach Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens) bei der bisher in ständiger Rechtssprechung vertretenen Auffassung, wonach die Anwartschaften in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach der Umgestaltung des Zusatzversorgungsrechts zum 31.12.2000 sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als statisch anzusehen sind (OLG Ffm, 1 UF 108/02). 2) Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die befristete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 22. Oktober 2003 am 9. Februar 2004 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch zum Versorgungsausgleich hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der Ehefrau bei der Beschwerdeführerin wie folgt abgeändert: Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften der Ehefrau bei der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände in Darmstadt - Nr.: 032180 00963550 werden auf dem Versicherungskonto Nr.: 52 160851 R 008 des Ehemannes bei der BfA in Berlin Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 35,56 EUR monatlich, bezogen auf die Ehezeit vom 01. Juli 1976 bis zum 31. März 2003, begründet. Der Monatsbetrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen. Beschwerdewert: 500,00 EUR.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es in einem ersten Rechenschritt die beiderseits in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften der Parteien zugunsten des Antragsgegners ausgeglichen. In einem zweiten Rechenschritt hat es zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin auf Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Beschwerdeführerin Rentenanwartschaften zugunsten des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 58,68 EUR begründet. Diesen Betrag hat es ermittelt, indem es den Jahresbetrag der ehezeitbezogenen Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin mit dem Barwertfaktor 7,59 multipliziert und den sich ergebenden Betrag von 25.864,90 EUR mit den amtlichen Rechengrößen zunächst in Entgeltpunkte und dann in eine dynamische Rente von 117,35 EUR umgerechnet hat. Das Amtsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Wert der Zusatzversorgung ab Leistungsbeginn in gleicher Weise wie der Wert einer volldynamischen Versorgung steigt und hat demzufolge gemäß Anmerkung 2 zu Tabelle 1 der Barwertverordnung den Faktor 4,6 der sich bei einem Lebensalter der Antragstellerin von 49 Jahren zum Ende der Ehezeit ergibt, um 65 % erhöht.

Mit ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Anwartschaften bei ihr sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium statisch seien, so dass der Barwertfaktor 4,6 nicht zu erhöhen sei.

Die Parteien und die weitere Beteiligte zu 2) hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zur Beschwerde.

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Beschwerde ist begründet. Der Senat verbleibt bei der bisher in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach die Anwartschaften in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach der Umgestaltung des Zusatzversorgungsrechts zum 31.12.2000 sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als statisch anzusehen sind (ebenso OLG Frankfurt, 1. Senat für Familiensachen, B. v. 15.11.2002 - 1 UF 108/02; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2002 - 4 UF 58/02; OLG Nürnberg, Beschluss v. 24.05.2002 - 7 UF 717/02). Allerdings ist diese Auffassung in der neueren Rechtsprechung umstritten. So vertritt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg die Auffassung, dass die Anwartschaften aus der Zusatzversorgung im Leistungsstadium als volldynamisch anzusehen sei, weil mit den künftig festgelegten Steigerungsraten von 1 % annähernd die Steigerungsraten in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht seien (FamRZ 2003, S. 1932). Demgegenüber ist das OLG Thüringen der Auffassung, dass die Anwartschaften in der öffentlichrechtlichen Zusatzversorgung im Leistungsteil statisch aber im Anwartschaftsteil dynamisch seien, da der künftigen Kapitaldeckung ein Rechnungszins von 3,25 % zugrunde liege (FamRZ 2003, S. 1929).

Der Sachverständige G. hat in dem im vorliegenden Verfahren vom Amtsgericht eingeholten Gutachten ausgeführt, dass eine Volldynamik im Anwartschaftszeitraum deshalb nicht gesichert sei, weil ein Teil der Überschüsse für soziale Leistungen verwendet werden. Er bewertet daher das Anrecht im Anwartschaftsstadium nicht als dynamisch. Hinsichtlich des Leistungszeitraums hat der Sachverständige die Bewertung letzten Endes offengelassen und in seinem Gutachten beide Varianten alternativ berechnet.

Der Senat folgt zunächst dem Sachverständigen G. insoweit, als er die Anwartschaft gegenüber der Beschwerdeführerin im Anwartschaftsstadium nicht als volldynamisch ansieht. Wegen der teilweisen Verwendung der Überschüsse für soziale Leistungen lässt sich derzeit eine Dynamik im Anwartschaftsstadium nicht prognostizieren. Hinsichtlich des Leistungsstadiums geht der Senat nach wie vor davon aus, dass ein festgeschriebener Steigerungssatz von 1 % nicht ausreicht, um die Annahme einer Dynamik zu rechtfertigen. In der Vergangenheit waren im längerfristigen Durchschnitt die Steigerungsraten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung deutlich höher. Nach geringeren Steigerungssätzen im Jahr 2000 lagen die Steigerungssätze in den Jahren 2001 und 2002 wieder deutlich über 1 % (vgl. die Tabelle von Gutdeutsch, FamRZ 2003, S. 737). Seit 2002 kann zwar in beiden zum Vergleich heranziehbaren Versorgungssystemen nicht von höheren Steigerungen als 1 % ausgegangen werden, auch unter Berücksichtigung der Abschmelzung der beamtenrechtlichen Ruhegehälter durch das Versorgungsänderungsgesetz, worauf der Sachverständige G. zutreffend hingewiesen hat. Daraus lässt sich aber noch keine hinreichende sichere längerfristige Prognose für die Zukunft herleiten. Der Senat sieht daher weiter die Steigerungen der Versorgungen in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die derzeit befristet auf jährlich 1 % festgeschrieben ist, nicht als volldynamisch an. Für die Dynamisierung der Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin ist daher von dem nicht erhöhten Barwertfaktor von 4,6 nach der Tabelle 1 zur Barwertverordnung auszugehen. Hieraus errechnet sich eine dynamische Rente von 71,12 EUR. Insoweit wird auf die Anlage 1 des Gutachtens des Sachverständigen G. (Bl. 51 der VA-Akten) verwiesen. Dieser Betrag war hälftig, also mit 35,56 EUR durch Begründung von Anwartschaften zugunsten des Antragsgegners gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG auszugleichen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Bewertung der Anwartschaften in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 621e Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung folgen aus §§ 93a ZPO, 17a GKG.

Noll Kleinle Schmidt