OLG Frankfurt vom 24.11.2016 (6 UF 229/16)

Stichworte: Bezugsgröße; Ehezeitanteil; Ausgleichswert; Korrespondierender Kapitalwert; Versorgungspunkte
Normenkette: VersAusglG 1, 5 Abs. 1; VersAusglG 5 Abs. 3; VersAusglG 10 Abs. 3; VersAusglG 47 Abs. 4
Orientierungssatz:
  • Soweit § 32a Abs. 2 Satz 1 der VBL-Satzung bestimmt, dass der ausgleichsberechtigten Person ein Ausgleichswert übertragen wird, der in Versorgungspunkten ausgewiesen wird, ist die Bezugsgröße festgelegt.
  • § 5 Abs. 3 VersAusglG stellt es dem Versorgungsträger nicht frei, eine andere Ausgleichsbezugsgröße als die nach seiner Versorgungsordnung maßgebliche zu wählen (Festhaltung an Senat, FamRZ 2014, 755; Anschluss an BGH FamRZ 2016, 1654 Rn. 13; FamRZ 2012, 1545, 1546 Rn. 9).
  • 57 F 2360/15 S
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    pp.

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2. gegen Ziffer 3 des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 18.07.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Ostermann und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. von Pückler

    am 24. November 2016 beschlossen:

    Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2. gegen Ziffer 3 des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 18.07.2016 wird zurückgewiesen.

    Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.000 Euro.

    Gründe:

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren miteinander verheiratet.

    Ihre Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 18.07.2016 unter gleichzeitiger Durchführung des Versorgungsausgleichs geschieden.

    Unter Ziffer 3 des Beschlusses hat das Amtsgericht das Anrecht des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 2. (VBL klassik) durch Übertragung von 22,32 Versorgungspunkten auf die Antragsgegnerin intern geteilt.

    Ausschließlich dagegen richtet sich die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2., die auf der Grundlage der von ihr erteilten Auskunft aus einem errechneten Ehezeitanteil des Antragstellers von 45,37 Versorgungspunkten nur zu einem Ausgleichswert von 20,42 Versorgungspunkten kommt, weil sie nicht – wie das Amtsgericht – nUrteilungskosten berücksichtigt, sondern den Ehezeitanteil mithilfe eines Barwertfaktors von 7,0020 für den Antragsteller zunächst in einen Barwert umrechnet, diesen hälftig teilt und sodann mit dem Barwertfaktor von 7,6510 für die Antragsgegnerin zur Ermittlung des Ausgleichswerts in Versorgungspunkte zurückrechnet.

    Die beteiligten früheren Eheleute und die übrigen Beteiligten haben im Beschwerdeverfahren nicht mehr in der Sache Stellung genommen.

    Die VBL hat mit ihrer Beschwerdebegründung vom 11.08.2016, auf die verwiesen wird, ihre Beschwerde näher begründet. Wegen der Berechnungen der VBL für die gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG maßgebliche Ehezeit vom 01.07.2002 bis 31.10.2015 wird ergänzend auf die erstinstanzliche Auskunft der VBL vom 26.01.2016 (Bl. 22 ff. d. Unterakte VA) Bezug genommen. Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts auf die Gründe:des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

    Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 228 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und damit auch im Übrigen gem. §§ 59 ff. FamFG zulässige Beschwerde der VBL ist nicht begründet.

    Die VBL legt zunächst das vom Antragsteller zum Ende der Ehezeit erworbene Anrecht von monatlich 181,48 Euro zugrunde und teilt diesen Betrag durch den Messbetrag von 4 Euro in 45,37 Versorgungspunkte als von ihr so bezeichnete „maßgebende Bezugsgröße nach § 5 Abs. 1 VersAusglG“.

    Sodann rechnet sie jedoch in einem alternativen zweiten Schritt den oben genannten monatlichen Rentenbetrag zunächst in den Jahreswert von 2.177,76 Euro um und ermittelt mit einem „Barwertfaktor des Ausgleichspflichtigen“ von 7,0020 einen Kapitalwert von 15.248,68 Euro als Barwert.

    Vom „hälftigen Ehezeitanteil als Barwert“ zieht sie sodann die hälftigen Teilungskosten von 125 Euro ab und gelangt zum sog. „Ausgleichswert als Barwert“ (an anderer Stelle bezeichnet als „korrespondierender Kapitalwert“) von 7.499,34 Euro.

    Da die Bezugsgröße nach § 5 Abs. 1 VersAusglG jedoch die Versorgungspunkte sind, rechnet die VBL diesen Kapitalwert mittels Teilung durch einen Barwertfaktor von 7,6510 der Ausgleichsberechtigten in eine Jahresrente, durch 12 geteilt in eine Monatsrente von 81,68 Euro und schließlich geteilt durch den Messbetrag von 4 Euro in 20,42 Versorgungspunkte als Ausgleichswert um.

    Diese Vorgehensweise entspricht jedoch nicht §§ 1 und 5 Abs. 1, 3 VersAusglG i. V. m. § 47 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 VersAusglG.

    Grundsätzlich können zwar private Versorgungsträger nach dem neuen Recht selbst bestimmen, mit welcher Bezugsgröße die interne Teilung vorgenommen werden soll. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/10144, S. 56 zu § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2) heißt es hierzu:

    „Nummer 2 regelt zum einen, dass das zu übertragende Anrecht dem bei der ausgleichspflichtigen Person verbliebenen Anrecht in Bezug auf den Ausgleichswert wertmäßig entsprechen muss. Dem Versorgungsträger stehen dafür drei Möglichkeiten zur Verfügung: Die Teilung kann auf der Grundlage des Deckungskapitals erfolgen, das beispielsweise bei privaten Rentenversicherungen von den Versorgungsträgern für den Ehezeitanteil ermittelt wird. Es kann aber auch die Halbteilung von Rentenbeträgen oder Bezugsgrößen, z. B. Leistungskennzahlen, vorgesehen werden. Da die Halbteilung von Rentenbeträgen zur Bildung unterschiedlich hohen Deckungskapitals und damit zur Belastung des Versorgungsträgers führen würde, wenn die ausgleichsberechtigte Person versicherungsmathematisch eine ungünstigere Risikostruktur als die ausgleichs-pflichtige Person aufweist, besteht auch folgende weitere Möglichkeit: Der Versorgungsträger ermittelt gleich hohe Rentenbeträge nach dem vorhandenen Deckungskapital und teilt dieses entsprechend auf.“

    Ein solches Wahlrecht haben die Versorgungsträger der öffentlichen Zusatz-versorgungen allerdings nicht. Soweit § 32a Abs. 2 Satz 1 der VBL-Satzung bestimmt, dass der ausgleichsberechtigten Person ein Ausgleichswert übertragen wird, der in Versorgungspunkten ausgewiesen wird, ist die Bezugsgröße festgelegt. Dementsprechend werden sowohl in der Hauptauskunft als auch in Anlage 1 der Auskunft der VBL die Versorgungspunkte ausdrücklich als „maßgebende Bezugsgröße nach § 5 Abs. 1 VersAusglG“ bezeichnet und der Kapitalwert wird ausdrücklich nur als „Korrespondierender Kapitalwert (§ 47 Abs. 5 VersAusglG)“ ausgewiesen.

    Welche Bemessungs- bzw. Bezugsgröße auszugleichen ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Versorgungssystem, wobei diejenige Kennzahl maßgeblich ist, die in der Anwartschaftsphase den individuellen Anwartschaftserwerb des Mitglieds verkörpert (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2012 – XII ZB 492/11, FamRZ 2012, 1545, Tz. 8). Der dem Familiengericht gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG zu unter-breitende Vorschlag des Versorgungsträgers für die Bestimmung des Ausgleichs-werts hat in der nach § 5 Abs. 1 VersAusglG maßgeblichen Bezugsgröße zu erfolgen, wobei § 5 Abs. 3 VersAusglG es dem Versorgungsträger nicht frei stellt, eine andere Ausgleichsbezugsgröße als die nach seiner Versorgungsordnung maßgebliche zu wählen (BGH, Beschluss vom 27.06.2012 – XII ZB 492/11, FamRZ 2012, 1545, 1546, Rn. 9). Auch in einer neueren Entscheidung betont der BGH ausdrücklich, nach § 5 Abs. 1 VersAusglG berechne der Versorgungsträger den Ehezeitanteil des Anrechts in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße und unterbreite dem Familiengericht nach § 5 Abs. 3 VersAusglG einen Vorschlag für den Ausgleichswert, worunter die Hälfte (§ 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG) des auszugleichenden Ehezeitanteils des Versorgungs-anrechts zu verstehen sei (BGH, Beschluss vom 22.06.2016 – XII ZB 664/14, FamRZ 2016, 1654, Rn. 13).

    Maßgeblich sind bei der VBL – wie ausgeführt – gemäß § 32a Abs. 2 VBLS die Versorgungspunkte, wenn es auch in gewissem Widerspruch dazu in § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS heißt, „der Ausgleichswert“ werde nach versicherungsmathematischen Grundsätzen durch Umrechnung des ehezeitlichen Anrechts „der ausgleichspflichtigen Person in einen Barwert“ ermittelt. § 47 Abs. 4 Satz 2 VersAusglG bestimmt demgegenüber, dass für ein Anrecht, das bei einem Träger einer Zusatzversorgung des öffentlichen oder kirchlichen Dienstes besteht, lediglich der „korrespondierende Kapitalwert“ – d. h. gerade nicht der Ausgleichswert – als Barwert im Sinne des § 47 Abs. 5 VersAusglG zu ermitteln ist. Von daher schließt sich der Senat weiterhin nicht den Entscheidungen an, die es dennoch hinnehmen oder sogar ausdrücklich billigen, dass die Träger der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes im Ergebnis gar nicht die als Bezugsgröße des Versorgungssystems verwendeten Versorgungspunkte hälftig teilen (siehe aber zu diesem Erfordernis auch BGH FamRZ 2016, 1654, Rn. 13), sondern den Kapitalwert (Barwert), den die ehezeitlichen Versorgungspunkte des Ausgleichspflichtigen haben (so ausdrücklich OLG Schleswig, FamRZ 2016, 371; OLG Nürnberg, FamRZ 2015, 1106; OLG Köln, FamRZ 2015, 1108; OLG Celle, Beschluss vom 24.10.2013, 10 UF 195/12 bei juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.12.2012, 5 UF 15/12; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 719). Dieses Ergebnis vermag auch nicht § 10 Abs. 3 VersAusglG zu rechtfertigen (so aber OLG Celle a. a. O.), denn diese Vorschrift bestimmt, dass für die Durchführung der internen Teilung die vom Versorgungsträger getroffenen Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht maßgeblich sind, erlaubt aber – wie ausgeführt – gerade nicht, dass der lediglich korrespondierende Kapitalwert zum eigentlichen Ausgleichswert erhoben wird und damit die Pflicht außer Kraft tritt, die gesetzlich normierte hälftige Teilung des Ehezeitanteils (§ 1 Abs. 1 und 2 VersAusglG) in der maßgeblichen Bezugsgröße der Versorgungspunkte nach § 5 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmen (vgl. BGH FamRZ 2016, 1654 Rn. 13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.11.2013 – 6 UF 55/13, FamRZ 2014, 755).

    Die abschließende Bestimmung des Ausgleichswerts ist dann Sache des Gerichts (BT-Drucks. 16/10144 S. 49), das den Ausgleich aber ebenfalls zwingend in der nach dem Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße durchzuführen hat (BGH, Beschluss vom 27.06.2012 – XII ZB 492/11, FamRZ 2012, 1545, 1546, Rn. 9; FamRZ 2016, 1654, Rn. 13). Deshalb hat die VBL satzungsgemäß die Versorgungspunkte als ihre maßgebliche Bezugsgröße gemäß § 1 Abs. 1 und 2 VersAusglG sowie § 5 Abs. 1 VersAusglG hälftig zu teilen (Ausgleichswert) und nicht im Widerspruch dazu faktisch doch das Kapital (insoweit auch zustimmend Bergner, NZFam 2014, 49 ff.). Da die von der VBL für ihr Ergebnis angeführten versicherungsmathematischen Grundsätze nicht normiert sind, kann aus ihnen auch nicht zwingend abgeleitet werden, dass unterschiedliche alters- und geschlechtsspezifische Faktoren, die zu dem abweichenden Ergebnis bei einer Berechnung auf Kapitalbasis führen, berücksichtigt werden müssen (vgl. dazu auch OLG Celle a. a. O., Rdn. 37, 38 und Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Auflage 2013, Rn. 333.). Jedenfalls bei der hier vorzunehmenden unmittelbaren Teilung von Versorgungspunkten eines männlichen Ausgleichspflichtigen kommt es im Ergebnis auch nicht zu der vom OLG Celle (a. a. O.) ausgeschlossenen Weiterverwendung nachteiliger geschlechtsspezifischer Faktoren für Frauen.

    Zu bedenken ist schließlich, dass auch nach der früheren Rechtslage vor Inkrafttreten der Reform des Versorgungsausgleichs eine bereits laufende Rente aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mangels notwendiger Dynamisierung ohne Umrechnung ausgeglichen worden wäre, ohne dass darin ein Verstoß gegen versicherungsmathematische Grundsätze und den Halbteilungsgrundsatz gesehen worden wäre. Gegen einen aus versicherungs-mathematischen Gründe:n allein möglichen Ausgleich auf Kapitalbasis spricht ferner eine Mitteilung der VBL in einer früheren Auskunft vom 13.02.2006 zum Verfahren 6 UF 55/13, die Versorgung werde nicht ausschließlich aus vorhandenem Deckungskapital finanziert. Vorliegend profitiert der Antragsteller von der Teilung der Versorgungspunkte gegenüber dem von der VBL angestrebten Ergebnis einer Halbteilung des Barwerts. Für die ausgleichspflichtigen Beteiligten, hier die Antragsgegnerin, bleibt es unabhängig davon bei einer genauen Halbteilung, lediglich vermindert um die hälftigen Teilungskosten. Insgesamt dürfte es für die VBL weitgehend aufwandsneutral sein, die Versorgungspunkte zu teilen (Bergner a. a. O. nimmt an, demgegenüber profitiere die VBL bei der von ihr angestrebten hiervon abweichenden Teilungsform).

    Einer Umrechnung in Kapital bedarf es vorliegend lediglich noch für die Ermittlung des korrespondierenden Kapitalwerts gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 VersAusglG und zur Berücksichtigung der für angemessen erachteten Teilungskosten in Höhe von insgesamt 250 Euro bzw. je Ehegatte von 125 Euro. Allein insoweit ist mithilfe einer Division durch den Barwertfaktor für den Ausgleichspflichtigen (gem. §§ 10 Abs. 3, 47 Abs. 4 VersAusglG) von 7,0020 zunächst ein Jahresbetrag von 17,85 Euro bzw. ein mtl. Rentenanteil von 1,49 Euro zu ermitteln, mithin 0,37 abzuziehende Versorgungspunkte als anteilige Teilungskosten der Antragsgegnerin, wie vom Amtsgericht zutreffend vorgenommen.

    Von einer erneuten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug hat der Senat nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, denn angesichts der allein zu entscheidenden obigen Rechtsfrage, zu der die Argumente ausgetauscht sind, waren von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.

    Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Verfahrenswertes für die Folgesache beruhen auf §§ 150 Abs. 1, 3 und 4 FamFG, 50 Abs. 1 FamGKG.

    Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen, weil die Frage, welche Bezugsgröße für die hälftige Teilung der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungen zugrunde gelegt werden muss, von grundsätzlicher Bedeutung und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

    Schwamb Dr. Ostermann Dr. von Pückler