OLG Frankfurt vom 24.03.2004 (6 UF 24/04)

Stichworte: freiwillige Gerichtsbarkeit Streitverfahren Erledigung Zurückverweisung. FGG
Normenkette: ZPO 538 FGG 12
Orientierungssatz: 1) Eine Erledigung der Hauptsache kann im echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ohne entsprechende Erklärung des Antragstellers festgestellt werden 2) Eine Zurückverweisung an das Amtsgericht im Beschwerdeverfahren nach § 621e ZPO ist nicht an die Voraussetzungen des § 538 ZPO gebunden. 3) "Normalität der Bearbeitungsgeschwindigkeit" kann nicht an dem häufig vorhandenen Arbeitsstau infolge durch unzureichende personelle Besetzung der Gerichte aufgelaufener Rückstände gemessen werden, sondern an dem, was der Bürger von einem ordnungsgemäßen Gerichtsbetrieb bei ausreichender personeller Ausstattung erwarten kann.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die befristete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht -Bensheim vom 05. Dezember 2003 am 24. März 2004 beschlossen:

Dem Antragsgegner wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht -Bensheim vom 05. Dezember 2003 auf seine Kosten gewährt.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht -Familiengericht -Bensheim zurückverwiesen, auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 2.600,00 EUR.

Gründe:

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht Bensheim Klage auf Herausgabe von Gläsern und Besteckteilen gegen die Beklagte, seine frühere Ehefrau, erhoben. Die zunächst damit befasste Zivilprozessabteilung hat das Verfahren an das Familiengericht abgegeben, welches im folgenden die Sache im Hausratsverfahren behandelt hat. Nachdem die Antragsgegnerin mitgeteilt habe, dass sich bei der Beklagten kein gemeinsamer Hausrat der Parteien mehr befinde, vielmehr die Gegenstände durch Gebrauch untergegangen seien, hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 02.09.2003 seine Absicht angekündigt, die Erledigung des Verfahrens festzustellen. Dem hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.09.2003 widersprochen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Verfahren für erledigt erklärt, über die Kosten entschieden und den Geschäftswert festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt das Verfahren sei beendet, da das Gericht keinen Hausrat mehr verteilen könne.

Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 11.12.2003 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 29. Dezember 2003 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat die Akten an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet, wo sie am 26. Januar 2004 eingegangen sind.

Die Beschwerdegegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Dem Antragsteller war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er die Beschwerdefrist ohne sein Verschulden versäumt hat, die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt hat und sich der Wiedereinsetzungsgrund zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Oberlandesgericht ohne weiteres aus den Akten ergab (§§ 233, 234, 236 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwerde war binnen eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung beim Oberlandesgericht einzulegen, da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine Endentscheidung in einem Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 7 handelte (§ 621e Abs. 1 und 3, 517 ZPO). Das Verfahren nach der Hausratsverordnung ist ein echtes Streitverfahren auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. In diesen Verfahren können die Parteien die Hauptsache wie im Zivilprozess (§ 91a ZPO) für erledigt erklären. Tun sie dies übereinstimmend, so entscheidet das Gericht nur noch über die Kosten. Liegt wie hier keine übereinstimmende Erledigungserklärung vor, stellt das Gericht auf einseitigen Antrag des Antragstellers die Erledigung der Hauptsache fest, wenn eine solche tatsächlich eingetreten ist (Lerch, NJW 1987, S. 1923). Eine solche Entscheidung stellt eine Endentscheidung im Sinne des § 621e ZPO dar, da sie einem die Erledigung feststellenden Urteil aufgrund einseitiger Erledigungserklärung im Zivilprozess entspricht. Das Amtsgericht hat im vorliegenden Fall eine solche Entscheidung getroffen, so dass sich das Beschwerdeverfahren nach § 621e ZPO richtet, wobei in diesem Zusammenhang es nicht darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für die Feststellung einer Erledigung der Hauptsache gegeben waren. Da die Beschwerde erst am 26. Januar 2004 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, ist sie verspätet. Allerdings ging die Beschwerde beim Amtsgericht 13 Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist ein. In einem solchen Fall ist das erstinstanzliche Gericht aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber den Parteien verpflichtet das Rechtsmittel im normalen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geschieht dies nicht und wäre das Rechtsmittel bei Weiterleitung im normalen Geschäftsgang noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingegangen, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil der Rechtsmittelführer darauf vertrauen kann, dass das erstinstanzliche Gericht insoweit seiner Fürsorgepflicht nachkommt (BverfG NJW 1995, S. 3173). Da das Rechtsmittel fast zwei Wochen vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Amtsgericht vorlag entspricht es nicht mehr einem normalen Geschäftsgang, dass die Akten nicht innerhalb der Beschwerdefrist dem Beschwerdegericht vorlagen. Dabei kann "Normalität" nicht an dem häufig vorhandenen Arbeitsstau infolge durch unzureichende personelle Besetzung der Gerichte aufgelaufener Rückstände gemessen werden, sondern an dem, was der Bürger von einem ordnungsgemäßen Gerichtsbetrieb bei ausreichender personeller Ausstattung erwarten kann.

Aufgrund der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Beschwerde als zulässig zu behandeln.

Sie ist auch begründet. Eine Erledigung der Hauptsache kann im echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ohne entsprechende Erklärung des Antragstellers festgestellt werden. Ist die Hauptsache erledigt und beharrt der Antragsteller auf einer sachlichen Bescheidung seines Antrags, kommt eine Zurückweisung in Frage. Hierfür ist jedoch hier kein Raum, da nach den bisher angestellten Ermittlungen nicht festgestellt werden kann, dass kein verteilungsfähiger Hausrat vorhanden ist. Das Amtsgericht hat den Sachverhalt vielmehr nicht hinreichend aufgeklärt und damit gegen die Amtsermittlungspflicht verstoßen (§ 12 FGG). Der Antragsteller hat detailliert vorgetragen, dass die herausverlangten Gegenstände teils vor, teils während der Ehe angeschafft wurden und bei der Trennung von der Antragsgegnerin mitgenommen wurden. Zu den Gläsern hat die Antragsgegnerin zwar in einer Anlage zum Schriftsatz vom 20.12.2001 Stellung genommen. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass auch Bestecke durch Gebrauch untergegangen sein sollen, wie die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 24.02.2003 mitteilt. Insoweit liegt eine weitere Aufklärung durch förmliche Vernehmung der Antragsgegnerin als Partei nahe.

Der Senat nimmt die verfahrensfehlerhafte Behandlung der Sache durch das Amtsgericht zum Anlass, die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eines Antrags einer Partei entsprechend § 538 ZPO bedurfte es hierzu nicht. Im Hinblick darauf, das § 621e zwar auf verschiedene Vorschriften aus dem Berufungsrecht, nicht aber auf § 538 ZPO verweist, vertritt der Senat mit einer in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Meinung (Musielak/Borth, ZPO, 3. Aufl., § 621e Rd. 26; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, S. 624) die Auffassung, dass die engen Voraussetzungen, unter denen nach § 538 ZPO im Berufungsverfahren noch eine Zurückverweisung möglich ist, für die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO nicht gelten (anderer Ansicht Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 621e Rd. 76).

Noll Bauermann Kleinle