OLG Frankfurt vom 04.10.1999 (6 UF 232/99)

Stichworte: Namenserteilung, Einwilligung, Ersetzung, Anhörung, Verfahrensfehler, Aufhebung, Zurückweisung
Normenkette: FGG 50a Abs. 1 S. 2, BGB 1618 S. 4
Orientierungssatz: Zur Pflicht des Familiengericht zur Anhörung der Eltern bei der Entscheidung über die Ersetzung der Einwilligung des nichtsorgeberechtigten Elternteils zur Einbenennung gemeinsamer Kinder; Voraussetzungen der Ersetzung der Einwilligung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für das Kind

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Dieburg vom 27.07.1999 am 04.10.1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Dieburg, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM (§ 131 Abs. 2, 30 KostO).

G R Ü N D E

Die Eltern des am 29.10.1987 geborenen Kindes K. sind geschieden. Die Mutter ist alleinsorgeberechtigt. Sie hat wieder geheiratet und möchte dem Kind den neuen Ehenamen erteilen. Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht (Rechtspfleger) die Einwilligung zur Namenserteilung ersetzt. Gegen den Beschluß vom 27.07.1999 hat der Vater am 02.08.1999 zur Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde ging beim Oberlandesgericht am 12.08.1999 ein.

Die Beschwerde ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Senats ist gegen Beschlüsse, durch die die Einwilligung eines Elternteils zur Namenserteilung gemäß § 1618 Satz 4 BGB ersetzt wird, die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO in Verbindung mit § 11 RpflG statthaft (Beschluß vom 29.03.1999 - 6 UF 86/99) und nicht die sofortige Beschwerde gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 53 FGG (so z.B. OLG Nürnberg DAVorm 1999, 647; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1336 zu § 1628 BGB a.F.) oder die einfache Beschwerde nach § 19 FGG (so z.B. OLG Köln FamRZ 1999, 734 und 735). Die Beschwerde ist formgerecht (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621e ZPO, Rdnr. 18) und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde des Vaters hat in der Sache selbst vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (Rechtspfleger). Das erstinstanzliche Verfahren leidet nämlich an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Das Amtsgericht hat die Eltern nicht persönlich angehört. Da die Namensbestimmung Ausfluß der elterlichen Personensorge ist, sind die Eltern nach § 50a Abs. 1 Satz 2 FGG in der Regel persönlich zu hören (Senat, Beschluß vom 29.03.1999 - 6 UF 86/99; OLG Frankfurt, 5. FamS, Rpfleger 1999, 391). Zwar haben beide Elternteile vor der entscheidenden Rechtspflegerin Erklärungen abgegeben. Dies geschah nach dem Inhalt des Protokolls in Wahrnehmung der Aufgaben der Rechtsantragsstelle. "Anhörung" geht jedoch wesentlich über die Entgegennahme von Erklärungen und Formulierungshilfe hinaus. Nach § 52 FGG soll das Gericht in einem die Person eines Kindes betreffenden Verfahren auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken; es soll die Beteiligten so früh wie möglich anhören und auf bestehende Möglichkeiten der Beratung hinweisen. Diese neue Vorschrift will verfahrensrechtlich gewährleisten, daß das Familiengericht seiner Vermittlungsaufgabe im Elternkonflikt nachkommt (vgl. Motzer, FamRZ 1999, 1101; OLG Köln FamRZ 1999, 734; Senat, Beschluß vom 23.09.1999 - 6 UF 249/99). Dies kann im allgemeinen nur im Rahmen eines Anhörungstermins geleistet werden, zu dem beide Elternteile geladen werden. Damit den hohen Zielen des seit dem 01.07.1998 geltenden Kindschaftsreformgesetzes, von der Konfrontation der Eltern zu einer Kooperation zu gelangen, genügt werden kann, ist es angezeigt, mit den Eltern die Vor- und Nachteile einer Namensänderung zu erörtern und die Interessenlage aller Beteiligten aufzuklären. Insoweit kann insbesondere auch von Bedeutung sein, daß das Gesetz ermöglicht, den neuen Ehenamen den von dem Kind geführten Namen voranzustellen oder anzufügen (§ 1618 Satz 2 BGB).

Entsprechendes gilt für die erforderliche Anhörung des Kindes nach § 50b FGG. Da auch ein Kind in die Namenserteilung einwilligen muß, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat (§ 1618 Satz 3 BGB), ist im Streitfall regelmäßig auch dieses anzuhören. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie üblich, geltend gemacht wird, das Kind sei beeinflußt worden.

Neben der Verletzung der Anhörungspflichten liegt vorliegend auch ein schwerwiegender Verstoß gegen die Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG) vor. Das Amtsgericht legt seiner Entscheidung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde und begnügt sich mit einer formelhaften Begründung. Es reicht nicht, daß es im wohlverstandenen Interesse des Mädchens ist, wenn es denselben Familiennamen trägt, wie ihre Mutter und deren Ehemann, in deren Haushalt es lebt. Die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens muß vielmehr zum Wohl des Kindes erforderlich sein (§ 1618 Satz 4 BGB). Auf die Empfehlung des Rechtsausschusses sind im Gesetzgebungsverfahren die Voraussetzungen für die Ersetzung gegenüber dem Regierungsentwurf ("dem Wohl des Kindes dient") enger gefaßt und die Möglichkeit des Doppelnamens geschaffen worden, um die Bindungen des Kindes an den Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, zu unterstreichen (BT.-Drucks. 13/8511 Seite 73 f). Mit der "Erforderlichkeit" ist die Eingriffsschwelle hoch gesteckt (Wagenitz, FamRZ 1998, 1545, 1551). In vorliegenden Fall bietet sich auch die persönliche Anhörung der älteren Tochter Madeleine, geboren am 31.08.1982, an. Immerhin hat Madeleine den Haushalt der Mutter verlassen und lebt nunmehr beim Vater. Die Einbenennung von K. würde auch zu einem unterschiedlichen Namen der Geschwister führen. Der Wechsel der Obhut zeigt zudem gerade hier die Problematik von vorangegangenen Rechtsänderungen. Zwar ist die Anhörung des Jugendamtes nicht zwingend in § 49a FGG vorgeschrieben, doch gibt vorliegend insbesondere der Wechsel von Madeleine Anlaß, das Jugendamt gemäß § 12 FGG, § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII um seine Mitwirkung zu bitten.

Der Senat sieht davon ab, die erforderlichen weiteren Ermittlungen selbst anzustellen und verweist die Sache an das Amtsgericht zurück, da es dem angefochtenen Beschluß an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage fehlt.

Dr. Weychardt Dr. Bauermann Schmidt